Kommentar: Gedanken eines PC-Spielers

Jirko Alex
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Jirko Alex

Kolumne

Aktuell ist es nicht leicht, ein PC-Spieler, Internetjunkie oder ein PC spielender Internetjunkie zu sein. Entweder ist man Killerspieler oder pädophil, zumindest dann, wenn man das „umstrittene Counterstrike“ nicht nur aus dem Fernsehen kennt oder aber hinter einer DNS-Sperre keinen ärztlichen Eingriff in den eigenen Gen-Haushalt vermutet. Berichte darüber, wie sich die Öffentlichkeit erfahrene PC-Nutzer vorstellt, reißen darüber hinaus nicht ab und dienen als immer neuer Zündstoff auf einem eigentlich ausgebombten Schlachtfeld.

Erst kürzlich wieder warf sich nicht nur die Lokalpresse auf eine Sammelaktion des Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden (AAW). Deutschlandweit wurde berichtet. Das Bündnis wollte in Stuttgart sogenannte „Killerspiele“ einsammeln und unter allen Teilnehmern ein Trikot der Deutschen Fußballnationalmannschaft verlosen. Fußball vs. Killerspiele – wenn das mal keine Glaubensfrage ist. Scheinbar hat die Mehrheit derjenigen, die die Aktion hätten wahrnehmen können, aber eher an den „God of War“ geglaubt und diesem die Treue gehalten. Die Aktion war ihrer eigentlichen Intention nach ein Flop – mehr als ein paar Dutzend Spiele kamen nicht zusammen.

Gefloppt ist sie dabei vor allem – wen wundert‘s – bei den PC spielenden Internetjunkies – also uns selbst. Diese ereiferten sich allerdings bereits im Vorfeld ausgiebig über das Vorhaben und verhöhnten es mit den stets gleichen Argumenten. Natürlich würde man die Spiele lieber verkaufen als dort hineinzuwerfen, natürlich war der Container viel zu groß und natürlich hat keiner ernsthaft davon ausgehen können, zehntausende Spielepackungen würden sich in dem Abrissbehälter sammeln. Für ein verwundetes Tier scheint das AAW aber erstaunlich aufgeweckt zu sein. Es bezeichnete das Projekt „Familien gegen Killerspiele“ gar als Erfolg und will es fortführen.

Eigentlich war es das auch, ein Erfolg. Wie viele weggeworfene Spielepackungen können schon von sich behaupten, Thema diverser Nachrichtensendungen, Blog-Einträge und Zeitungsberichte zu sein? Man habe zudem den Kontakt mit der Spielerfraktion herstellen können, wie das Bündnis mitteilte. Und auch das ist durchaus ein Erfolg. Für Nicht-PC-Spieler ist es nämlich nicht leicht, die teilweise durchaus nicht unangebrachten Forderungen an die Spieler zu richten. Selbst eine so zwanglose Aktion wie in Stuttgart wird mit hunderten Protest-E-Mails begleitet, die man nicht alle gelesen haben muss, um sich vorstellen zu können, dass darunter auch eben jene Sorte hasserfüllter Mails ist, deren Urheber man nie sein wollte.

Inszenierte Aufnahmen von der Container-Aktion
Inszenierte Aufnahmen von der Container-Aktion

Wie aber können wir eine Diskussionskultur erwarten, der wir, die PC-Spieler, uns selbst nicht anschließen wollen? Gerade das Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden verfolgt exakt ein Dutzend Ziele, von denen das „Verbot von Killerspielen“ nur eines ist. Es mag umstritten sein und gute Gründe geben, dieser populistischen Forderung nicht nachzukommen. Ist es jedoch gerecht, sich nur darauf zu stürzen? Mit Hohn und Spott erhält man kein Verständnis.

Natürlich geht es auch anders. Denn nicht grundlos erreichte die Piratenpartei einen Achtungserfolg bei der letzten Bundestagswahl. Hunderttausende Stimmen sind Zeuge einer sich emanzipierenden PC-Anhängerschaft, die nun auch ins öffentliche Bewusstsein vordringen will und dabei innerhalb der Regeln und Konventionen der Gesellschaft handelt. Nicht ohne Grund ändert sich auch das Medienecho auf PC-nahe Neuigkeiten, auch im kritischen Bereich der Killerspiele. Selbst das ZDF, ehemals Urheber umstrittener Killerspiel-Beiträge, berichtete über die AAW-Veranstaltung sehr differenziert und – man möchte meinen – objektiv. Das ist allerdings den Wenigsten aufgefallen.

Statt sich selbst ein Bild zu machen, überlassen wir es anderen, es uns satirisch aufgemöbelt vorzubeten. Das ist keine Form der Meinungsvertretung. Das ist Herdendenken. Dabei wären es diese kleinen Ansatzpunkte, die man nutzen sollte. Wenn schon das ZDF entgegenkommend berichtet, wenn schon ein eigentlich spielerkritisch eingestelltes Aktionsbündnis gesprächsbereit ist, dann ist ein Großteil des Weges doch schon geschafft. Die letzten Meter sind allerdings die wichtigsten. Diese überbrückt man nicht nur mit Protest, sondern mit Inhalten. Was zuvor ausreichend war, ist nunmehr ein Klotz am Bein. Man kann mit Opportunismus keine Brücken bauen, dafür braucht es nämlich zwei Seiten, die sich in der Mitte treffen. Solange man sich aber an der Überlegenheit eigener Internetvideos, hetzerischer Kommentare und anonymer E-Mails erfreut, solange herrscht keine Diskussionskultur auf breiter Front. Dabei braucht es auch die, um PC-Spiele erst als von jedermann akzeptierten Bestandteil der Gesellschaft und irgendwann vielleicht auch als Kulturgut zu etablieren.

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