Shaun White Skateboarding im Test: Ubisofts Tony Hawk für die Wii

Sasan Abdi
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Shaun White Skateboarding im Test: Ubisofts Tony Hawk für die Wii

Vorwort

Bei Publisher Ubisoft hatte man schon immer ein nennenswertes Faible für plattformübergreifende, durchaus auch mal ungewöhnliche Sportspiele. Ähnlich wie die Konkurrenz setzt man dabei gerne auf für den jeweiligen Bereich relevante Ikonen, um das Marken-Image aufzupolieren. Das gut zwei Jahre alte „Shaun White Snowboarding“, für das der Profi-Snowboarder und Skater Shaun White verpflichtet wurde, stellt in diesem Kontext ein gutes Beispiel dar.

Nach dem recht ordentlich umgesetzten Wintersport-Spaß gießen die Entwickler von Ubisoft Montreal das Ganze nun in das nicht unbeliebte aber doch schwierige Skate-Genre, wobei vor allem einige innovative Elemente dafür sorgen sollen, dass sich der Titel von der starken Konkurrenz – und allen voran vom Genre-König „Tony Hawk“ – abgrenzen kann. Im Folgenden soll geklärt werden, inwieweit „Shaun White Skateboarding“ (SWS) vor diesem Hintergrund überzeugen kann.

SWS auf einen Blick

Dass es die Entwickler von „Shaun White Skateboarding“ mit ihrem Mut zur Innovation durchaus ernst meinen, zeigt sich bereits bei der Betrachtung der Hintergrundgeschichte. Zwar gilt auch in diesem Fall, dass die Story bei einem solchen Spiel nur Nebensache ist und dementsprechend meistens das Prädikat „mäßig“ verdient, doch kann man den Verantwortlichen immerhin zugute halten, dass sie sich trotz des nebensächlichen Charakters ihre Gedanken gemacht haben.

So startet man im Storymodus in stets grauen Levels, die zwar furiose Möglichkeiten für allerlei Skate-Tricks bieten, dabei aber auch von einiger Tristesse gezeichnet sind. Dies ist im Falle der hier getesteten Wii-Version nicht nur den beschränkten grafischen Möglichkeiten der Konsole geschuldet, sondern resultiert auch aus storytechnischen Gründen: Ein Bürgermeister, dessen Maßnahmen George Orwells „1984“ entnommen sein könnten, hat es geschafft, eine ganze Stadt in den dauerhaften Zustand von Traurigkeit und Perspektivlosigkeit zu versetzen, um sozusagen als Krönung auch noch den Rebellen Shaun White in Gefangenschaft zu nehmen.

Umso besser also, dass jetzt ein paar Skater die Szenerie betreten, um mit allerlei Tricks und Moves dafür zu sorgen, dass die Lebensfreude wieder Einzug hält, was letztlich bei Erfolg auch dazu führt, dass der Namensgeber des Spiels aus den Klauen des Bösen befreit werden kann.

Unterschiedliche Abschnitte aus „Shaun White Skateboarding“

In der Praxis bedeutet dies, dass alle Level durch extensives Durchskaten von grauen Abschnitten in bunte Lebenswelten verwandelt werden müssen. Neben der freien Fahrt durch die Abschnitte kann man dabei auch immer wieder auf markierte Challenges zurückgreifen, die anfänglich unter Zeitdruck beispielsweise eine bestimmte Trickabfolge, das Erreichen einer bestimmten Punktzahl oder das elegante Abskaten eines per Leitlinie definierten Parcours erfordern. Während man hier deutlich den Tutorial-Charakter erkennen kann, ist im weiteren Verlauf immer häufiger Geschicklichkeit gefragt, um verschiedenste Propaganda- und Unterdrückungsinstrumente des fiesen Bürgermeisters aus dem Weg zu räumen oder frustrierte Bürger von der Möglichkeit zur Veränderung zu überzeugen. Die Varianz in den Aufgaben hält sich dabei leider in engen Grenzen; die Inhalte der Challenges sind eben nur Mittel zum Zweck, der da lautet: Skate und zeige dabei coole Tricks!

Ist ein Abschnitt auf diesem Wege erst einmal vollständig befreit, erhält man die Unterstützung eines neuen Charakters, sodass im Verlauf der Zeit aus den resignierten Menschen der fiktiven SWS-Stadt eine revolutionäre Koalition gebildet wird. Auch wenn man seinen Skater/innen von Zeit zu Zeit nach getaner Arbeit vorgefertigte neue Outfits sowie Boards verpassen kann, bleibt Ubisofts Skatespiel, was die Modifikationsmöglichkeiten anbetrifft, deutlich hinter dem zurück, was man im Genre bereits gesehen hat. Hinzu kommt, dass noch nicht einmal die neuen Boards eine merkliche Auswirkung auf das Skateverhalten haben. Auch wenn SWS eindeutig auf die sogenannten „Casual“-Spieler und nicht auf Skate-Geeks abzielt, hätte hier ein wenig Komplexität gutgetan.

SWS: Per „Shaping“ einen Grind verlängern
SWS: Per „Shaping“ einen Grind verlängern

Echten Tiefgang darf man also sowohl story- als auch modifikationstechnisch nicht erwarten, doch macht die Skaterei alles in allem durchaus Spaß. Dies ist nicht zuletzt der Spielmechanik geschuldet, die an manchen Stellen neue Wege gegenüber den großen Konkurrenten „Tony Hawk“ und „Skate“ erkennen lässt: Über die gängigen Tricks hinaus kann der Spieler mittels eines Features namens „Shaping“ seine Umwelt verändern. Dies äußert sich derart, dass sich ein Parcours beispielsweise auf einer langen Grind-Strecke durch die Berührung eines bestimmten Abschnittes kurzfristig verändern lässt, sodass beispielsweise bisher unerreichbare Plattformen mit einiger Übung erreichbar werden – eine nicht bahnbrechende, aber doch für deutlich mehr Dynamik sorgende Funktion, die auch durch eine explosive Visualisierung farbenfroh in Szene gesetzt wird. In dieser Hinsicht außerdem erwähnenswert ist die „Flow-Anzeige“, die sich durch die Abfolge von waghalsigen, ohne Stürze durchgeführten Tricks langsam füllt und über die kurzzeitig neue Areale mit Rampen, Pipes und Geländern aktiviert werden können.

Wem der Storymodus auf Dauer zu einfältig wird, der kann sich mit Freunden auch am soliden aber nicht bahnbrechenden Mehrspieler-Modus versuchen, bei dem bis zu vier menschliche Spieler via Split-Screen gegeneinander antreten können. Dazu stehen insgesamt fünf Modi zur Verfügung: Bei „Luftübungen“ versucht man, möglichst grandiose Air-Tricks zu zeigen; in „Eroberung“ gilt es, in Teams durch Tricks möglichst viele Satellitenschüsseln einzunehmen; bei „Tricking“ kommt es darauf an, das Flow-Barometer höher zu treiben, als es der oder die Mitspieler/innen tun; für „Tagging“ müssen möglichst viele Objekte durch Tricks markiert werden; bei „Überleben“ gilt es, unter Zeitdruck möglichst viele Punkte zu sammeln – ein Angebot, dass zumindest auf Partys nebenbei für einige amüsante Momente sorgen kann.

Die grafische Umsetzung hält sich, abgesehen von den erwähnten Shape-Effekten, erwartungsgemäß im engen Wii-Rahmen. Feine Texturen und Umgebungen darf man deswegen nicht erwarten und auch das Leveldesign als solches hätte an manchen Stellen ein wenig mehr Detailarbeit vertragen. Dafür überzeugt der Sound mit passenden, rocklastigen Tracks und authentischen, manchmal übertriebenen deutschen Synchronstimmen.

Interessant ist „Shaun White Skateboarding“ auf dem Papier auch deswegen, weil das Wii-Balance-Board unterstützt wird. Die Umsetzung erfüllt in dieser Hinsicht allerdings nicht alle unsere Erwartungen, da man mit dem Board primär Tricks einleitet, auf Bewegungsaspekte wie die Richtung oder Geschwindigkeit aber keinen Einfluss hat. Diese Aspekte werden dagegen nicht gerade präzise durch den Nunchuck abgedeckt; zudem muss man auch die Wii-Remote anlegen, da mit deren Tasten in Kombination mit der passenden Gewichtsverlagerung Tricks zustande kommen. Ein Nebeneffekt des Spiels mit dem Balance Board ist, dass man bei längeren Partien aufgrund der dauerhaften seitlichen Stellung des Körpers beim zum TV-Gerät gedrehten Kopf schnell mit einem steifen Nacken zu kämpfen hat – ein zwar naheliegendes Problem, das aber belegt, dass die Steuerung nicht sonderlich ergonomisch ist. Im Zweifel kann man aber jederzeit auf die, allerdings weniger spaßige, Steuerung über Wii-Remote und Nunchuk zurückgreifen.