Digitale Agenda: Bundesregierung hält an Widersprüchen fest

Andreas Frischholz
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Digitale Agenda: Bundesregierung hält an Widersprüchen fest

Nach ersten Vorlagen im Koalitionsvertrag und auf der CeBIT hat die Bundesregierung heute die digitale Agenda im Kabinett verabschiedet. Doch dem internetpolitischen Großprojekt mangelt es weiterhin an konkreten Konzepten und Finanzmitteln.

In der Bundespressekonferenz haben die politisch Verantwortlichen – Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und der für die digitale Infrastruktur zuständige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) – nun auf diese Vorwürfe reagiert. Bei der digitalen Agenda handele es sich um keinen konkreten Maßnahmenkatalog, sondern vielmehr um eine Art „Hausaufgabenheft“ für alle Beteiligten.

Breitbandausbau: Keine Antworten auf offene Fragen

Abweisend beantwortet Gabriel daher auch die Forderung, dass der Staat mehr Geld für den Infrastrukturausbau bereitstelle solle. Ohnehin sei das finanzpolitisch nur schwer realisierbar. Zudem wäre es sinnvoller und zielorientierter, die Investitionsbedingungen für Unternehmen zu verbessern. Im Kern lautet das Motto der Bundesregierung: Deregulierung statt staatliche Eingriffe. Als Beispiel nannte Gabriel das Silicon Valley, wo Startups auch nicht durch den Staat finanziert würden.

Bis dato betreffen fehlende Finanzmittel vor allem den Breitbandausbau. Ein vollständiger Glasfaserausbau ist nach wie vor kein Thema. Stattdessen setzt die Bundesregierung auf einen Technologiemix, um mit dem Einsatz von Vectoring-Technologie die Kosten möglichst gering zu halten. In Regionen, die aufgrund der fehlenden Netze über keine Breitbandzugänge verfügen, sollen die anvisierten Zugangsgeschwindigkeiten mittels Mobilfunk – also LTE – ermöglicht werden.

Bei der Finanzierung setzt Dobrindt vor allem auf die anstehenden Frequenz-Versteigerungen und die Erlöse der Digitalen Dividende II. Diese sollen zusammen mit den frei werdenden Frequenzen vor allem den Breitbandausbau in ländlichen Gebieten vorantreiben. Nach den bisherigen Kalkulationen reichen die Erlöse allerdings bei weitem nicht aus, um eine flächendeckende Verfügbarkeit von Internetanschlüssen mit 50 Mbit/s zu realisieren.

Nach einer Studie vom TÜV-Rheinland belaufen sich die Kosten – abhängig von der eingesetzten Technologie – auf 20 bis 90 Milliarden Euro. Doch laut Dobrindt wären diese Zahlen nicht mehr aktuell. Aufgrund des technischen Fortschritts sowie von Regulierungsansätzen der Bundesregierung zugunsten der investierenden Unternehmen würden diese mittlerweile mit niedrigeren Kosten kalkulieren.

Konkrete Details nannte Dobrindt allerdings nicht. Diese sollen ohnehin erst im Oktober beschlossen werden, wenn die Netzallianz erneut zusammentrifft. Bis dahin bleibt also offen, woher die Finanzmittel kommen sollen, die unter anderem auch von Netzbetreibern wie der Telekom eingefordert werden.

Überwachung spielt praktisch keine Rolle

Der Vorwurf, konkrete Einzelprojekte wie die Ausnahmen in der Störerhaftung für kommerzielle WLAN-Betreiber gehen nicht weit genug, wollten die Minister nicht gelten lassen. Es sei zwar ein Ziel, mehr offene WLANs in Deutschland zu ermöglichen. Aus sicherheitspolitischen Aspekten soll jedoch eine breite Verfügbarkeit von anonymisierten Internetzugängen möglichst unterbunden werden – obwohl das im Widerspruch zum Entwurf der digitalen Agenda steht. In diesem heißt es:

Geschäftsmodelle, die Anonymisierungs- und Pseudonymisierungsmaßnahmen verwenden.

Ohnehin spiele das Thema Überwachung bei der digitalen Agenda keine zentrale Rolle, sagte Gabriel. Stattdessen konzentriere sich die Bundesregierung auf Datensicherheit – unter anderem, um einen Standortvorteil für deutsche und europäische Dienste zu schaffen. Ein Teil der Maßnahmen erfolgt im Rahmen des IT-Sicherheitsgesetzes, von dem das Innenministerium bereits einen Entwurf vorgelegt hat.

Kritik an vagen Konzepten bleibt bestehen

Bereits im Vorfeld der Präsenation hatte Netzpolitik.org den aktuelle Entwurf veröffentlicht. Deutlich kritisiert wurden die vagen und widersprüchlichen Formulierungen, es bleibe „bei Absichtserklärungen und weitgehend vagen Vorstellungen“, kritisiert etwa Zeit-Online.

Ähnlich lautet auch das Fazit von dem Verein Digitale Gesellschaft, in dem auch die Betreiber von Netzpolitik.org mitwirken:

Dass die Agenda über weite Strecken aus Prüfaufträgen besteht und Lösungsansätze in vielen Bereichen erst noch über Gesprächsrunden und Multistakeholder-Foren gefunden werden sollen, bestärkt den Eindruck, dass der Bundesregierung ein stimmiges und durchdachtes Konzept ebenso wie eine echte Vision für die Gesellschaft der Zukunft fehlen. Wichtige Fragen, etwa der Umgang mit sowie die Konsequenzen aus den von Edward Snowden aufgedeckten weltweiten geheimdienstlichen Spähexzessen, werden darüber hinaus eher vermieden als angesprochen.