Datenschützer rütteln am „Safe-Harbor“-Abkommen

Update Andreas Frischholz
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Datenschützer von Bund und Ländern kritisieren das „Safe-Harbor“-Abkommen, mit dem der Datenaustausch zwischen Europa und den USA geregelt wird. Angesichts der enthüllten Überwachungsaktivitäten der NSA soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, das Abkommen vorerst aufzukündigen.

Die Bundesregierung soll sich dafür auf EU-Ebene einsetzen, fordern die Datenschützer in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), der Handelsblatt Online vorliegt. In dem Schreiben heißt es, man habe „große Sorgen“, dass die den hiesigen Datenschutz nicht einhält. Der US-Geheimdienst greife mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ flächendeckend Daten ab. „Wir erwarten schon, dass die Amerikaner sich an deutsches Recht halten und nicht Daten abgreifen unter Missachtung des Verhältnismäßigkeits-Grundsatzes“, so die Datenschützer.

Bis das Ausmaß der NSA-Überwachung aufgeklärt ist, soll die EU das Safe-Harbor-Abkommen aussetzen. Die deutschen Datenschützer sind nicht die ersten, die so einen Schritt fordern. Neben zahlreichen EU-Parlamentariern, Politikern aus den Reihen der Opposition und diversen Bürgerrechtlern spielt sogar EU-Justizkommissarin Vivian Reding öffentlich mit dem Gedanken, das Datenaustausch-Abkommen einzustellen, wenn die USA zu keinen Zugeständnissen bereit sind.

Das Safe-Harbor-Abkommen ermöglicht US-Unternehmen, personenbezogene Daten von EU-Bürgern legal in die USA zu übermitteln. Laut Reding gleiche das Abkommen aber vielmehr einem „Schlupfloch“ als einer Absicherung für die persönlichen Daten von EU-Bürgern, weswegen es entweder geändert oder aufgekündigt werden müsse. Problematisch sind bei solchen Verhandlungen aber stets die unterschiedlichen Datenschutz-Mentalitäten in Europa und den USA. Reding erklärte jüngst, in Europa verfolge man tendenziell die Auffassung, was die Datenschutz-Gesetze nicht legitimieren, ist verboten. In den USA vertrete man hingegen die Ansicht, dass jegliche Datenverarbeitung erlaubt ist, solang diese nicht per Gesetz untersagt werde.

Fraglich ist allerdings, ob die Bundesregierung samt Merkel ebenfalls auf den Konfrontationskurs gegenüber der US-Administration einschlägt. Darauf deutet bislang wenig hin, trotz der zahlreichen öffentlichen Erklärungen, dass man die NSA-Überwachung aufklären wolle. Nach den Berichten vom Wochenende erscheint es immer wahrscheinlicher, dass die Bundesregierung und deutsche Geheimdienste wesentlich mehr über die NSA-Programme wussten, als man bislang eingestehen wollte.

Die nächste Sitzung des parlamentarischen Kontrollgremiums wird deswegen bereits am Donnerstag stattfinden. In dieser muss der für die Geheimdienst-Koordination verantwortliche Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) erklären, was das Kanzleramt über NSA-Programme wie XKeyscore gewusst hat.

Update

Heute hat die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder angekündigt, dass die Aufsichtsbehörden zunächst keine Genehmigungen mehr für die Datenübermittlung in Drittstaaten wie die USA erteilen werden – das gilt etwa bei der Nutzung von bestimmten Cloud-Diensten. Außerdem soll geprüft werden, ob im Rahmen des Safe-Harbor-Abkommens genehmigte Datenübermittlungen auszusetzen sind.

Wirtschaftsunternehmen, die personenbezogene Daten in die USA übermitteln, tragen für diese Daten die Verantwortung“, sagte Imke Sommer, Vorsitzende der Konferenz der Datenschutzbeauftragten. Auch US-Unternehmen müssten zusichern, dass US-Behörden nicht das Recht für einen anlasslosen und umfassenden Zugriff auf personenbezogene Daten hätten. Angesichts der enthüllten NSA-Programme bestehe aber offenbar eine Generalbevollmächtigung, sodass der US-Geheimdienst „mit hoher Wahrscheinlichkeit routinemäßig“ auf personenbezogene Daten zugreift.