Papo & Yo im Test: Ungewöhnliche Knobelei mit Tiefgang

Sasan Abdi
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Papo & Yo im Test: Ungewöhnliche Knobelei mit Tiefgang

Vorwort

Spoiler-Warnung: Da ein Spieletest nicht immer gänzlich ohne die Wiedergabe einzelner, wichtiger Handlungselemente der Geschichte möglich ist, bitten wir all jene, die vorab nichts über die Handlung des Spiels erfahren möchten, nur das Fazit zu lesen. Wir bemühen uns jedoch stets, die Wiedergabe auf absolut notwendige Erzählelemente zu beschränken.

Spiele sollen neuerdings immer häufiger Filmen gleichen: Episch, dicht erzählt, mit Höhepunkten, Wendepunkten und einem spannenden Finale. Dazu passt, dass dabei ganz unterschiedliche Paradigmen zum Einsatz kommen. Meistens liefern die Entwickler 0815-Kost à la „Call of Duty“, manchmal kleine erzählerische Perlen wie ein „BioShock Infinite“ – und manchmal auch etwas, das man in diesem Segment so überhaupt nicht erwarten würde.

Bei letzteren Titeln ist es kein Zufall, dass diese zumeist zwei Merkmale erfüllen: Sie sind, erstens, eher ungewöhnlichen Genres wie dem Adventure- oder Rätselbereich zuzuordnen und stammen, zweitens, häufig aus der Feder von kleinen, gerne auch spielerfinanzierten und unabhängigen Entwicklerstuben.

Das bereits auf der PlayStation 3 erschienene „Papo & Yo“ gehört potentiell in genau diese Kategorie. Umso gespannter waren wir auf die PC-Version, die pünktlich zum heutigen Verkaufsstart im Folgenden näher beleuchtet werden soll.

Systemanforderungen

Testsystem und Empfehlung „Papo & Yo“
Komponente Testsystem Herstellerempfehlung
Betriebssystem Windows 8 (64 Bit) Windows XP, Vista, 7
Prozessor Phenom II X6 1075T Dual-Core, 2,2 GHz
Arbeitsspeicher 8 GByte 1 GByte
Grafik Radeon HD 7870 512 MByte
Festplattenspeicher ca. 4 Gigabyte
Internetanbindung Für Steam-Aktivierung

Papo & Yo auf einen Blick

Dass bei „Papo & Yo“ („Papa & Ich“) alles ein wenig anders ist, wird schon beim Blick auf die Widmung deutlich: „Für meine Mutter, Brüder und Schwestern, mit denen ich das Monster in meinem Vater überlebt habe“, lässt Entwickler Vander Caballero den Spieler gleich zu Beginn wissen. Dieser persönliche Einblick in die eigene Familiengeschichte ist in einer tendenziell oberflächlichen Branche schon für sich genommen bemerkenswert, gewinnt aber an Intensität, wenn man sich vor Augen führt, dass Caballero eigentlich aus dem Entwickler-Mainstream kommt und unter anderem für Electronic Arts kreativ tätig war.

Papo & Yo im Test
Papo & Yo im Test

Aus diesem Grund nimmt man es dem sympathischen Kolumbianer sofort ab, wenn er erklärt, dass die Erschaffung von „Papo & Yo“ für ihn etwas sehr Persönliches hatte, wobei er fernab von den Zwängen einer klassischen Blockbuster-Entwicklung autobiografisch seine Kindheitserlebnisse mit einem alkoholkranken Vater verarbeiten konnte.

Dieser Hintergrund wird dem Spieler allerdings nicht plump unter die Nase gerieben. Stattdessen geht sich „Papo & Yo“ zunächst wie ein ungewöhnliches aber nicht sonderlich tiefgründiges kleines Rätselspiel an, das von der frischen Fantasie eines Kindes angetrieben wird. Dieses Kind, ein Junge namens Quico, sitzt zusammengekauert in einer Kammer und scheint sich vor etwas Großem, Unberechenbarem zu fürchten, bis sich in der Wand ein seltsames Portal auftut, das zur Flucht in eine andere, unglaubliche Welt einlädt.

Diese Welt ist überwiegend an die freundlicheren aber dennoch armen Favelas von Südamerika angelehnt, sodass sich hier zumeist schäbige kleine und mittelgroße Gebäude in einer ansonsten malerischen Landschaft gegen Hügel drängen und dabei jede Menge Gassen, Winkel und Unterschlüpfe entstehen lassen.

So weltlich diese Umgebung auf den ersten Blick erscheint, beherbergt sie doch einen entscheidenden Unterschied zur realen Welt. So ist es dem dort angelangten Quico möglich, die Umwelt über unterschiedliche Mechanismen in ihrer Struktur zu verändern, was die clevere Grundlage für jede Menge unterschiedliche Rätsel ist: Man verschiebt kleine Container, zieht aus vorhandenen Häuserwänden neue Treppen, setzt über Zahnräder diverse Mechanismen in Gang und öffnet über zentrale Schalter Türen, Tore und Verschläge, um voranzukommen.

Diese Variabilität bestimmt die Spielmechanik, sodass der junge Protagonist zumeist in ein Areal gelangt, in dem es dann gilt, über die dort vorhandenen Mechanismen und kleine Jump-'n'-Run-Einlagen zum Ausgang zu gelangen. Letzterer ist fast immer von Gegenständen blockiert oder zunächst unerreichbar, sodass man das Gebiet nach Mechanismen absuchen, diese verstehen und dann zu einer Lösung kombinieren muss. Gleich zu Beginn müssen beispielsweise kleine Blöcke derart verschoben werden, dass sie einen Weg zu einem Tor ebnen – was sehr simpel klingt, aufgrund von einigen Kombinations- bzw. Verschiebemöglichkeiten aber erstmal ein wenig Hirnschmalz erfordert.

Geglückt ist dabei, dass der Schwierigkeitsgrad zunächst genau richtig anzieht. Wird man anfänglich über leichte Aufgaben Stück für Stück an die Materie herangeführt, ist es im weiteren Spielverlauf immer wieder notwendig, diese Möglichkeiten und Fähigkeiten geschickt miteinander zu kombinieren, um zum Ziel zu gelangen. Auch wenn so keine Komplexität à la „Portal 2“ erreicht wird, werden Freunde von eher durchschnittlich schweren Rätseln doch ordentlich bedient, während absolute Neulinge immer wieder die angebotenen Mini-Anleitungen in Anspruch nehmen können, um größere Frustrationen zu vermeiden.

Ginge es aber nur um das Spielprinzip, würde „Papo & Yo“ nur über einen Teil seines Charmes verfügen. Hinzu kommt glücklicherweise die Hintergrundgeschichte, die Verarbeitung eines Kindheitstraumas. Diese treibt nicht nur die Metaebene an, weil man wissen möchte, welchen konkreten Hintergrund Caballeros Geschichte hat, sondern findet auch bei der Spielmechanik Niederschlag.

So hat man es im Verlauf des Spiels mit einem Monster zu tun, das die dem Alkohol zuzuschreibende Charakterveränderung des Vaters widerspiegelt: Mal ein umgängliches, hilfreiches Wesen, mal ein aggressiver, gefährlicher Jäger, ist das als hässlicher Riese mit Horn gezeichnete Geschöpf das spielerische Symbol für einen Vater, der mit seiner schwankenden Unberechenbarkeit eine echte physische und psychische Gefahr für den Protagonisten darstellt.

Mit dieser Zweiseitigkeit muss der Spieler auch ganz konkret umgehen. So ist das Monster in manchen Situationen eine Art Gefährte, der mit Kokosnüssen und Fröschen gefüttert werden kann und dabei geschickt in die Knobelaufgaben eingebunden ist; in anderen Momenten muss man die Wucht und Kraft des Monsters dagegen fürchten und auf der Hut sein – eine clevere Spielintegration, die nachdenklich stimmt, wenn man an den Hintergrund dieser Mechanik erinnert wird.

Hier findet sich letztlich die große Stärke von „Papo & Yo“, denn was sich anfänglich wie eine bunte Kinderfantasie angeht, verwandelt sich mit der Zeit – und mit zunehmender Gefährlichkeit des Monsters – immer deutlicher in einen bunten Albtraum, der einige Intensität erreicht. Caballero erreicht also das, was er möchte, nämlich Emotionen über das Spielen zu transportieren.

Aufgrund dieser Eigenschaft ist dann auch schnell verziehen, dass die Rätsel für viele Spieler insgesamt zu einfach ausfallen dürften und häfuiger zu leicht zu durchschauen sind, wenn man einmal die grundsätzliche Logik verinnerlicht hat.

Papo & Yo im Test
Papo & Yo im Test

Gleichermaßen verkraftbar ist deswegen schließlich auch, dass man es auch auf dem PC mit einer wenig berauschenden technischen Umsetzung zu tun hat. Auf der Unreal Engine basierend, sieht „Papo & Yo“ zwar einigermaßen passabel aus, kann aber in keinem Moment auch nur im Ansatz berauschen. Dafür dürfte der Titel selbst auf älteren Rechnern ordentlich laufen – auf unserem aktuellen Testsystem klebte die Bilderrate bei vollen Details und einer Auflösung von 1.920 x 1.080 bei VSync-limitierten 60 Bildern pro Sekunde.

Fazit

Blickt man auf die spezifische Ebene, ist „Papo & Yo“ ein gutes, aber kein besonderes Spiel. Zwar gefällt der Rätselansatz und die gesamte Konzeption, doch würde allein der Knobelaspekt keine Euphorie auslösen.

Zu einer echten kleinen Perle im weiten Ozean der Spiele wird Caballeros Werk durch die geglückte Anbindung an ein sehr ernstes Thema: Der Alkoholismus des Vaters ist nicht etwa PR-trächtiges Tränendrüsen-Beiwerk, sondern findet gekonnt und konret Eingang in das Spielerlebnis.

Papo & Yo im Test

Durch diese Verquickung gewinnt „Papo & Yo“ entscheidend an Intensität und die eigentliche Spielmechanik wird entscheidend erweitert. Damit ist der Titel ein gutes Beispiel dafür, wie durch clevere Gameplay-Ideen selbst hochkomplexe Themen be- und verarbeitet werden können – ein mahnendes und zugleich glänzendes Exempel für all die Standard-Spiele-Projekte, die mit ihrer Beliebigkeit ohne jede weitere Auswirkung nur so an einem vorbeirauschen und sofort wieder vergessen werden.

Vor diesem Hintergrund lautet die eindeutige abschließende Empfehlung: Wer nach frischem PC-Futter abseits des Mainstreams sucht, sollte sich „Papo & Yo“ unbedingt näher ansehen.

Kopier- & Jugendschutz

„Papo & Yo“ wird über Steam vertrieben, muss hierüber aktiviert werden und funktioniert auch danach als Spiel der Valve-Plattform nur in Verbindung mit dem entsprechenden Account, wobei ein Wiederverkauf durch die Bindung quasi unmöglich gemacht wird.

In Sachen Jugendschutz gilt es zu erwähnen, dass das Spiel von der USK nicht bewertet wurde.

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