Newegg verliert RC4-Patentstreit gegen TQP Development

Ferdinand Thommes
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Der US-amerikanische Online-Versandhändler Newegg, bekannt für seine unbeugsame Haltung gegenüber Patent-Trollen, hat in Marshall im US-Staat Texas einen Patentstreit um das Verschlüsselungsverfahren RC4 in erster Instanz gegen Patentinhaber TQP Development verloren. Das unterlegene Unternehmen hat bereits Revision angekündigt.

Rund 140 Firmen haben bisher auf dem Weg der gütlichen Einigung insgesamt etwa 45 Millionen US-Dollar an TQP Development und Firmeninhaber Erich Spangenberg gezahlt, darunter unter anderem Microsoft und Amazon. Das Patent deckt nach Aussagen von TQP alle SSL-Verbindungen ab, die den RC4-Algorithmus verwenden, und betrifft somit auch einen Großteil der Server, die solche abgesicherten Verbindungen anbieten. TQP verklagt vor dem gleichen Gerichtshof derzeit auch Google, LinkedIn und Sony in gleicher Sache.

Neweggs Anwalt Lee Cheng fuhr schwere Geschütze gegen TQP auf. So rief er neben drei bekannten Computer-Wissenschaftlern auch Whitfield Diffie in den Zeugenstand, der, zusammen mit Martin Hellman in den 70er Jahren die Public-Key-Kryptographie erfunden hatte. Diffie erklärte, das Patent sei nach seiner Kenntnis ungültig. Ron Rivest, Erfinder des RSA-Kryptosystems, bestätigte in einer Videoaussage, er habe RC4 im Jahr 1987 erfunden, während er Angestellter von RSA Security war, zwei Jahre, bevor der Patentantrag von TQP gestellt wurde. Ray Ozzie, Entwickler von Lotus Notes und ehemaliger technischer Geschäftsführer von Microsoft, sagte aus, er habe Bill Gates bereits 1988 Lotus Notes mit RC4 vorgeführt. Dies wurde von Notes-Entwickler Alan Eldridge bestätigt, der den RC4-Code in die Office-Suite implementiert hatte.

Aber auch die Erheiterung, die beim Auftritt des langhaarigen, bärtigen Whitfield Diffie aufkam, als der Richter diesen fragte, was ihn denn befähige, zu Public-Key-Verschlüsselung auszusagen und Diffie knapp antwortete, er habe sie erfunden, führte nicht zu einem Ausschlag der Waagschale zugunsten von Newegg. Das beklagte Unternehmen wurde zur Zahlung von 2,3 Millionen US-Dollar an TQP Development verurteilt.

Die achtköpfige Jury des bei Patentklagen von Klägern immer häufiger aufgesuchten Gerichts in Marshall befand das Patent für weiterhin gültig und den Online-Händler Newegg für schuldig der Patentverletzung in allen vier beanstandeten Fällen. Richter T. John Ward hat den Ruf, Patentklagen zügig zu verhandeln und seine Sympathien aufseiten der Patentinhaber zu haben, wodurch solche Klagen in seinem Gerichtsaal wesentlich häufiger zugunsten der Patentinhaber entschieden werden als im Rest des Landes. Mit dieser Entscheidung hat Patentverwerter TQP Development eine gute Ausgangsposition für die weiteren anhängigen Klagen in dieser Sache.

Die Verwendung von RC4, was derzeit noch bei rund 90 Prozent aller Server, die SSL einsetzen, der Fall ist, nimmt in letzter Zeit ab. So hat Microsoft erst kürzlich im Rahmen der NSA-Enthüllungen entschieden, RC4 nicht weiter einzusetzen. Auch das BSI nahm Abstand von der RC4-Stromverschlüsselung, seit bekannt wurde, dass die NSA diese vermutlich in Echtzeit aushebeln kann.