Kommentar: Die Probleme zwischen Spielern und Entwicklern

Sasan Abdi
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Sasan Abdi

Macher vs. Spieler

In den vergangenen Jahren und insbesondere seit dem Sommer dieses Jahres hat eine für Außenstehende seltsam anmutende Entfremdung zwischen der Spielergemeinde und den Publishern bzw. Spieleschmieden (zusammengefasst als „Macher“) eingesetzt. Dies gilt im Besonderen für den PC-Spiele-Bereich, trifft in Teilen aber auch auf die sogenannten „Konsoleros“ zu, zumal es sich bei diesen Segmenten nicht um homogene Massen handelt, sondern Überschneidungen die Regel darstellen.

Doch woran lässt sich dieser Vorgang festmachen? Auf Seiten der Macher gibt es einige Anzeichen: Während der Stellenwert der Spiele-Plattform „PC“ grundsätzlich und in regelmäßigen Abständen mit Blick auf die „Raubkopiererei“ in Frage gestellt wird, sorgen einzelne Personen der Branche mit stets viel beachteten Aussagen (die beispielsweise zum Inhalt haben, dass fortan nicht mehr exklusiv für den PC entwickelt werden sollte) für eine weitere Vertiefung der Gräben. Auf der anderen Seite steht eine – auch wegen derartiger Aussagen – gereizte Käuferschaft, die, wie sogleich näher ausgeführt werden soll, primär mit einem Ehrlichkeitsproblem zu kämpfen hat, dabei aber mit Fug und Recht einige Probleme auf Herstellerseiten benennt und entsprechende Verbesserung einfordert.

Die Entfremdung kann bei dieser Streitpartei an einer steten Kritik an den meisten Veröffentlichungen sowie an einer in Teilen hysterischen Reaktion auf die Einführung des ohne Zweifel fragwürdigen Kopierschutzes SecuROM festgemacht werden. Da verwundert es nicht, dass manch ein Beteiligter schon bei der schieren Nennung von Begriffen wie „SecuROM“ oder „Electronic Arts“ Rot sieht und häufiger Gefahr läuft, von einer sachlichen Diskussion zu verkappten Hasstiraden abzufallen.

Hier findet sich also auf beiden Seiten ein seltsam synchrones, unsäglicherweise stark emotionalisiertes Verhalten, das eine sachliche Herangehensweise an die Problematik von vornherein untergräbt. Während sich die Macher in einer Mischung aus Schmoll und Wut auf andere Plattformen konzentrieren wollen (ungeachtet der Tatsache, dass das Thema auch auf Konsolen eine zunehmend große Rolle spielt), droht die Spielergemeinde ihrerseits mit einer Revolte, wobei diese zwar organisatorisch schwer, aber prinzipiell (man denke an den „Spore-Boykott“) durchaus umsetzbar ist.

Führt man sich nun das eigentlich typische Bild in der Beziehung Anbieter-Konsument vor Augen, so wurde soeben eine völlig absurde Konstellation identifiziert. Nach klassischem Verständnis sollte man bei näherer Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Machern und Spielern im Idealfall eine Symbiose erkennen können, denn erstere wollen doch schließlich das liefern, wofür letztere gerne um die 50 Euro ausgeben. Bei der Suche nach den Ursachen für die beschriebene Entfremdung ist diese Feststellung sehr viel wert, eröffnet sie doch den theoretischen Pfad hin zum ersten Ursachenbündel.

Und dieses ist ohne Zweifel bei den Machern zu finden. Der größte in dieser Hinsicht relevante Aspekt hat mit dem schillernden Begriff „Innovation“ zu tun. Um hier zu einem fundierten Urteil zu gelangen, muss in der Zeit nicht weit zurückgegangen werden. Ein Blick auf die diesjährigen großen Veröffentlichungen zeigt bereits, dass in puncto „Innovation“ ein klares Defizit vorherrscht. Sicher, einige Titel bieten in feinen Nuancen Neues; doch das Gros des Angebots kommt im besten Fall mit einer neuen Grafik und der Fortsetzung der Story daher. Verschärft wird dieser Umstand durch eine – vor allem auf dem PC – in Teilen unverschämte technische Umsetzung. Die bloße Existenz von so genannten „Day-One-Patches“ zeugt von einer Veröffentlichungsmentalität, die jedweden Respekt gegenüber der Käuferschaft vermissen lässt. Auch der Fakt, dass manch ein Titel bestenfalls ein, zwei Monate nach Release und erst aufgrund mehrerer Updates lauffähig gemacht wird, ist in der Rubrik „bodenlose Frechheit“ zu verbuchen.

Man darf sich also pauschal fragen, ob acht bis zehn Stunden währende Aufgüsse von bereits Bekanntem, das obendrein in einigen Fällen auch noch ein technisches Desaster darstellt, tatsächlich zwischen 30 und 60 Euro wert ist.

Unglücklicherweise lässt sich diese Frage legal immer häufiger nur noch auf zwei Arten beantworten: Entweder der Spieler kauft auf gut Glück, oder er bemüht die hoffentlich in der Nähe befindliche und gut bestückte Videothek. Der Kauf auf gut Glück ist ohne Zweifel dafür verantwortlich, dass sich manch ein Käufer hinterher in diversen Foren ob der Qualität des Produkts in Rage schreibt. Schuld daran ist neben der mangelnden Qualität des Produkts eine fragwürdige Demo-Politik, die zum Inhalt hat, immer seltener vorab einen entsprechenden Download zu veröffentlichen. Dies mag verschiedene Gründe haben, doch darf sich niemand wundern, dass ein solches Vorgehen in einschlägigen Kreisen gerne damit erklärt wird, dass man die Käufer ja bloß nicht über den anstehenden Fehlkauf informieren wolle.

Ein Großteil der Misere ist also mit dem Verhalten der Macher zu erklären. Doch wie bei den meisten Beziehungsproblemen kann auch im Verhältnis Spieler-Macher keine einseitige Schuldigkeit festgestellt werden. Denn auch in der Spielergemeinde sind Ursachen für die derzeitige Situation zu finden. So sind die Vorwürfe, die von Seiten der Macher wegen des illegalen Herunterladens von Spielen erhoben werden, nicht an den Haaren herbeigezogen. Der gesunde Menschenverstand, die weite Verbreitung von P2P-Applikationen sowie Top-Ten-Listen zu illegalen Spiele-Downloads belegen eindeutig, dass das Problem nicht herbeigeredet, sondern de facto vorhanden ist.

Mit Blick auf diesen Umstand kann einem Teil der Spielergemeinde vorgeworfen werden, in einer unehrlichen Art, vor allem gegenüber sich selbst, zu argumentieren. Die Frage nach den Gründen für die enormen Zahlen der illegalen Downloads, die häufig selbst die Verkaufszahlen übersteigen, wird in der Regel mit einer unausgewogenen Gewichtung der ohne Zweifel zunächst richtigen Argumente beantwortet. Auch wenn ein (trotzdem illegales) Vorab-Testen sowie ein Abwenden der Installation des Kopierschutzes einen Teil der Wahrheit ausmachen, wird dabei stets übergangen, dass die illegale Art der „Beschaffung“ vor allem schlichtweg opportun ist. In einer von den bedrohlichen Schatten der Rezession befeuerten „Geiz-ist-geil“-Gesellschaft kann es nur frevelhaft erscheinen, bei der Erklärung eines solchen Phänomens den naheliegendsten Grund außen vor zu lassen. Und dieser lautet: Wenn ein Produkt ohne nennenswerte Probleme umsonst zu haben ist, warum dann den Marktpreis bezahlen?

Neben der Qualität, der Innovation und den Schutzmechanismen für das Produkt „Videospiel“ ist dies ein Grund dafür, warum illegale Downloads Konjunktur haben. Die Ehrlichkeit bei der Betrachtung dieser Auflistung besteht nun darin, die Vermutung, wonach die letztgenannte Ursache den überwiegenden Teil ausmacht, nicht abzutun, sondern sie – durchaus von einem schlechten Menschenbild ausgehend – zu akzeptieren.

Der nun folgende Satz könnte auch von einem Eheberater stammen: Das (An)Erkennen der anteiligen Schuld am Zustand kann zur Besserung führen. Doch inwiefern?

Unter den Machern muss in vielerlei Hinsicht eine neue Mentalität Einzug halten. Spiele sollten nicht mehr schnell, sondern tatsächlich „when it's done“ auf den Markt gebracht werden. Eine verlängerte Entwicklungszeit sollte vor allem dazu genutzt werden, technisch einwandfreie und ab und an auch inhaltlich innovative Spiele zu veröffentlichen. Überdies sollte ohne wenn und aber vorab eine Demo veröffentlicht werden, die in einem angemessenen Umfang Einblicke in das Spiel liefert. Ein Kopierschutz stellt nicht per se eine schlechte Lösung dar, sondern ist gerade mit Blick auf das erwähnte, „schlechte Menschenbild“ und auf Basis der hier verwendeten Argumentation nur empfehlenswert. Doch darf die Ausprägung des Schutzes nicht den ehrlichen Käufer belasten (besonders dann nicht, wenn dieser sein Eigentum später weiterverkaufen möchte!). Daraus folgt: Einmalige Online-Aktivierung, ja. Begrenzte Installationen und schwere nachträgliche Löschbarkeit der Schutz-Applikation, nein. Zuletzt sollte auch die Preispolitik überdacht werden, wobei eine differenziertere Abstufung (günstige Preise für bloße Aufgüsse, 50 Euro für sodann „echte“ Top-Titel) sinnvolle Impulse liefern könnte.

Die unter den Spielern zu treffenden Maßnahmen fallen weniger umfangreich aus und sollten automatisch als Resultat auf Veränderungen auf Seiten der Macher folgen. Denn sollte sich dort etwas tun, gäbe es kaum noch schlagfertige Argumente, die ein illegales Beziehen der Titel abseits des Opportunismus' glaubwürdig erklären würden. So könnte sich folgende Entweder-Oder-Konstellation herauskristallisieren: Entweder die Verkaufszahlen steigen und die Downloadzahlen sinken, oder der Status quo bleibt erhalten. Im ersten Fall wäre das Problem gelöst. Der zweite Fall würde bedeuten, dass das Opportune im Menschen – unabhängig von allen anderen Faktoren überwiegt (das Spiele, so lange dies leicht möglich ist, illegal beschafft werden – ganz gleich wie gut und günstig das Produkt ist). Sollte dies tatsächlich der normativ zu betrauernde Ausgang sein, so wäre die Lösung wohl nur noch in einer besonders restriktiven Kopierschutzmethode zu suchen – und damit im Teufelskreis. Denn da dies nur zur Verärgerung der Käufer und nicht zu einer Besserung führt (kein Kopierschutz, der nicht geknackt wurde), wäre zwangsläufig die tatsächliche Folge eine Abwanderung der Macher von den jeweils besonders schwer zu schützenden Plattformen.

Zusammenfassend erscheinen vor allem die letzten zwei Absätze als – vielleicht naive – Zukunftsmusik. Neben der Benennung und Beschreibung der Problematik sollten aber auch konkrete Implikationen zur Lösung geliefert werden. Letztenendes können die hier gemachten Vorschläge als Basis für eine sachliche Diskussion dienen, die hoffentlich bessere Ergebnisse liefert als das Beharren auf dem eigenen, stark auf emotionale Aspekte fußenden Standpunkt von Spielern und Machern.

Hinweis: Der Inhalt dieses Kommentars gibt die persönliche Meinung des Autors wieder. Diese Meinung wird nicht notwendigerweise von der gesamten Redaktion geteilt.

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