Industrie wehrt sich gegen Leistungsschutzrecht

Andreas Frischholz
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Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) kritisiert den Gesetzesentwurf für das Leistungsschutzrecht der Presseverlage, das in der vergangenen Woche publik wurde. In einem Brief an Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert der BDI, auf das Leistungsschutzrecht zu verzichten.

In dem Brief, der Spiegel Online vorliegt, kritisiert BDI-Hauptgeschäftsführer Dieter Schweer den Entwurf für „zahlreiche problematische Regelungen und Unschärfen“, essentielle Fragen werden dabei nicht beantwortet. So sollen dem Entwurf nach „gewerblich handelnde Personen“ zahlen, wenn sie Artikel verwenden. Allerdings wird nicht präzise erklärt, was genau unter einer gewerblich handelnden Person verstanden wird, ebenso wenig wie das „Verwenden“. Deswegen warnt der BDI vor einer „unkalkulierbaren Lizenzierungspflicht“, da beispielsweise der Tweet eines Firmensprechers mit einem Verweis auf einen Artikel über das Unternehmen lizenzpflichtig sein könnte.

Damit teilt der Verband die Befürchtung vieler Kritiker, die bereits eine Lizenzpflicht für einzelne Zitate erwarten und nicht nur bei einem systematischen Zugriff auf verlegerische Inhalte. Problematisch ist hierbei die Passage, in der die Nutzung verlegerischer Inhalte im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit unter ein „umfassendes Verbotsrecht“ gestellt wird. Der BDI kann dabei nicht nachvollziehen, dass sich „die Entwurfsbegründung zwar ausführlich mit den verschiedenen Formen von Blogs, aber mit keinem einzigen Satz mit den Auswirkungen auf die Wirtschaft befasst“.

Wut innerhalb der Netzgemeinde

Kritisch äußert sich der BDI nicht nur in dem Schreiben an die Bundesregierung, sondern auch in einem Beitrag auf dem Debattenportal The European. Dort bezeichnet BDI-Mitarbeiter Michael Littger das Leistungsschutzrecht als „Medizin aus dem Giftschrank“, das den Vormarsch von digitalen Bezahlmodellen konterkariere. Stattdessen subventioniere das Leistungsschutzrecht frei zugängliche Inhalte.

Dabei ist es erstaunlich, dass die Argumentation des Wirtschaftsverbandes in den Grundsätzen mit zahlreichen Beiträgen aus der Blog-Gemeinde übereinstimmt. Als Reaktion auf den Entwurf sind viele Blogger sogar dazu übergegangen, nicht mehr auf Verlagsseiten zu verlinken, bis der Entwurf vom Tisch ist.

Die Verleger versuchen indes zu beschwichtigen, allerdings mit wenig Erfolg. Nach Ansicht von Axel-Springer-Chefsprecher Christoph Keese wären die Folgen vom Leistungsschutzrecht überschaubar, doch selbst er räumt in seinem Privat-Blog mittlerweile ein, dass der Gesetzesentwurf strittige Passagen enthalte. Blogger müssten aber keine Angst vor neuen Abmahnwellen haben, die Verlage wollen verantwortungsvoll mit dem neuen Schutzrecht umgehen.

Der Medienblogger Stefan Niggemeier zeigt sich wenig begeistert von Keeses Ausführungen, stattdessen sieht er darin eine Bestätigung für die Befürchtungen der Netzgemeinde. Insbesondere weil er keinen Anlass sieht, den Verlagen „Maß, guten Willen und Verlässlichkeit zuzutrauen“, das hätten diese bereits in der Vergangenheit nicht gezeigt – beispielhaft dargestellt bei der Frage nach der Vergütung von Autoren und freien Journalisten.

Der Bundesverband der Zeitungsverleger (BDVZ) versucht mittels eines Frage-Antwort-Katalogs die Lage zu beruhigen, jedoch sind die Ansichten umstritten. Der IT-Fachanwalt Thomas Stadler beantwortet ebenfalls die vom BDVZ aufgeworfenen Fragen in seinem Blog Internet Law, kommt allerdings zu gänzlich anderen Antworten als der Verlegerverband.