Innenminister kritisiert „maßlose“ NSA-Überwachung

Andreas Frischholz
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Dass die US-Administration bei der Aufklärung des NSA-Skandals beharrlich blockt, verärgert die Bundesregierung zunehmend. Nun kritisiert Innenminister Thomas de Maizière im Interview mit dem Spiegel die Informationspolitik von US-Behörden. Reaktionen auf Anfragen der Bundesregierung wären „bis heute unzureichend“.

Nach wie vor lässt sich nicht abschätzen, in welchem Ausmaß die NSA in Deutschland aktiv ist. Jüngste Enthüllungen zeigten etwa, dass die NSA deutsche Satelliten-Netzbetreiber infiltriert, um Zugriff auf den Datenverkehr zu erhalten. Um solche Spionage-Vorwürfe und weitere offene Fragen zu klären, hatte die Bundesregierung bereits im letzten Jahr mehrere Fragebögen an US-Behörden verschickt. Doch auf „keines dieser Schreiben liegt bisher eine Antwort vor“. So lautet das ernüchternde Fazit der Bundesregierung in einem Antwortschreiben auf eine Anfrage der Linken (PDF-Datei), die in der letzten Woche veröffentlicht wurde.

Einmal mehr wird das ganze Desinteresse und die Untätigkeit der Bundesregierung in Sachen NSA-Ausspähung deutlich“, sagte Jan Korte, stellvertretender Fraktionsvorsitzende der Linken. Fraglich ist allerdings, ob es sich um „Komplizenschaft“ mit den US-Diensten handelt, wie Korte argwöhnte. Denn de Maizière erklärt nun im Spiegel-Interview:

Wenn zwei Drittel dessen, was Edward Snowden vorträgt oder was unter Berufung auf ihn als Quelle vorgetragen wird, stimmen, dann komme ich zu dem Schluss: Die USA handeln ohne Maß.

Innenminister Thomas de Maizière

Darüber hinaus entwickelt sich das von der Bundesregierung geforderte „No-Spy“-Abkommen allmählich zum Fiasko. Es werde – „nach allem, was ich höre“, so de Maizière – kein entsprechendes Abkommen geben. Die deutschen Geheimdienste verhandeln zwar noch mit amerikanischen, de Maizière ist jedoch skeptisch: „Meine Erwartungen an einen Erfolg weiterer Gespräche sind niedrig.“ Allerdings: Offizielle Auskünfte über den Verhandlungsstand und die bisherigen Ergebnisse verweigert die Bundesregierung. Das Staatswohl überwiege in diesem Fall gegenüber dem parlamentarischen Informationsanspruch, antwortet die Bundesregierung auf die Anfrage der Linken.

Nichtsdestotrotz betont de Maizière, wie wichtig die Zusammenarbeit der Geheimdienste der USA, Großbritanniens und Deutschlands wäre – „unverzichtbar“ lautet sein Credo. Stattdessen rückt er erneut die großen Internetdienste in den Fokus:

Eine maßlose Sammlung von Informationen aus einem wenn auch übertriebenen Sicherheitsbedürfnis eines Landes finde ich weniger schlimm als die Totalerfassung von Bewegungsprofilen, Gefühlen und Denken von Menschen aus geschäftlichem Interesse.

Innenminister Thomas de Maizière

Das entspricht de Maizières Position in den Verhandlungen über die EU-Datenschutzreform: Strikte Vorgaben bei der Verarbeitung von persönlichen Daten sollen nur Unternehmen betreffen, nicht aber Sicherheitsbehörden und öffentliche Einrichtungen.

NSA-Ausschuss soll Aufklärung vorantreiben

Trotz kritischer Töne: Eine Antwort auf die NSA-Überwachung liefert de Maizière also nicht, ebenso bleibt die Überwachungspraxis von den deutschen Geheimdiensten außen vor. Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf den NSA-Untersuchungsausschuss, der am Donnerstag offiziell die Arbeit aufgenommen hat – allerdings ohne überschäumende Erwartungen. Befürchtet wird vielmehr, dass weder die NSA noch der britische GCHQ relevante Akten und Zeugen bereitstellen. „Viele Informationen werden wir nicht bekommen“, sagte der Ausschuss- Vorsitzende Clemens Binninger (CDU) im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Und allein auf Basis der enthüllten Dokumente wäre die Aufklärungsarbeit problematisch. Binninger: „Bisher haben wir aus den Medien nur Kenntnisse über die Methoden, die die NSA anwendet oder anwenden kann.“ Konkrete und inhaltliche Überwachungsergebnisse würden hingegen nicht vorliegen.

Der Ausschuss habe allerdings keine rechtliche Handhabe, um entsprechende Zeugen aus den USA zur Aussage zu verpflichten. Solche Auftritte würden daher davon abhängen, so Linken-Politikerin Martina Renner, wie nachdrücklich die Bundesregierung auf diplomatischem Weg den Ausschuss unterstützt. Ob die Bundesregierung so viel Druck ausüben kann, dass sich US-Behörden zur Kooperation bereit erklären, ist angesichts der Aussagen von de Maizière jedoch nur schwer vorstellbar.

Immerhin: Der NSA-Ausschuss wird kein Schnellschuss. Der Vorsitzende Binninger schätzt, die Aufklärungsarbeit werde vermutlich zwei Jahre dauern. In den kommenden Wochen sollen zunächst Sachverständige befragt werden, um Klarheit über rechtliche und technische Aspekte der massenhaften Geheimdienste-Überwachung zu gewinnen. Ermittelt wird zudem, inwieweit deutsche Dienste in die Überwachungsaktivitäten von der NSA und den Partnerdiensten eingebunden sind.

Zeugenvernehmungen würden „Frühestens im Juni“ auf der Tagesordnung stehen. Umstritten ist allerdings die Auswahl der Zeugen. Zündstoff bietet etwa die Frage, ob und in welcher Form Edward Snowden angehört werden soll. Oppositionsparteien wie Christian Ströbele (Grüne) sprechen sich vehement dafür aus, in den Reihen der Union wird das Vorhaben hingegen kritisch bewertet.

Die Aufklärungsarbeit dürfe aber ohnehin nicht das einzige Ziel sein, das der NSA-Ausschuss verfolgt, sagte der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz. Ausgehend von den ermittelten Erkenntnissen müssten sich die Abgeordneten auch mit der Frage befassen, wie die IT-Infrastruktur gegen eine massenhafte Überwachung geschützt werden könne.

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