Kickstarter suspendiert Kampagne von Ouya-Exklusivtitel

Update Frank Hüber
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Eine Reihe zweifelhafter Unterstützer und Fake-Accounts riefen Ende August bei zwei Kampagnen für Ouya-Exklusivtitel das Misstrauen vieler Kickstarter-Nutzer hervor. Eines der beiden Spiele wurde nun von Kickstarter wenige Tage vor dem Ende der Finanzierungsphase suspendiert.

Das Point-and-Click-Adventure „Elementary, My Dear Holmes!“ hatte zwischenzeitlich über 120 mutmaßliche Fake-Profile in der Unterstützerliste vorzuweisen. Sam Chandola, der Chef des Entwicklerstudios „Victory Square Games“ und Initiator des Spiel-Projekts, setzte sich daraufhin mit Kickstarter in Verbindung, in der Hoffnung die verdächtigen Accounts überprüfen und gegebenenfalls schließen zu lassen. Statt dem eigentlichen Problem auf den Grund zu gehen, wurde das Projekt seitens Kickstarter ohne Angabe von Gründen gestoppt.

Sam Chandola meldete sich daraufhin in der Kommentarsektion zum Projekt zu Wort: Man sei tief bestürzt über die Art, wie seitens Kickstarter bzw. Amazon Payments mit der Kontroverse um die verdächtigen Accounts umgegangen wurde, „aber wenn dies nötig gewesen ist, um der Negativität ein Ende zu setzen, sei's drum!“. In einem langen Brief an die Backer des Projekts meldete sich Chandola ebenfalls auf der offiziellen Webseite zu Wort: Kickstarter gebe keine Auskunft darüber, wieso das Projekt suspendiert wurde, was wohl so üblich wäre. Chandola versicherte jedoch nichts mit dem vermutlichen Astroturfing zu tun zu haben. „Wir haben es nicht selbst getan, wir haben niemanden dafür bezahlt es für uns zu tun und wir haben niemanden darum gebeten es zu tun. Falls wir das getan hätten, hätte ich mein eigenes Projekt nicht gemeldet“, so Chandola.

Um Vorwürfe aus der Community zu entkräften, dass das Projekt nur gestartet wurde, um sich auf einfache Weise zu bereichern, stellte Chandola klar, dass sie das Geld aus dem Fond frühestens März 2014 erhalten hätten. Man habe nie die Aussicht auf große Verkaufszahlen des Titels auf der Ouya-Plattform gehabt, dafür sei die Anzahl der Nutzer schlicht zu klein. Das Geld aus dem Ouya-Fond hätte nur dazu gedient, sich so lange über Wasser zu halten bis die Ouya-Exklusivitätsphase überwunden wäre und man das Spiel für andere Plattformen veröffentlichen könnte. Der „Free the Games“-Fond wurde von den Entwicklern nur als Garantie gegen geringe Verkaufszahlen auf der Plattform angesehen.

Chandola verkündete, dass man sich schon in Gesprächen mit privaten Investoren befinde, die das Projekt auch ohne Kickstarter zu Ende finanzieren möchten und dementsprechend werde man die Arbeiten am Spiel fortsetzen. Mindestens sechs Monate würden jedoch benötigt, dann soll das Spiel plattformunabhängig erscheinen. Geplant sind Versionen für Windows, Mac, Linux, iOS und Android. „Elementary, My Dear Holmes“ konnte bis zur Suspendierung der Kampagne eine Summe von 58.770 US-Dollar zusammentragen und wurde von 861 Spendern unterstützt.

Ausschlaggebend für die Kontroverse war der mit einer Million US-Dollar dotierte „Free the Games“-Fond der Ouya-Entwickler. Erfolgreiche Kickstarter-Projekte sollten ab einer Summe von 50.000 US-Dollar zusätzlich dazu mit der gleichen Summe aus dem Fond unterstützt werden. Auf diese Weise sollten Entwickler eigentlich ermutigt werden, ihre Spiele zeitlich exklusiv für die Ouya-Konsole bereitzustellen. Besorgte Twitter-Nutzer warfen den Ouya-Entwicklern vor, sich auf „offensichtlichste Weise betrügen zu lassen“. Daraufhin antwortete das Ouya-Team besänftigend per Twitter, man würde die Bedenken verstehen und verwies auf die Suspendierung der Kampagne von „Elementary, My Dear Holmes!“.

Das Problem ist allerdings noch nicht vom Tisch, da das zweite, deutlich verdächtiger finanzierte Ouya-Exklusivspiel mittlerweile die Finanzierungsphase abgeschlossen hat und bisher weder seitens Ouya noch Kickstarter Konsequenzen gezogen wurden. „Gridiron Thunder“ fiel schon vorher durch extreme Anomalien in der Finanzierung auf, doch gegen Ende der Finanzierungsphase summierten sich weitere auffällige Spitzen: Während ein Großteil der Tage mit Spenden im unteren zweistelligen und dreistelligen Dollarbereich vergingen, gingen am 1. September knapp 20.000 US-Dollar und in den letzten drei Tagen der Kampagne weitere 66.000 US-Dollar ein. Besonders auffällig ist der letzte Tag, an dem allein 45.522 US-Dollar mit gerade mal 12 Unterstützern gesammelt wurden. Damit gehören die Backer des Projekts mit einer durchschnittlichen Spende von 934 US-Dollar zu den spendabelsten Nutzern der Kickstarter Plattform – mit nur 183 Unterstützern wurde am Ende eine Summe von 171.009 US-Dollar erreicht.

Im Vergleich dazu: Keiji Inafunes „Mighty No. 9“-Kickstarter kratzt mit 33.084 Unterstützern und einem durchschnittlichen Beitrag von 58 US-Dollar aktuell knapp an der 2-Millionen-Dollar-Marke.

Wir danken Andreas Schnäpp für das Einsenden dieser Meldung.

Update

Im offiziellen Ouya-Blog nahm Julie Uhrmann, Gründerin des Ouya-Projekts, nun Stellung zur Kontroverse: „Die Antwort hat uns überrascht – wir dachten, dass es [gemeint ist der „Free the Games“ Fond, Anm. d. Red.] großartig wird – wie könnte es das nicht werden?“ Uhrmann betont, dass es dem Ouya-Team wichtig sei, offene Spielentwicklung zu fördern, doch „offen zu sein [...] bedeutet manchmal, dass Dinge nicht so klappen, wie man es sich erhofft hat. Und wenn es nicht klappt, dann bekommt es jeder mit.“.

Dennoch sei das Ouya-Team „OK mit all dem“, denn dank der Offenheit würden Fehltritte auffallen und Ouya könnte sie korrigieren. Wie die Korrektur des Problems in den Augen der Ouya-Schöpfer aussieht, schildert Uhrmann wie folgt: „Wir glauben (immer noch) daran, dass großartige Spiele auf diese Weise entdeckt werden können – durch euch. Wenn wir die Zweifel bei Seite schieben können und den Geist des Fonds, und von Ouya, so annehmen, wie er gemeint war, könnten wir davon überrascht werden, was ein bisschen Positivität hervorbringen kann.

So scheint Uhrmann kein Problem damit zu haben, wenn sich ein zweifelhaftes Projekt mit großen Stücken aus dem Fond „bedient“, da ihnen die „Offenheit“ ihres Fonds und der Ouya-Plattform anscheinend wichtiger ist als die möglicherweise missbräuchliche Verwendung der Gelder. Entsprechend bitter war daraufhin die Reaktion aus der Spieler- und Entwicklercommunity: Mike Bithell, Schöpfer des Puzzle-Jump'n'-Runs „Thomas Was Alone“, meldete sich in den Kommentaren zum Blogpost zu Wort. Bithell sei „aus vielen Gründen“ traurig über die Stellungnahme und die Art, wie solch „offensichtlich höllisch zweifelhaften Vorhaben“ öffentlich von Ouya unterstützt werden. Er hoffe darauf, dass sich die Ouya-Macher noch aus der Situation herauswinden, bevor sie auch nur einen Penny an die „Gridiron Thunder“-Initiatoren bezahlen.

Weiterhin kritisierte Bithell die Art und Weise, wie der „Free the Games“-Fond aufgezogen wurde: Es sei unmöglich für kleine Indie-Entwickler mit legitimen Projekten die 50.000-US-Dollar-Hürde überhaupt zu knacken, erst recht für neue Entwickler, die die Ouya-Plattform als solche hegen und pflegen sollte. Rein aus mathematischer Sicht sei das Konzept schon fehlerhaft, wie auch andere Nutzer in vorherigen Kommentaren zum Post anmerkten. Bithell sei bestürzt über den Prozess: „Ein paar Reiche tricksen das System aus, um etwas reicher zu werden, während eine Reihe von unglaublich begabten Indie-Entwicklern [...] bis zu dem Punkt verärgert sind, dass sie die Plattform komplett verlassen.“ Ouya sei ein „wunderschöner Traum einer Konsole, die komplett vom Mangel an Verständnis des Spielraums, für den sie designt wurde, ruiniert wird“.

25 Jahre ComputerBase!
Im Podcast erinnern sich Frank, Steffen und Jan daran, wie im Jahr 1999 alles begann.