Der Innenminister empfiehlt: Selber verschlüsseln

Andreas Frischholz
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Sicherheit ist ein „Supergrundrecht“ und die Bürger müssten mit Verschlüsselung und Virenschutz-Programmen selbst für den Schutz ihrer Daten sorgen. Das sagte Innenminister Friedrich nach der Sitzung des parlamentarischen Kontrollgremiums, berichtet die Welt.

Für Friedrich entwickelt sich seiner Aufklärungsmission in Washington allmählich zum Desaster, das sich bereits am Wochenende abzeichnete. Dass Friedrich nun erklärt, man müsse „sich bewusst werden, dass auch Kommunikation im Netz eines Schutzes bedarf“, wirkt absurd angesichts der rigorosen Internet-Überwachung durch Geheimdienste – zumal Friedrich NSA-Programme wie Prism im Anti-Terror-Kampf begrüßt.

Daher proklamiert der Innenminister Sicherheit als „Supergrundrecht“, das über den anderen Grundrechten steht. Laut dem Bericht der Welt stehen für Friedrich die Prioritäten fest, obwohl er selbst einwendet, dass man für die Sicherheit nicht die Freiheit opfern dürfe. Die „Supergrundrecht“-Formulierung ist ohnehin kein Wort-Fabrikat aus dem Hause Friedrich, sondern allem Anschein nach eine gängige Floskel in Sicherheitskreisen.

Das hat Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bereits vor einigen Tagen in einem Gastbeitrag für die FAZ erklärt. Die FDP-Politikerin schildert in dem Artikel, dass ein angebliches „Grundrecht auf Sicherheit“ nicht existiere, das würde im Widerspruch zu den übrigen Freiheitsgrundrechten sowie den Urteilen des Bundesverfassungsgericht stehen.

Der Innenminister zeigt weniger Verständnis für die Balance von Sicherheit und Freiheit, stattdessen nimmt er beim Schutz der digitalen Kommunikation die Nutzer selbst in die Pflicht: „Verschlüsselungstechniken, Virenabwehrprogramme, all diese Fragen müssen noch mehr in den Fokus gerückt werden.“ Diese Diskussion will Friedrich nun vorantreiben, zudem fordert er auf internationaler Ebene eine „digitale Grundrechtscharta“. Damit ist anscheinend das internationale Datenschutz-Abkommen gemeint, das Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zuletzt vorgeschlagen hatte. Das sieht globale Regeln für das Ausspähen von digitaler Kommunikation vor, indem Datensammlungen von Geheimdiensten und Unternehmen untersagt werden. Wie das mit Friedrichs „Supergrundrecht“ für Sicherheit zusammenpasst, ist allerdings schleierhaft.

„Bankrotterklärung“ mit „zynischem“ Tonfall

Derweil quittieren Kritiker fassungslos den Verweis von Friedrich auf Verschlüsselungstechnologien und Virenschutz-Programmen. „Wir gehen dann erstmal einen Virenscanner installieren, um unsere Freiheit zu retten“, lautet das Statement der Bürgerrechtler von Netzpolitik.org. Steffen Bockhahn von den Linken hält die Äußerungen von Friedrich für „zynisch“. Es sei zwar richtig, sich um den Schutz der eigenen Daten zu kümmern, doch es wäre „absolut unglaubwürdig zu behaupten, die Sicherheit der eigenen Daten zu schützen würde dagegen helfen, von anderen Geheimdiensten überwacht zu werden“.

Der ZDF-Redakteur Dominik Rzepka bezeichnet die Erklärungen in einem Kommentar als „Bankrotterklärung“, Friedrich erkenne nicht das Ausmaß der Grundrechtsverletzung:

"Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich", heißt es in Artikel 10 des Grundgesetzes. Abhörfreie Telefonate sind ein Grundrecht. Dieses Grundrecht zu schützen, ist Aufgabe des Staates. (...) Aber anstatt zu kritisieren, dass sich Geheimdienste hier der demokratischen Kontrolle entziehen, gibt er den Bürgern Tipps für mehr Datenschutz.

Dominik Rzepka

„Vielleicht waren es auch mehr Anschläge, vielleicht auch weniger“

Die Eskapaden von Friedrich beschränken sich nicht nur auf die genannten Äußerungen. In einem Gespräch mit dem ARD-Morgenmagazin stolperte der Innenminister über die Frage, welches Druckmittel die Bundesregierung überhaupt habe, um die Privatsphäre deutscher Bürger gegenüber den Überwachungsaktivitäten der US-Administration zu verteidigen. Friedrich wiederholte lediglich das altbekannte Argument, man sei auf die Zusammenarbeit mit der NSA angewiesen, um Terror-Anschläge zu verhindern.

Dass die NSA durch das Prism-Programm angeblich fünf Terroranschläge in Deutschland verhindert habe, erweist sich aber zunehmend als zweifelhaft. Selbst das Innenministerium muss mittlerweile eingestehen, dass lediglich bei zwei geplanten Anschläge konkrete Hinweise vorlagen. Die übrigen könnten sich aber in einem sehr frühen Stadium befunden haben. „Aber vielleicht waren es auch mehr Anschläge, vielleicht auch weniger“, so Friedrich im ARD-Morgenmagazin. Die Anzahl „der nicht stattgefundenen Terror-Anschläge“ wäre ziemlich schwierig zu zählen – und kratzt ziemlich schwierig an der Legitimation der NSA-Überwachung, die mit dem Anti-Terror-Kampf gerechtfertigt wird.

Keine neuen Informationen für Geheimdienst-Kontrolleure

Die für das parlamentarische Kontrollgremium angekündigten Informationen erwiesen sich allerdings als Luftnummer. Weder die Vertreter der Bundesregierung noch die der deutschen Geheimdienste konnten den Abgeordneten beantworten, in welchem Ausmaß die NSA deutsche Bürger überwacht. Nach wie vor wird auch von beiden Seiten die Behauptung aufrecht erhalten, man habe vor den ersten Medienberichten nichts von NSA-Programmen wie Prism gewusst – trotz der Berichte, dass zumindest der BND seit Jahren über die NSA-Überwachung im Bilde war und sogar Zugriff auf die Daten hatte.

Die USA-Reise von Friedrich bewerten die Geheimdienst-Kontrolleure dementsprechend als Flop. „Er ist mit leeren Händen zurückgekommen“, sagte Thomas Oppermann (SPD), der Vorsitzende des Kontrollgremiums. Selbst sechs Wochen nach den ersten Enthüllungen wisse man noch nicht, welche „konkreten Daten von wem durch wen abgehört und wie lange gespeichert werden“. Kritisch äußerte sich erneut der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele: „Wir müssen nach der heutigen Sitzung weiter davon ausgehen, dass das Massen-Spionageprogramm der NSA auch mit deutschen Daten fortgesetzt wird.

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