Telekom: Keine Seitensperrung ohne Gesetz

Andreas Frischholz
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In der Debatte über die Sperrung von Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten hat die Telekom sich gegen entsprechende Maßnahmen ohne eine gesetzliche Grundlage ausgesprochen, wie aus einem Vermerk des Bundesinnenministeriums hervorgeht, der dem Kölner Stadt-Anzeiger vorliegt.

Die Debatte wurde durch einen Vorstoß von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ausgelöst, nachdem die Sperrung entsprechender Seiten vorerst über Einzelverträge der Internet Service Provider (ISP) mit dem Bundeskriminalamt erfolgt. Laut dem Vermerk soll unter den Internet Service Providern jedoch keine einheitliche Linie herrschen, trotz fünf Tagungen einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung der acht deutschen Internet Service Provider. Da keine „durchgängige […] Bereitschaft zum Blockieren kinderpornografischer Seiten auf vertraglicher Basis“ bestehe, sei das Bundeskriminalamt zu Einzelgesprächen übergegangen, mit positiven Verlauf bei Vodafone und Kabeldeutschland.

Anders sieht es bei der Telekom aus: Diese Gespräche gestalten sich demnach „erheblich schwieriger“, weil der Bonner Konzern „zunächst weit reichende Zugeständnisse der Bundesregierung“ fordert. Darunter fallen etwa Zusicherungen für eine Gesetzesinitiative, die den Unternehmen mehr Rechtssicherheit geben. Die Aussicht auf Zensurvorwürfe, Kündigungen und Klagen durch die Kunden im Angesicht der vagen Rechtslage scheint dem Konzern zu riskant. Zudem könne man sich nicht dazu durchringen, „für den Fall, dass eine kinderpornografische Webseite angewählt wird, dem Nutzer statt der ursprünglich gewünschten Seite eine Stoppseite anzuzeigen“.

Die von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) eingebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken, welche die Ministerin ihrer Kollegin in einem Brief mitteilte, der an die Öffentlichkeit gelangte, haben ebenfalls zu den erschwerten Bedingungen in den Verhandlungen beigetragen. Nach der Ansicht Zypries' bergen die Verträge Risiken, weil sie gegen das im Artikel 10 des Grundgesetzes festgehaltene Fernmeldegeheimnis verstoßen und gegebenenfalls Artikel 5 und 12 (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) verletzen könnten.

Von der Leyen warf den Providern unterdessen Blockade vor und rechtfertigte ihr hartes Vorgehen, da es sich bei Kinderpornographie um einen „der größten Märkte der organisierten Kriminalität“ handele, hinter dem „mächtige Geldinteressen“ stehen. Wolfgang Bosbach, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mahnte indes parteipolitische Auseinandersetzungen in diesem Fall an, da „hinter jedem Bild […] ein missbrauchtes Kind“ stecke.

Die FDP macht sich ebenfalls für ein Gesetz zur Sperrung von entsprechenden Seiten stark, sieht aber einen Vertrag mit den Providern nicht als ausreichend an. Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, hält bei Eingriffen in die Grundrechte – wie etwa dem Fernmeldegeheimnis und der Meinungsfreiheit – gesetzliche Reglungen für notwendig. Ebenso fordert der Branchenverband Eco, dass es keine Sperren ohne Gesetz geben dürfe.

Davon abgesehen fürchten die Internetanbieter, einen Präzedenzfall zu schaffen, wie Michael Frenzel, Sprecher von 1&1, gegenüber dem Spiegel verlautbarte. Man öffne mit dem Anliegen möglicherweise „Pandoras Büchse der Internetzensur“, Wünsche nach Sperrungen neben der Kinderpornographie seien bereits zahlreich eingetroffen. Dazu zählen die Forderung nach Sperrung von illegalen Glücksspielseiten, die Kommission für Jugendmedienschutz setzt sich für die Blockade von „jugenschutzrelevanten“ Seiten ein und die Musikindustrie verlangt besseren Schutz für das Urheberrecht.