EU soll „digitalen Waffenhandel“ strenger kontrollieren

Andreas Frischholz
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Die Europäische Union soll den Handel mit digitaler Überwachungstechnologie strenger kontrollieren, fordern Reporter ohne Grenzen und Human Rights Watch in einer gemeinsamen Erklärung. Eine der größten Bedrohungen für die Meinungsfreiheit und Menschenrechtsarbeit im Internet sei der unregulierte Handel mit Spähsoftware.

Es sei paradox, sagt Matthias Spielkamp, Vorstandsmitglied von Reporter ohne Grenzen. Einerseits betonen europäische Regierungen, wie wichtig es ist, dass die Informations- und Nachrichtensperren autoritärer Staaten durchbrochen werden, andererseits beliefern europäische Unternehmen die jeweiligen Machthaber mit Überwachungstechnologie, um Informationskanäle zu sperren. Daher fordert Spielkamp mehr Transparenz und präzise Gesetze, um den Handel von digitaler Überwachungstechnologie effektiv zu kontrollieren.

Die Überwachungsprogramme gelangen über verschiedene Wege auf die Systeme der Opfer, beispielsweise durch infizierte Dateianhänge, vermeintliche Software-Updates oder sie werden per Hand installiert, etwa bei Kontrollen an Flughäfen. Einmal installiert, können Regierungen oder Geheimdienste durch solche Programme auf Festplatten zugreifen, an Passwörter gelangen und sogar den Inhalt verschlüsselter E-Mails und Chat-Protokolle einsehen. Außerdem können nachträglich Dateien auf infizierten Rechnern platziert werden.

In den Fokus der Öffentlichkeit rückt das Thema infolge des arabischen Frühlings. So wurde nach und nach publik, dass vor allem in Ägypten, Bahrain und Libyen Überwachungstechnologie von europäischen Unternehmen eingesetzt wurde, um Proteste und Demonstrationen zu unterdrücken. Zu den Anbietern zählen auch diverse deutsche Unternehmen, wie etwa aus den von Wikileaks veröffentlichten Dokumenten hervorgeht, die sich mit der Überwachungsindustrie auseinandersetzen.

Cynthia Wong von der Abteilung Internet und Menschenrechte bei Human Rights Watch nennt es unverantwortlich bis fahrlässig, wenn europäische Unternehmen leistungsstarke Überwachungstechnologie an autoritäre Staaten liefern. Europäische Regierungen dürften „diese Entscheidungen nicht einfach dem privaten Sektor überlassen“, sondern müssten selber handeln. Zumindest im Europäischen Parlament ist das Thema bereits angekommen. Erst gestern wurde eine neue Strategie über die digitale Freiheit verabschiedet, in der Unternehmen dazu aufgefordert werden, etwa die Handlungsfreiheit und die Sicherheit von Menschenrechtsverteidigern sowie die Meinungsfreiheit zu gewährleisten.