Gesetz gegen Massenabmahnungen vor dem Aus

Andreas Frischholz
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Lange Zeit stritt die Bundesregierung um ein Gesetz, das Massenabmahnern einen Riegel vorschieben sollte, bis CDU/CSU und FDP Anfang des Jahres eine Kompromisslösung verabschiedeten. Diese ist aber offenbar hinfällig, nachdem der Kulturstaatsminister und Verbände aus der Kulturwirtschaft den Entwurf heftig kritisiert hatten.

Die FDP lehnt die von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) nachträglich geforderten Änderungswünsche an dem Gesetzentwurf ab. Diese würden die geplante Deckelung für Abmahnungen deutlich aufweichen, zudem hätten zu unrecht Abgemahnte eine wesentlich geringere Chance, von dem Abmahner einen Ersatz für ihre Anwaltskosten zu erhalten. Deswegen steht nun das komplette Gesetz vor dem Aus, heißt es aus FDP-Kreisen, der „Spielraum für Verhandlungen ist gleich Null“. Der nach langwierigen Verhandlungen beschlossene Entwurf stellte für die FDP bereits einen Kompromiss dar, eigentlich wollte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger eine generelle Begrenzung der Gebühren bei Abmahnungen durchsetzen.

Der Kompromiss, auf den sich CDU/CSU und FDP Ende Januar verständigten, sah eine Deckelung von Abmahngebühren auf rund 150 Euro vor, indem der Streitwert bei Urheberrechtsverletzungen auf 1.000 Euro beschränkt wird, sofern der Abgemahnte die illegal erworbenen Werke „nicht für (eine) gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit“ genutzt hat und das erste Mal von einem bestimmten Rechteinhaber abgemahnt wurde. Wasserdicht war der Entwurf nicht, je nach „den besonderen Umständen des Einzelfalls“ und „der Schwere der Rechtsverletzung“ kann die Streitgrenze auch aufgehoben werden.

Neumann will das geplante Gesetz nun zugunsten von Abmahnern lockern, indem die Deckelung des Streitwerts für jeden hinfällig ist, der bereits einmal abgemahnt wurde. Wie diese Idee umgesetzt werden soll, erklärte er nicht näher, praktisch ist das aber nur zu realisieren, wenn alle Urheberrechtsverletzer in einer zentralen Datenbank gespeichert werden. Eine Datenbank, an der die Verbände der Kreativ- und Kulturwirtschaft, die Neumann mit großem Applaus unterstützen, ein großes Interesse haben.

Diese wäre nötig, um das von den Verbänden geforderte Warnhinweismodell umzusetzen, bei dem Nutzer den Anschluss gesperrt bekommen, wenn sie zum zweiten oder dritten Mal bei Urheberrechtsverstößen ertappt werden – bei den ersten Verstößen erhalten sie aber noch kostenfreie Warnhinweise. Eine zentrale Speicherung aller Urheberrechtsverletzer wäre somit ein erster Schritt auf dem Weg zu solch einem Modell, das bislang vom Bundesjustizministerium sowie von Datenschützern und Bürgerrechtlern rigoros abgelehnt wird.

Insofern ist es wenig überraschend, dass sieben Verbänden aus der Kreativ- und Kulturwirtschaft – darunter der Bundesverband der Musikindustrie, der BIU und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – in einer gemeinsamen Erklärung die Forderung nach dem Warnhinweismodell wiederholten, vorgeschlagen als Alternative zum derzeitigen Massenabmahnwesen. „Die Schaffung von solchen zusätzlichen Instrumenten, insbesondere unter Beteiligung von Vermittlern wie Internet Service Providern, sind nach unserer Auffassung dringend notwendig“, so Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Unterstützt wird der Vorstoß von Neumann auf breiter Linie, es „war wichtig, dass der Staatsminister hier die Notbremse“ zieht, erklärt Dieter Gorny, Präsident des Bundesverbands Musikindustrie. Mit der pauschalen Deckelung der Abmahngebühren werde die zivilrechtliche Verfolgung vieler Urheberrechtsverletzungen erheblich erschwert, weil die Verfahren nicht mehr kostendeckend geführt werden könnten, heißt es in der Erklärung weiter. Der Entwurf führe zu einer „weiteren Bagatellisierung von Rechtsverletzungen im Internet“ und sei deshalb „sowohl an die Kultur- und Kreativwirtschaft als auch an die Verbraucher ein inakzeptables Signal“, sagt Manuela Stehr, Präsidentin der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft. Der Wert kreativer Leistung werde völlig in Frage gestellt, zudem sei der Entwurf „undifferenziert und sachfremd“, weil der wirtschaftliche Wert der verletzten Rechtsgüter nicht unterschieden werde – etwa der eines Musikstücks von dem eines Kinofilms.