Ubuntu schwenkt zu Systemd als Init-System um

Ferdinand Thommes
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Nur drei Tage nach Debians Entscheidung zugunsten von Systemd als zukünftiges Init-System hat Canonical-Gründer Mark Shuttleworth in seinem Blog bekanntgegeben, dass auch Ubuntu langfristig auf Systemd setzen werde. Ubuntu 2014.04 erscheint aber wie geplant noch mit dem hauseigenen Init-System Upstart.

Unter dem Titel „Würdevoll Verlieren'“ schreibt Shuttleworth in seinem persönlichen Blog, mit seiner entscheidenden Stimme habe Bdale Garbee endlich die Frage über das zukünftige Init-System für Debian und damit auch für Ubuntu entschieden. Er dankt dem Komitee für dessen überlegte Debatte „unter Druck wie in einem Goldfischglas“. Das Komitee habe beide Kontrahenten auf hohem Niveau analysiert und die Latte für solche Entscheidungen hoch angesetzt.

Der Ubuntu-Vater sagt, Upstart sei ein gutes Stück freier Software und habe Ubuntu großartige Dienste geleistet sowie einen hohen Standard für Software aus dem Hause Canonical gesetzt. Immerhin benutze Red Hat mit RHEL 6 aktuell Upstart, bevor es demnächst mit Version 7 zu Systemd wechselt, so Shuttleworth.

Nichtsdestotrotz sei die Entscheidung für Systemd gefallen, und Ubuntu als zentrale Distribution in der Debian-Familie werde diese Entscheidung mittragen. Er werde die Ubuntu-Entwickler bitten, die Entscheidung effektiv zu implementieren und Systemd somit schnell und sicher sowohl in Debian als auch in Ubuntu anbieten zu können. Allerdings werde es Zeit benötigen, bis es so stabil sei wie Upstart es jetzt und mit Ubuntu 2014.04 „Trusty Tahr“ LTS sei. Mit dem Übergang werde er Ubuntus technisches Komitee beauftragen.

Zuerst werde Ubuntu aber sicherstellen, dass das derzeit zusammen mit Upstart verwendete und aus Systemd stammende „Logind“ auch weiterhin mit anderen Init-Systemen als Systemd zusammenarbeitet. Ubuntu hatte Logind als Ersatz für das nicht mehr gepflegte „Consolekit“ eingesetzt, um User und Sessions zu verwalten. Ubuntu-Anwender, die weiterhin ihre Rechner mit Upstart hochfahren wollen, haben mit der Langzeitunterstützung von Ubuntu 2014.04 LTS eine Garantie, dass dies mindestens fünf Jahre möglich ist. Ob Upstart allerdings darüber hinaus weiter offiziell gepflegt werden wird, führt Shuttleworth nicht aus.

Die Entscheidungsfindung in Debians technischem Ausschuss CTTE war alles andere als einfach und wurde durch versuchte Einflussnahme, Verzögerungstaktik und taktische Stimmabgaben seitens der beiden bei Canonical beschäftigten Mitarbeiter erschwert. Während des dritten Wahlgangs forderte Ian Jackson, langjähriger Debian-Entwickler und Canonical-Mitarbeiter, gar die Abwahl des honorigen Vorsitzenden und Debian-Urgesteins Bdale Garbee. Dieser war bekanntermaßen für Systemd und hat zudem in Pattsituationen die Entscheidungsgewalt. Diese musste er in diesem Fall erstmals einsetzen, um eine Entscheidung herbeizuführen.

Die involvierte Linux-Szene reagierte erstaunt auf diesen kurzfristigen Schwenk. Die Kommentare reichen von „mit Anstand verloren“ bis zu „Heuchelei“. Bei Licht betrachtet hatte Shuttleworth aber kaum eine andere Wahl, ob der Schwenk nun jetzt oder später erfolgt. Mit Upstart steht Canonical alleine da, es bindet Entwicklerkräfte und kostet somit Geld. Hätte Upstart die Wahl bei Debian gewonnen, hätte Debian die Entwicklung übernommen und Ubuntu hätte davon profitiert. Zudem löst sich mit der Entscheidung auch ein Problem mit Logind in Luft auf. Systemd über Version 204 hinaus bringt einschneidende Änderungen in der Handhabung von Cgroups, womit Logind Probleme im Zusammenspiel mit anderen Init-Systemen bekommt. Debian hat derzeit noch Systemd 204 in den Repositories, die aktuelle Version 208 wird aber schon bald in Debians Experimental-Repository zur Verfügung stehen.