Bundeswehr kannte „Prism“-Programm der Nato

Andreas Frischholz
16 Kommentare

Die Bundeswehr war zumindest seit 2011 an einem „Prism“-Programm beteiligt, das zur Überwachung von Terroristen in Afghanistan dient, berichtet Bild unter Berufung auf NATO-Dokumente. Es handelt sich dabei nicht um das von Edward Snowden enthüllte Prism, mit dem NSA-Analysten auf Daten der US-Internetriesen zugreifen können.

Den Dokumenten zufolge wurden laut einem Tagesbefehl vom 1. September 2011 alle Regionalkommandos der Isaf-Truppen dazu veranlasst, die Anträge zur Überwachung einer Zielperson, eines Telefons oder einer E-Mail-Adresse in Prism einzuspeisen. Betrieben wird das afghanische Prism offenbar über ein Computer-Netzwerk mit dem Codenamen „JWICS“, das als streng geheim klassifiziert gilt.

Lediglich US-Geheimdienste und Behörden können auf das Netzwerk zugreifen. US-Partner wie Deutschland haben keinen direkten Zugang zu dem Programm, sondern müssen sich an „ziviles und militärisches US-Personal“ wenden, um die Überwachung zu beantragen. Laut den Dokumenten habe auch der BND Telefonnummern von Zielpersonen an die Nato übergeben, die daraufhin im afghanischen Prism gelandet sind.

Die gesammelten Metadaten landen in den NSA-Datenbank „Mainway“ und „Marina“, in denen jeweils die Verbindungsdaten der Telefon- und Internet-Kommunikation gespeichert werden – also dieselben Datenbanken, auf die auch das von Snowden enthüllte Prism zugreift. Offenbar verfolgt das afghanische „Nato-Prism“ ein ähnliches Ziel, indem es die Daten aus verschiedenen Datenbanken und Quellen zusammenführt. Wo genau die Grenzen zwischen den Prism-Varianten verlaufen, ist allerdings nicht bekannt.

Die Bundesregierung konnte indes keine genaueren Details nennen. So erklärte Stefan Paris, Sprecher des Verteidigungsministeriums, dass die Nato über Jahre hinweg mit der „NATO Intel Toolbox“ ein computergestütztes System aufgebaut habe, um Soldaten Hinweise auf die Sicherheitslage zu geben. Bei dem afghanischen Prism handele es sich um ein separates System des US-Militärs, dass separat zu der Nato-Toolbox läuft. Der Zugriff ist auf „US-Personal only“ begrenzt, was im Endeffekt den Bild-Bericht bestätigt.

Ansonsten verhält sich die Bundesregierung angesichts der neuen Enthüllungen wie gehabt: Man stolpert über die eigenen Aussagen und hinkt dem Tagesgeschehen hinterher. Generell verkündete man, dass afghanische Prism hätte nichts mit dem zuletzt im Fokus stehenden Prism zu tun. Doch woher will die Bundesregierung das eigentlich wissen, wenn man von dem Ausmaß der NSA-Überwachung erst aus den Medienberichten erfahren haben will?

Regierungssprecher Steffen Seibert und Stefan Paris konnten den Widerspruch zumindest am Mittwoch nicht auflösen. Seibert verwies auf die Informationen vom BND, nach denen es sich „um ein Nato/Isaf-Programm handelt“, das „nicht identisch mit dem Prism-Programm der NSA“ und zudem nicht als geheim klassifiziert ist. Warum das afghanische Prism bei den zahlreichen Fragen nicht zur Sprache kam, blieb weitestgehend offen. Die Aufklärung erfolgt nun durch den BND, was nach den letzten Meldungen nicht unbedingt Vertrauen weckt.