Fireproof Games: F2P-Monokultur verödet Mobile Games

Max Doll
26 Kommentare

Gegen den Trend zu Sandkastenspielen mit Free-to-Play-Monetarisierung im Mobile-Segment wendet sich der Mitgründer von Fireproof Games (The Room). Im Segment liege massenweise Potential brach, weil auf größtmögliche Monetarisierung ausgelegte Spiele qualitative Alternativen völlig verdrängen würden.

Den unerwarteten Erfolg der eigenen Spiele – The Room 1 und 2 verkauften sich trotz des Verzichts auf teure PR-Kampagnen zusammen 5,5 Millionen Mal – führt Barry Meade gerade auf das Geschäftsmodell und die Konzeption des Spiels zurück. Einer der größten Unterschiede zwischen dem eigenen Überraschungshit und anderen Spielen sei die Finanzierung über eine einmalige Zahlung – „Ye Olde Worlde Weirding Way“ – zu gewährleisten. Dazu komme, dass sich das Studio bei der Konzeption auf die Besonderheiten des Touchscreens im Speziellen und der Plattform im Allgemeinen eingelassen und dann ein schlicht gutes Spiel produziert habe.

Man kann durchaus sagen, dass Mobile Gaming für Entwickler tot ist, weil die Idee, dass eine Milliarde Spieler tausende Variationen der Candy-Clash-Saga spielen wollen, verflucht wahnsinnig ist.

Barry Meade, Mitgründer Fireproof Games

Problematisch ist laut Meade die Unfähigkeit von Studios und Publishern, über ihre Nasenspitze hinweg zu sehen. Er erhebt den Vorwurf, dass erfolgreiche „Premium-Spiele“ wie die eigenen Produkte als Anomalie im besten, als gefährlicher Präzedenzfall im schlimmsten Fall bewertet würden. Aktuell gehe es in der Branche, wie sich an den zahlreichen Konferenzen zu Mobile Games zeige, nur um Monetarisierung und das Spiel als Dienst. Immersion trete zugunsten langwieriger, zeitintensiver, aber für Anbieter lukrativer Elemente zurück. Würde ein Titel jedoch anders konzipiert, würden Investoren und Publisher „praktisch neue Türen bauen, die sie vor deiner Nase zuschlagen können“.

Die Branche habe sich mittlerweile auf eine einzige Sichtweise verständig, hier gelte „Casual und Gratis ist das, 'was Spieler wollen' “. Diese speise sich aus den ersten Erfahrungen mit Mobile Spielen, als geringe Produktionskosten und die Möglichkeit, direkt an den Endkunden zu verkaufen, attraktiv erschienen – und, unter anderem mit dem Unvermögen auf die Plattform einzugehen, beispielhaft der Versuch, Controller-Steuerungen zu emulieren, Misserfolge provoziert habe. Nunmehr würden Unternehmen lediglich danach streben, maximalen Gewinn aus kleinstmöglichem Einsatz zu erwirtschaften anstelle „beeindruckende Erfahrungen“ zu verkaufen.

Das Problem im Allgemeinen ist, dass die Spieleindustrie als Ganzes Mobile Games Millionen von Spieler kostenlos zugänglich macht, die niemanden interessieren. Free-to-Play-Entwickler tönen, dass die Qualität ausgezeichnet wäre, „Wenn es Geld einbringt, ist es objektiv gut, sieht du?“. Nun, nein, nicht wirklich, Scheiße verkauft sich jeden Tag tonnenweise.

Barry Meade

Diese Einstellung sei zwar immer ein Teil eines jeden Ökosystems, habe hier jedoch andere Ansätze zugunsten einer Monokultur völlig verdrängt. Kreativität und die Bedeutung von Spielen im „kulturellen Raum“ finden ebenso wenig Raum wie faire Free-to-Play-Modelle, so Meade, der etwa World of Tanks als Beispiel nennt. Stattdessen würden Spiele mit Hilfe von Diagrammen und Statistiken entwickelt. Speziell wendet sich Meade gegen die Behauptung, In-App-Käufe würden zeigen, dass sich die Spielerbasis engagiert und begeistert, weil niemand benenne, dass „kostenlose“ Spiele nur aufgrund des Preisschildes so attraktiv wirken.

Meade stellt dem zudem zwei weitere Gründe entgegen: Tatsächlich würden nur 0,2 Prozent aller Spieler 50 Prozent des Einkommens generieren, zwei Prozent überhaupt etwas für Spiele bezahlen, zwei Drittel das Spiel nach dem ersten Tag nicht mehr öffnen – das sei weder ein Beweis „für brillantes Design“ noch eine Aussage darüber, was Nutzer wollen. Neugierige Spieler würden vor allem die Topspiele wahrnehmen, was gleichzeitig sicherstellt, dass „hochgradig monetarisierte Spiele jetzt die einzige Mobile-Gaming-Erscheinung sind, die für die Mainstream-Zielgruppe sichtbar ist“. Der 10 Milliarden US-Dollar schwere Mobile-Markt bestehe dabei vor allem aus den Top-10 sowie ihren unzähligen Klonen. Man habe das Marktvolumen schlussendlich also nur dafür verwendet, um „eine statistisch unbedeutende Anzahl von Menschen glücklich zu machen“.

Minecraft muss verdammt nochmal in jedem Gespräch über Erfolg des Mobile-Segments genannt werden, weil es ein spektakuläres Beispiel dafür ist, dass Diagramme und Finanzmodelle einen Scheiß über das Geschäft erzählen, in dem wir arbeiten. Seine ungeheure Größe ist kein mutierender Tumor, es ist wirklich so viel besser als jedes andere Spiel auf einer mobilen oder überhaupt einer Plattform.

Barry Meade

Als perfektes Beispiel eines Spiels, dessen auch finanzieller Erfolg darauf basiere, eine Zielgruppe als Ganzes glücklich zu machen, benennt Meade Minecraft. Das Spiel verängstige die Industrie, sei aber keine Ausnahme, sondern ein Vorbild, das sich nicht an „falschen Säulen des Erfolgs wie Marketing, PR, Datenanalyse und 'Spielern das geben, was sie wollen'“ orientiert. Zur Aufgabe von Entwicklern gehört es, fordert Meade, „zuallererst das Publikum zu unterhalten und zu inspirieren“ – jede andere (wirtschaftliche) Funktion müsse hinten angestellt werden.

25 Jahre ComputerBase!
Im Podcast erinnern sich Frank, Steffen und Jan daran, wie im Jahr 1999 alles begann.