Re:publica 2016: Das offene Internet ist in Gefahr

Andreas Frischholz
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Re:publica 2016: Das offene Internet ist in Gefahr
Bild: Re:publica 2016

Die Re:publica 2016 ist mittlerweile die größte Internet-Konferenz in Europa und hat heute in Berlin zum zehnten Mal die Pforten eröffnet. Bei dem Jahrestreffen der digitalen Gesellschaft geht es am ersten Tag vor allem um die Frage, wie das offene Internet erhalten werden kann.

So warnt etwa der der Re:publica-Mitbegründer und Netzpolitik.org-Chef Markus Beckedahl in dem Eröffnungsbeitrag: „Das offene Internet ist bedroht.“ Einerseits geschehe das durch immer mehr Überwachungs- und Kontrollinfrastrukturen, anderseits aber auch durch die Abhängigkeit von immer weniger Plattformen. Plattformen, die „uns dann einseitig die Regeln vorgeben“, so Beckedahl.

Wie das im netzpolitischen Alltag aussieht, skizziert er in dem Vortrag „Fight for your digital rights (YouTube)“. Eines der zentralen Probleme wäre derzeit, dass praktisch seit Jahren dieselben Themen behandelt werden. Das gelte etwa für Klassiker wie die Vorratsdatenspeicherung, aber auch für Netzsperren: Das Thema wäre seit der Zensursula-Debatte nicht vorbei, sondern werde nun „über die EU gespielt“ – so setzen etwa Behörden wie Europol auf freiwillige Kooperationen mit sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter, um unliebsame Inhalte aus dem Netz zu entfernen. Unterschiedlicher Ansatz, im Kern aber dasselbe Problem, so Beckedahl.

Als ein weiteres Problem beschreibt er das DRM, mit dem zentrale Plattformen wie Apple und Amazon die Kontrolle über digitale Inhalte behalten. Für Nutzer bedeutet das: Selbst wenn man etwa ein E-Book kauft, könne der Plattformbetreiber jederzeit den Status ändern. Es ist also ein Kontrollverlust für den Käufer, den es bei analogen Produkten so nicht gegeben habe – da hatten die Nutzer mehr Freiheiten. Diese Freiheiten müsse es aber auch in der digitalen Welt geben.

Snowden: Datenschutz als Grundlage für die Meinungsfreiheit

Für einen besseren Datenschutz spricht sich derweil der NSA-Whistleblower Edward Snowden aus, der sich per Videoschalte zu Wort meldete. In einem Vortrag erklärte er, dass die Privatsphäre heute geschützt werden müsse, denn ansonsten wäre diese womöglich für immer verloren. Und der entscheidende Aspekt sei daher der Datenschutz. Denn nur so werde ein Raum geschaffen, in „dem man ungestört nachdenken kann“, erklärte Snowden laut Heise online. Sofern so ein Rückzugsort nicht existiere, sei die Meinungsfreiheit nicht viel wert.

Sascha Lobo fordert „unternehmerischen Aktivismus

Am Abend sprach sich dann Sascha Lobo in dem Vortrag „The Age of Trotzdem“ für einen „neuen, digitalen Gesellschaftsoptimismus“ aus. Seine Kritikpunkte am Status Quo sind vielfältig: Sicherheitsbehörden erweitern die digitale Überwachungsmaschinerie, ohne dass bislang belegt wäre, dass die Überwachung tatsächlich funktioniert. Ähnlich düster ist sein Blick auf den Breitbandausbau: Der Glasfaserausbau stehe hinten an, weil vor allem die Deutsche Telekom auf Vectoring setzt.

Hinzu kommen noch die Probleme mit der Netzdebatte, die eine „zu technische Sicht auf die Gesellschaft und ihre Probleme“ haben. Das gelte etwa für Big-Data-Analysen, die zunächst ein ökonomisches Prinzip verfolgen. Ein Prinzip, das aber auch zu sozialen Problemen führen kann. Als Beispiel nennt er das Nudging-Konzept, bei dem Anreize für (vermeintlich) vorbildliches Verhalten geschaffen werden. In der Praxis bedeute das etwa, dass jemand günstigere Versicherungsbeiträge bekommt, wenn er sich regelmäßig und korrekt die Zähne putzt. Der Haken ist allerdings: Selbst wenn der Einzelne profitieren kann, drohe auf diese Weise eine gesellschaftliche Spaltung.

Zusammengefasst heißt das: Für die Netzgemeinde ist es ernüchternd, dass der digitale Wandel in Deutschland immer noch nicht vorankommt und viele Fragen nicht gelöst sind. Trotzdem müsse man „optimistisch sein“. Als Lösung fordert er einen „unternehmerischen Aktivismus“, um die digitale Welt zum Positiven zu verändern.

TTIP-Leak sorgt am ersten Tag für mediales Aufsehen

Die Re:publica 2016 läuft unter dem Motto TEN. In diesem Jahr werden rund 8.000 Besucher erwartet, die sich bis Mittwochabend bis 750 Vorträge anhören können. Eines der Highlights am ersten Tag war zudem der Greenpeace-Vortrag, in dem einige Details zu den streng vertraulichen TTIP-Dokumenten geschildert wurden, die die Umweltschützer in der letzten Nacht enthüllt hatten. Einen ersten Überblick mit Schwerpunkt auf netzpolitische Themen liefern die Bürgerrechtsplattform EDRi und Netzpolitik.org.