Merkels fragwürdiges Engagement gegen Prism

Andreas Frischholz
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Die neuen Enthüllungen über die NSA-Abhöraktionen in EU-Vertretungen haben hohe Wellen geschlagen, insbesondere in Europa zeigen sich viele von dem vermeintlichen Verbündeten enttäuscht. Nun hat sich Bundeskanzlerin Merkel direkt in die Aufklärung eingeklinkt und am Mittwochabend mit US-Präsident Obama telefoniert.

Obama habe die von Merkel geäußerten „Sorgen und Bedenken sehr ernst genommen“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Der US-Präsident soll in dem Gespräch angekündigt haben, Informationen über das Vorgehen der NSA zur Verfügung zu stellen. In der kommenden Woche wird eine deutsche Delegation nach Washington reisen, um die Überwachungsprogramme der US-Geheimdienste direkt zu besprechen – auch Innenminister Friedrich soll den Weg in die USA antreten, um die jüngsten Vorwürfe zu klären.

Merkel und Obama haben sich laut Seibert dafür ausgesprochen, dass die geplanten Experten-Arbeitsgruppen von EU und USA bereits am 8. Juli ihre Gespräche aufnehmen sollen. Bei diesen soll es vorwiegend um die Aufsicht der Nachrichtendienste, die Nachrichtengewinnung, den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre gehen.

Teil der Tagesordnung bleibt nach wie vor das geplante Freihandelsabkommen, an dem Merkel und Obama bestehend ein „starkes Interesse“ haben, so Seibert. Die Verhandlungen hätten „weiterhin höchste Priorität“. Dieselbe Agenda verfolgen auch die oberen EU-Institute. Die für die Verhandlungen verantwortliche Vorsitzende des EU-Rats, Dalia Grybauskaitė, erklärte, die Gespräche über das Freihandelsabkommen und die Aufklärung der US-Überwachungsaktivitäten sollen getrennt behandelt werden: „Wir möchten die strategisch sehr wichtigen Freihandelsverhandlungen nicht gefährden.

Doch infolge des nun bekannten Lauschangriffs auf EU-Vertretungen hadern zahlreiche Politiker in Europa und Deutschland mit der Entscheidung, unter diesen Voraussetzungen in die Gespräche mit der US-Delegation zu gehen. Auch das EU-Parlament einigte sich auf eine eher skeptische Linie, wonach es „bedauerlich“ wäre, wenn die jüngsten Vorwürfe den Abschluss eines entsprechenden Abkommens untergraben würden. Deutlicher fällt die Kritik des Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) aus, dessen Präsident Oliver Grün im Gespräch mit Reuters fordert, die Wirtschaft müsse verstärkt auf IT-Sicherheit setzen, etwa durch den Einsatz von Verschlüsselungstechnologien. Im Bezug auf die NSA-Programme wie Prism wären Grün zwar noch keine konkreten Fälle über Wirtschaftsspionage zu Ohren gekommen, allerdings würden Unternehmen entsprechende Vorfälle oftmals vor der Öffentlichkeit verheimlichen.

Deutliche Kritik äußert hingegen der auf die EU spezialisierte Journalist Eric Bonse: „Dabei stellt die Schnüffelei nicht nur grundlegende Bürgerrechte in Frage. Sie untergräbt auch den Sinn der Verhandlungen – denn die NSA-Überwachung dient auch der Wirtschaftsspionage.“ Die EU-Spitzenpolitiker rund um Merkel, der Vorsitzende der EU-Kommission Barroso und der französischen Präsident Hollande würden mit der Aussicht auf Freihandel die Spionage-Vorwürfe unter den Tisch fallen lassen.

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