EU-Parlament schließt Lücken bei Netzneutralität

Andreas Frischholz
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Das EU-Parlament hat heute in der finalen Abstimmung bestätigt, dass die Netzneutralität rechtlich verankert werden soll. Im Vergleich zu der Vorlage des Industrieausschusses hatten die EU-Abgeordneten sogar noch einige Lücken beseitigt, die von Netzaktivisten als Hintertür für ein Zwei-Klassen-Netz eingestuft wurden.

Nach dem Willen der EU-Abgeordneten müssen Provider den Traffic von Spezialdiensten bei Internetzugängen mit limitierten Datenvolumen anrechnen. Drossel-Ausnahmen wie bei der Vereinbarung zwischen der Telekom und dem Musik-Streaming-Dienst Spotify soll es nicht mehr geben. Fraglich ist allerdings, ob sich diese Regelung auch in der Praxis umsetzen lässt. Denn grundsätzlich ist es den Providern gestattet, kostenpflichtige Dienste wie separate „Video-on-Demand“-Plattformen anzubieten. Dienste von konkurrierenden Anbietern dürfen aufgrund der Spezialdienste aber weder blockiert noch verlangsamt werden.

Eingriffe in das Verkehrsmanagement sind nur gestattet, um Gerichtsbeschlüsse durchzusetzen, die Netzsicherheit zu gewährleisten oder um vorübergehende Netzwerküberlastungen zu verhindern. Solche „Maßnahmen des Verkehrsmanagements“ müssten aber „transparent, nicht diskriminierend, verhältnismäßig und erforderlich sein“. Zudem dürfen diese nicht „länger als notwendig aufrechterhalten“ werden.

Optimistische Reaktionen von Netzaktivisten und Verbraucherschützern

Netzaktivisten sind mit der Fassung, die heute von den Abgeordneten verabschiedet wurde, für das erste zufrieden. Die Änderungen an der Vorlage wären „dringend erforderlich gewesen“, sagte Alexander Sander von der Bürgerrechtsorganisation Digitale Gesellschaft. Um „die Zukunft des freien und offenen Internet zu sichern“, wären aber noch weitere Schritte nötig. „Der Verordnungstext enthält weiterhin Lücken, die den Telekommunikationsunternehmen die Auslagerung von beliebten Online-Inhalten auf kostenpflichtige Spezialdienste erlauben“, so Sander.

Ähnlich argumentiert der Bundesverband der Verbraucherschützer. Die EU-Abgeordneten hätten „die Definition der Netzneutralität wesentlich klarer und verbraucherfreundlicher als bislang gestaltet“. Dennoch sei die „Definition der Spezialdienste noch immer nicht ausreichend“. Ein Internetdienst sollte von Providern nicht als Spezialdienst angeboten werden dürfen, sofern dieser „auch im offenen Internet existiert, wie es aktuell bei einzelnen Musikstreamingdiensten der Fall ist“.

Ende der Roaming-Gebühren im Dezember 2015

Darüber hinaus bestätigte das EU-Parlament heute, wie geplant die Roaming-Gebühren innerhalb der EU bis zum 15. Dezember 2015 abzuschaffen. Sowohl das Ende der Roaming-Gebühren als auch die rechtliche Verankerung der Netzneutralität sind Bestandteile des „Telekom-Pakets“ der EU. Mit diesem will die EU-Kommission einen einheitlichen Telekommunikationsmarkt in Europa schaffen.

Kritik ernten beide Entscheidungen auf Seiten der Provider. Laut dem IT-Branchenverband Bitkom wären Netzbetreiber „auf die Erlöse aus dem Roaming dringend angewiesen, um die anstehenden Milliardeninvestitionen in den Netzausbau stemmen zu können“. Der europäische Provider-Verband ETNO kritisiert, die rechtlichen Vorgaben zur Netzneutralität würden die Entwicklung von innovativen Spezialdiensten erschweren und zudem ein effizientes Traffic-Management unterbinden.

Mit der Abstimmung im EU-Parlament ist die EU-Verordnung allerdings noch nicht beschlossene Sache. Nun muss noch der EU-Ministerrat zustimmen, in dem die Vertreter der einzelnen Mitgliedsstaaten sitzen. Und diese zeigen bereits bei der EU-Datenschutzreform, wie ein EU-Projekt aufgrund der unterschiedlichen Interessen einzelner Regierungen hinausgezörgert werden kann.

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