Zukunft von ACTA bleibt offen

Andreas Frischholz
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Das ACTA-Abkommen verschwand in den letzten Tagen allmählich aus dem Fokus der Öffentlichkeit, nachdem zahlreiche Demonstrationen in ganz Europa dazu führten, dass mehrere Mitgliedsstaaten den Ratifizierungsprozess vorübergehend gestoppt haben. Endgültig vom Tisch ist das Abkommen allerdings noch nicht.

Ursprünglich sollte das Abkommen im Mai oder Juni 2012 vom Europäischen Parlament abgesegnet werden. Allerdings ist dieser Plan mittlerweile hinfällig, nachdem die EU-Kommission beschlossen hat, das Abkommen vom Europäischen Gerichtshof überprüfen zu lassen – mit dem Urteil wird erst 2013 oder 2014 gerechnet. Derzeit finden Diskussionen in den Ausschüssen des Parlaments statt, wobei sich an der Ausgangslage in den letzten Tagen nicht allzu viel geändert hat. Weiterhin herrscht Unklarheit, ob und wie ACTA sich auf das Rechtssystem der EU auswirkt. Rechtsgutachter vom Rat der EU sowie dem Europäischen Parlament halten Änderungen indes für wahrscheinlich, während ACTA-Befürworter wie EU-Kommissar Karel de Gucht verlautbaren, das Abkommen habe keinen Einfluss auf das EU-Rechtssystem. De Gucht fiel allerdings erneut mit einem offenherzigen Bonmot über sein Verständnis von Politik auf: „Unsere Verantwortung als Politiker ist, Tatsachen zu schaffen und nicht der Masse folgen.

Nichtsdestotrotz hat diese Masse bereits dafür gesorgt, dass die EU-Kommission damit rechnen muss, keine Mehrheit für ACTA im Europäischen Parlament zu erhalten. Sollte das Abkommen scheitern, könnte es auch eng für die Überarbeitung der IPRED-Richtlinie werden, die ebenfalls die „Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte“ forcieren soll. Kritiker befürchten bei einer Novellierung der Richtlinie die Einführung von Inhalten, die im vergangenen Jahr bei ACTA für massiven Protest sorgten und noch aus dem Abkommen entfernt wurden.

Das Bürgerrechtler-Netzwerk European Digital Rights (EDRi) hat derweil über Pläne berichtet, wie die Verhandlungen um ACTA und IPRED in den kommenden Monaten und Jahren verlaufen könnten. Von März bis September 2012 tagen die Ausschüsse des Parlaments, worauf im September 2012 ein parlamentarischer Zwischenbeschluss folgt, der mit Fragen zur Umsetzung an die Europäische Kommission weitergegeben wird. Das Parlament muss ACTA wohl nicht zwangsweise bestätigen oder ablehnen, sondern kann eine Zustimmung auch an Bedingungen knüpfen.

Diese müssen von der EU-Kommission zugesichert werden, auch wenn diese keine Garantie geben kann, da sie nicht allein für die Umsetzung zuständig ist. Infolge der zugesicherten Bedingungen könnte die EU-Kommission zum Jahresende hin einen Gesetzesvorschlag zur Überprüfung des IPRED-Abkommens beim Europäischen Parlament einreichen, der dann innerhalb der Phase bis zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Debatte stünde. Für ACTA selbst ist dann schlussendlich das Urteil des Gerichts entscheidend.

Ob die Verhandlungen in etwa so ablaufen, hängt allerdings in erster Linie von der Entwicklung der Proteste und potentiellen Überarbeitungen der Initiativen in den kommenden Monaten ab – je nach dem ob sich die Rechteverwerter auf die Bürgerrechtsinitiativen zubewegen oder weiterhin darauf beharren, ihre Positionen mit allen Mitteln durchzusetzen. Mit Hintergründen und Analysen zu ACTA haben wir uns bereits in einem umfangreichen Bericht auseinandergesetzt.