Nintendo Wii im Test: „Big N“ bringt Bewegung ins Spiel

 11/15
Pierre Wisnia
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Must-Have: The Legend of Zelda – Twilight Princess

Wie schon beim GameCube hat Nintendo es leider verpasst, ein Spiel der „Super Mario“-Serie zum Start der neuen Konsole bereitzustellen. Allerdings konnte man Dank der Entwicklungen für den GameCube einen mehr als würdigen Ersatz veröffentlichen: The Legend of Zelda: Twilight Princess. Wie Super Mario oder Metroid gehört auch die „The Legend of Zelda“-Reihe zu Nintendos Haus- und Hof-Marken und kassiert bei jeder Inkarnation höchste Bewertungen von der Fachpresse. Twilight Princess macht da keine Ausnahme – im Gegenteil, der Titel soll den bisherigen Spitzenreiter, The Legend of Zelda: Ocarina of Time, vom Thron stoßen und in jeder Hinsicht übertrumpfen, heißt es.

The Legend of Zelda – Twilight Princess

Übertrumpfen ist jedoch vielleicht nicht das richtige Wort. In der Tat nutzt das Spiel viele Elemente des Nintendo-64-Klassikers aufs Neue, ergänzt aber hier und da einige Details. Nach dem grafischen Abstecher in die Welt des Cel Shading (The Legend of Zelda: The Wind Waker) hat Nintendo die Aufschreie der Zelda-Fangemeinde erhört, denen mit seiner überzogenen Knuddeloptik trotz des Spielspaßes ganz und gar nicht zusagen wollte. So nutzt man für Twilight Princess wieder den eher realistisch gehaltenen Grafikstil der beiden Nintendo-64-Spiele. Dank erhöhter Leistung der Konsole ist dabei natürlich ein riesiger Fortschritt im Detailgehalt zu beobachten. Nintendo nutzt Lens-Flares, Hitzeflimmern, Tiefenunschärfe, etliche Partikeleffekte und Explosionen. Sogar an HDR-Rendering erinnernde Effekte lassen sich recht häufig im Spiel finden. Obwohl all diese Effekte beinahe schon zum Standardrepertoire eines jeden aktuellen Action-Adventures zählen, ist der Einsatz hier immer passend und wirkt selten übertrieben, wie es bei anderen Titeln oft der Fall ist. Dennoch sieht man dem Spiel mehr als deutlich an, dass es seinen Ursprung auf dem GameCube hat, für den der Titel inzwischen ebenfalls erhältlich ist. Es dürfte speziell den arg beschränkten Kapazitäten der GameCube-Disks zuzuschreiben sein, dass das Spiel auf umwerfend große Polygonzahlen verzichtet und dass viele Texturen viel zu matschig wirken, speziell, wenn sich vor der unscharfen und detailarmern Wand-Tapete viele Objekte befinden. Besonders in den zahlreichen Zwischensequenzen sticht dies unangenehm ins Auge. Ein weiter Kritikpunkt, den sich das Spiel gefallenlassen muss, sind die verwendeten Farben. Schon im Vorfeld der Veröffentlichung waren vielerorts Klagen zu hören, dass die Farbpalette des Spiel sich zuviel aus Braun- und Pastelltönen zusammensetzt und der Titel die satten Farben der Vorgänger missen lässt. Auch wenn wir dem nicht einwandfrei zustimmen können, ist die Tendenz hin zum Braun unbestreitbar.

Insgesamt kann die Grafik aufgrund der Texturqualität und der systembedingt niedrigen Auflösung keine neuen Maßstäbe setzen. Selbst bei den Leistungsangaben des Wii – so sie denn stimmen – könnte man mehr erwarten. Dennoch zeigt Twilight Princess, dass man einem Spiel auch mit niedrigeren Polygonzahlen glaubhaft Leben einhauchen kann, sei es auf dem Markt in der Hauptstadt von Hyrule, in der weiten Einöde der hylianischen Ebenen oder an einem der zahlreichen, mit kleinen Wasserfällen gesäumten Quellen. Die Optik mag nicht High-End sein, lässt sich aber trotzdem als „hübsch“, „schön“ oder einfach „gut“ bezeichnen, und das bei einer geradezu riesigen Weitsicht.

Ein weiteres klares Opfer der GameCube-Entwicklung ist der Ton. Natürlich begeht Nintendo bei der Komposition der Hintergrundmusik keine Fehler und nutzt statt riskanter neuer Melodie-Versuche Abmischungen der bekannten Ohrwürmer vergangener Tage. Leider jedoch ist auch das Musikformat dasselbe wie beim Nintendo 64. Statt großartiger Musik in Orchesterqualität muss der Spieler sich mit MIDI-Stücken zufrieden geben. Erschwerend kommt dazu, dass sich die Melodien recht schnell wiederholen. Nach etwa einer Minute beginnt das Musikstück bereits von vorn, vorausgesetzt, es wird nicht von einem anderen ersetzt. Denn es sind tatsächlich so einige Titel im Spiel enthalten. Selbiges gilt auch für die Soundeffekte, die genauso gut wie eh und je sind. Qualitativ fallen hier wieder einmal die vom Controller wiedergegebenen Effekte aus dem Rahmen. Im Gegensatz zu Wii-Sports überschreien sich viele Klänge hier regelrecht, insbesondere das bekannte Jingle, das beim Lösen eines Rätsels ertönt. Das Absenken der Lautstärke schwächt das Problem zwar etwas ab, ganz beheben lässt es sich jedoch nicht. Der größte Kritikpunkt auf der Seite des Sounds ist aber der Mangel an Sprachausgabe. Dieses auch von vielen Fachjournalisten betonte Problem scheint im dritten Jahrtausend beinahe kaum noch hinnehmbar. Auch wir hätten uns angesichts der Massen an Konversationen im Spiel zumindest eine englische Sprachausgabe gewünscht, wirkt das Spiel durch die fehlenden Stimmen der Charaktere doch ungemein klaustrophobischer. Es senkt deutlich das Gefühl, mit einer lebendigen Umgebung zu interagieren. Nur einige kurze Laute wollen dem Effekt mit mäßigem Erfolg entgegenwirken. Allerdings ist es interessant zu beobachten, wie sehr Animationen und Bewegungen in Zusammenwirken mit verschiedenen Textdarstellungen, wie ein übergroßer Schriftgrad oder verzögertes Einblenden einzelner Buchstaben, Gefühle und Stimmungen glaubhaft darstellen können.

Was dem Spieler aber scheinbar bei jedem neuen Zelda-Spiel gewiss sein kann, ist ein ausgezeichnetes Spielgefühl, das größtenteils die Grafik oder den Sound nebensächlich werden lässt. Und hier übertrumpft Twilight Princess seine Vorgänger ohne Probleme – nicht zuletzt Aufgrund der Steuerung. Auch wenn wir den Verlauf der Geschichte natürlich nicht zu sehr vorwegnehmen wollen, so weiß jeder, der jemals einen Zelda-Titel gespielt hat, was ihn erwartet: Wie in nahezu jedem Vorgänger tauchen auch beim aktuellen Titel wieder Link, Zelda und Ganondorf als Hauptpersonen, die Triforce, ihre Aufteilung auf die Hauptfiguren und das Masterschwert als Storyelemente auf. Spielerisch beginnt Twilight Princess serientypisch mit der Einführung in die Steuerung und die Grundmechaniken des Spiels. So lernt man im Verlauf der ersten zwei Stunden, wie man klettert, schwimmt, läuft, Dinge trägt und wirft, angelt, reitet und sich die Hilfe eines Vogels zu Nutze macht. Darüber hinaus stehen auch der Umgang mit dem Schwert und einer Schleuder auf dem Programm. Für Kenner der Serie ist diese Zeit wenig fordernd, so dass man sich schon ein wenig zum Spielen zwingen muss.

Die Tastenbelegung behält das Prinzip bei, von dem schon die Vorgänger profitiert haben. Mit der A-Taste werden Aktionen durchgeführt, das Steuerkreuz kann mit bis zu drei der Mitgeführten Items belegt werden, welche mit B verwendet werden. Die Plus- und Minus-Tasten rufen die Inventar- beziehungsweise Item-Menüs auf und die Tasten 1 und 2 sind für die Kartenansichten zuständig. Gesteuert wird die Hauptfigur mit Hilfe des Analogsticks auf der Nunchuk-Erweiterung, während deren C- und Z-Tasten für die Ego-Perspektive und das Anvisieren des Gegners verwendet werden. Das Zuschlagen mit dem Schwer erfolgt durch schnelle Bewegungen der Fernbedienung, wobei es egal ist, in welche Richtung man sie bewegt. Eine Wirbelattacke wird durch Schütteln des Nunchuk erreicht. Nutzt man eine Fernkampfwaffe wie die Schleuder oder den Bumerang, so kann man durch die Zeigerfunktion der Fernbedienung zielen, welche unserer Meinung nach gerne etwas weniger schwammig reagieren hätte reagieren können. Wer auf die Zeigerfunktion verzichten und lieber mit dem Analogstick zielen möchte, kann dies in den Optionen einstellen.

Das eigentliche Spiel beginnt in dem Moment, in dem Link in Richtung Hyrule aufbrechen soll, um der Prinzessin ein Geschenk zu liefern. Nach einer ausgiebigen Zwischensequenz wacht er dann als Wolf und gefangen in einer Zelle wieder auf. Er bekommt Hilfe von Midna, welche im zwar hilft, jedoch ihre ganz eigenen Ziele verfolgt. Als Wolf kann Link zwar keine Objekte mehr verwenden, jedoch kann er auf die tierischen Fähigkeiten seines Alter-Egos zurückgreifen und ist wesentlich schneller. Spätestens in diesem Moment beginnt das Spiel, den Spieler durch geschicktes Leveldesign, Zwischensequenzen und einer ungemein spannungsvollen Atmosphäre in seinen Bann zu ziehen. Schnell ist die geringe Auflösung vergessen und auch die fehlende Sprachausgabe macht einem kaum noch etwas aus. Abwechselnd als Wolf und als Mensch erkundet man weite, teils sogar riesige Landschaften, düstere Wälder, verschlungene Gebirgspfade und tiefe Seen, als wenn man selbst dort wäre und nimmt sich Zeit, auch den letzten Winkel der hylianischen Steppe zu untersuchen. Dass dabei der Spielspaß auch nach 20 Spielstunden nicht nachlässt, verdankt das Spiel zudem vielen Nebenjobs, Minispielen und witzigen Charakteren. Sei es der Postbote, der Link leichtbekleidet Briefe zustellt oder die Clowns am Hylia-See, jede Figur im Spiel hat ihren eigenen Charme und passt trotz der teils sehr kuriosen Gestaltung in das Gesamtbild. Wen dem einen oder anderen N64-Spieler die genannten Namen bekannt vorkommen sollten, so liegt das daran, dass beinahe jede Ortsbezeichnung aus Ocarina of Time auch in Twilight Princess zu finden ist. Allerdings ist dies die einzige Verbindung der zwei Spielewelten, da die neuen Versionen nicht nur anders aussehen und an anderen Positionen auf der Karte liegen, sondern auch wesentlich weiträumiger ausfallen. Allein das Reiten von einem Ort zum anderen kann nun einige Minuten dauern, während die Orte zu N64-Zeiten noch vergleichsweise nahe nebeneinander lagen. Die Minispiele waren bereits in den Vorgängern sehr abwechslungsreich, doch setzt Nintendo auch hier noch eins drauf. Während anfangs nur Ziegen gehütet werden müssen, kommen später Sumo-Ringkämpfe, Angeleinlagen oder Raftingtouren dazu. Speziell das Angeln macht fast schon süchtig, so dass man allein in diese Nebensächlichkeit schon etliche Stunden Zeit investieren kann. Wo wir gerade dabei sind: Das Spiel bietet im Durchschnitt Material für etwa 50 Stunden Spielzeit, wobei die Minispiele noch nicht eingerechnet wurden. Somit mag das Spiel also nicht in Regionen eines Rollenspiels wie World of Warcraft, Final Fantasy oder The Elder Scrolls reichen, bietet dem Spieler aber einen ausgezeichneten Gegenwert für seine Investition.

Leider hat die neueste Zelda-Inkarnation auch in spielerischer Hinsicht einen kleinen Makel: Entweder den Entwicklern waren die Vorgängerspiele etwas zu schwer oder man wollte das Spiel auch für Anfänger leichter zugänglich machen, aber Twilight Princess ist eindeutig zu leicht geraten. Nur sehr selten muss man sich Gedanken um seine Lebenenergie machen, denn Nachschub in Form von Herzen, Tränken oder Feen ist alles andere als rar gesät. Aber auch die Gegner sind nicht so hart wie beispielsweise bei Majoras Mask, was insbesondere bei den Tempelbossen sauer aufstößt. So verlieren auch wenig geübte Spieler bei den ersten Bossen kaum bis gar keine Energie und auch die späteren Gegner sind nicht übermäßig fordernd.

Alles in allem kann man The Legend of Zelda: Twilight Princess als in vielen Aspekten erweitertes und verbessertes Ocarina of Time ansehen. Der Titel stellt daher tatsächlich die neue Spitze der Spieleserie dar. Wer mit dem Gedanken spielt, sich Wii zuzulegen, sollte im gleichen Zug auch Twilight Princess mit in den Warenkorb legen. Auch GameCube-Besitzer sollten hier zugreifen, auch wenn wir ob der fehlenden weiteren Softwareunterstützung für Nintendos Spielewürfel eher zum Kauf der neuen Konsole raten würden. Die Unterschiede zwischen GCN- und Wii-Version belaufen sich auf die fehlende Bewegungssteuerung und 16:9-Unterstützung des GameCube-Spiels. Außerdem wurde Hyrule für den Wii horizontal gespiegelt, da die Masse der Spieler Rechtshänder sind, Link sein Schwert traditionell aber in der linken Hand trägt.

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