Britische Internet-Überwachung erhitzt Gemüter

Andreas Frischholz
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Dass der britische Geheimdienst GCHQ für die Internetüberwachung direkt die transatlantischen Unterseekabel anzapft, empört den deutschen Politikbetrieb. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sieht in den „Tempora“-Programmen einen „Alptraum a la Hollywood“, sofern die Berichte des Guardian zutreffen.

Die Bundesregierung nehme die Zeitungsberichte sehr ernst, sagte der Regierungssprecher Georg Streiter der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS). „Sie wird der Angelegenheit nachgehen und zum gegebenen Zeitpunkt dazu Stellung nehmen.“ Kritisch äußert sich auch der CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger, weil offensichtlich keine Balance zwischen „berechtigten Sicherheitsinteressen“ und Datenschutz gewährleistet werde.

Ebenso kritisiert die Opposition das Vorgehen des britischen Geheimdienstes. Laut SPD-Innenpolitiker Thomas Oppermann klingen die Berichte über die Überwachungsprogramme nach dem „Überwachungsstaat von George Orwell“. Er fordert die Bundesregierung auf, die Vorfälle aufzuklären, ebenso wie Politiker der Grünen und Linken. Der Grüne EU-Parlamentarier Jan Philipp Albrecht fordert die EU-Kommission und die Bundesregierung auf, die Berichte zu prüfen und ein EU-Verfahren gegen Großbritannien einzuleiten, sollten sich diese bewahrheiten: „Eine Duldung einer solchen Massenüberwachung wäre ein Vertrags- und Verfassungsbruch, da die Grund- und Menschenrechte aller Bürgerinnen und Bürger der EU betroffen sind.

Die Linke ergänzt die Kritik an der britischen Internetüberwachung um die Pläne der Bundesregierung, die Internetüberwachung durch den BND mit Investitionen von 100 Millionen Euro auszubauen. „Es liegt die Vermutung nahe, dass sie andere Regierungen nicht besonders scharf kritisiert, weil sie gleiches oder ähnliches tut“, sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete Steffen Bockhahn der FAS. Es wäre „eine Tatsache“, dass die Bundesregierung sich durch die Geheimdienste an „dem Geschäft der Datenerfassung und des Datenaustausches“ beteilige.

Streit um Ausbau der Internetüberwachung durch den BND

Bockhahn verweist mit diesen Aussagen auf die geplanten Investitionen in Höhe von 100 Millionen Euro für eine umfassendere Internetüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND), die von einer „Große Koalition“ aus CDU/CSU und SPD unterstützt werden, wie sich im Verlauf der letzten Woche gezeigt hatte. So lobt etwa CDU-Politiker Binninger die Internetüberwachung des BND: „Dass man den Mail-Verkehr auf bestimmte Suchbegriffe untersucht und so eine kleine Zahl hochrelevanter Informationen generiert, ist nicht zu beanstanden.“ Die Balance zwischen Sicherheitsinteressen und Datenschutz soll so gewährt werden.

Ähnlich argumentiert Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD. Der Berliner Zeitung sagte er, Deutschland habe „gewaltigen Nachholbedarf“ bei der Internetüberwachung. Einen Vergleich zwischen NSA-Programmen wie Prism und dem BND hält Hartmann für verfehlt: „Der BND überwacht keine deutschen Staatsbürger. Und wir haben strenge gesetzliche Grundlagen dafür, die das Handeln des Geheimdienstes eingrenzen.

Die kleinen Parteien im Bundestag stehen dem Ausbau der BND-Internetüberwachung dennoch ablehnend gegenüber. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger erklärte letzte Woche in der Süddeutschen, es dürfe nicht sein, dass „der BND nicht dem US-Vorbild folgt, nach dem Motto: Erst einmal millionenfach alle Daten sammeln und dann schauen, ob etwas weiterhilft“. Angesprochen auf die angebliche Notwendigkeit der Überwachungsprogramme für den Anti-Terror-Kampf erklärte Grünen-Politiker Christian Ströbele, der in dem für die Geheimdienst-Kontrolle zuständigen Kontrollausschuss sitzt: „Soweit ich mich mit solchen Fällen beschäftigt habe – und das ist immer wieder der Fall gewesen –, ist es einfach nicht richtig, dass Anschläge verhindert werden konnten.

Weiter geht der politische Streit spätestens am Montag, wenn Vertreter der Bundesregierung im Bundestag vor dem Unterausschuss „Neue Medien“ die Fragen von Abgeordneten beantworten müssen. Die Bundesregierung – und insbesondere das Innenministerium sowie die deutschen Geheimdienste – hatten bislang angegeben, vor den Veröffentlichungen nichts von Prism gewusst zu haben. Geheimdienst-Experten haben allerdings massive Zweifel an diesen Aussagen.

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