NSA: Mehrere Millionen Fotos für digitale Gesichtserkennung

Andreas Frischholz
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Digitale Gesichtserkennung gewinnt bei den Überwachungsaktivitäten der NSA zunehmend an Bedeutung. Dabei werten die Programme Millionen von Fotos aus, die die NSA beim Anzapfen der globalen Datenströme erbeutet. Das berichtet die New York Times, der die entsprechenden Dokumente aus dem Fundus von Edward Snowden vorliegen.

Demnach hat die NSA in den letzten vier Jahren deutliche Fortschritte erzielt, um die alltägliche Flut an Fotos auszuwerten. Diese stammen aus E-Mails, Chat-Nachrichten, sozialen Netzwerken, SMS, Video-Konferenzen und weiteren Kommunikationsdiensten. Auf diese Weise sind bereits im Jahr 2011 mehrere „Millionen Bilder pro Tag“ angefallen, von denen 55.000 eine ausreichende Qualität für die Gesichtserkennungsprogramme hatten. Diese hätten für die NSA ein enormes, bis dato nicht genutztes Potential, um nachrichtendienstliche Ziele global zu entdecken.

Während der Geheimdienst sich früher noch auf schriftliche und mündliche Kommunikation fokussiert hat, vertritt man mittlerweile die Haltung, dass biometrische Merkmale wie Gesichtserkennung, Iris-Muster und Fingerabdrücke genauso nützlich sind, um Zielpersonen wie etwa Terroristen zu identifizieren. „Es ist nicht nur die traditionelle Kommunikation, hinter der wir her sind“, heißt es in einer NSA-Präsentation aus dem Jahr 2010. Stattdessen lautet das Ziel, sämtliche digitalen Spuren zu erfassen, die eine Zielperson bei ihren Online-Aktivitäten hinterlässt, um biographische Informationen mit biometrischen zu verknüpfen.

Digitale Identifikation: Biographische und biometrische Daten
Digitale Identifikation: Biographische und biometrische Daten (Bild: nytimes.com)

In diesem Zeitraum hatte die NSA laut einer internen Präsentation aus dem Jahr 2011 aber noch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. „Tundra Freeze“, das zentrale Gesichtserkennungsprogramm der NSA, sollte etwa einen jungen Mann mit Bart und dunklen Haaren identifizieren, fabrizierte bei 42 Resultaten zum Teil offensichtliche Fehler. So wurde etwa das Foto von einem Mann mittleren Alters als übereinstimmendes Ergebnis gewertet. Zu was die Software aber grundsätzlich in der Lage ist, verdeutlicht das Bild von einem jungen Mann mit Glatze, das einem anderen Foto von ihm erfolgreich zugeordnet werden konnte. Obwohl er auf dem zweiten Foto volles Haar hat, andere Klamotten trägt und sich in einer anderen Umgebung befindet.

Allerdings lässt sich nur schwer abschätzen, wie präzise die Programme heute arbeiten. Die NSA machte auf Anfrage der New York Times keine Angaben über den technologischen Fortschritten in den letzten Jahren. Bekannt ist allerdings, dass der Geheimdienst neben internen Programmen auch auf einige kommerzielle Lösungen setzt. Zu diesen soll auch die Gesichtserkennungstechnologie von dem Entwickler PittPatt zählen, der 2011 von Google aufgekauft wurde.

Bürgerrechtler besorgt über Fortschritte bei biometrischer Datenanalyse

Eine genaue Anzahl der Fotos, die in den Datenbanken der Gesichtserkennungsprogramme gespeichert sind, geht aus den Dokumenten allerdings nicht hervor. Ebenso wenig lässt sich beziffern, wie viele Personen erfasst wurden. Betroffene gibt es vermutlich weltweit, wenn ein Großteil der Fotos aus der globalen Datensammlung stammt. Laut New York Times soll sich die NSA darüber hinaus aber zusätzlich noch Zugriff auf ausländische Datenbanken mit Passagier- und Personalausweis-Daten verschafft haben, um die für Gesichtserkennungsprogramme relevanten Informationen abzugreifen.

US-Bürger sollen von der millionenfachen Bildersammlung nicht betroffen sein. Laut einem Sprecher des Geheimdienstes handele es sich bei den genutzten Fotos – aus juristischer Perspektive – um Kommunikationsinhalte. Die NSA benötigt rein rechtlich also eine richterliche Anordnung, wenn Fotos von US-Bürgern mit den Gesichtserkennungsprogrammen analysiert werden sollen.

Nichtsdestotrotz zeigen sich amerikanische Bürgerrechtler angesichts der nun enthüllten Dokumente besorgt. Die Regierung und der private Sektor investieren Milliarden US-Dollar in die Forschung und Entwicklung von Gesichtserkennungstechnologie, sagte Jennifer Lynch von der Electronic Frontier Foundation (EFF). „Die Regierung schreitet bei der Entwicklung von riesigen Gesichtserkennungsdatenbanken voran, während der private Sektor bei der präzisen Identifikation von Menschen unter den schwierigsten Bedingungen führend ist.“ Beide Seiten profitieren davon, dass in den USA nur wenige Grenzen für die Erfassung von biometrischen Daten existieren. Bislang habe der Kongress verpasst, die Datenschutzgesetze um einen ausdrücklichen Schutz von biometrischen Daten zu ergänzen, sagte der Senator Al Franken von den Demokraten.

NSA mit Vorsprung bei der biometrischen Gesichtserkennung

Die in den Dokumenten beschriebene Technologie geht deutlich weiter als die Webcam-Überwachung, die der britische GCHQ zusammen mit der NSA betreibt. Der Guardian hatte vor einigen Wochen enthüllt, dass der britische Geheimdienst Screenshots von den Webcam-Chats mehreren Millionen Yahoo-Nutzern erstellt. Die Bilderdatenbank soll ebenfalls zur Identifikation von Zielpersonen der Geheimdienste dienen. Allerdings hatte der GCHQ laut Guardian noch mit diversen Problemen zu kämpfen. Dazu zählt etwa, dass zahlreiche Bilder aus der Webcam-Überwachung explizite sexuelle Darstellungen der Nutzer zeigen und vom GCHQ herausgefiltert werden müssen.

Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) plant ebenfalls, bei der biometrischen Datenerfassung und -analyse aufzurüsten. Am Wochenende berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass bis 2019 4,5 Millionen Euro für ein Programm vorgesehen sind, das dem BND ermöglicht, biometrische Daten manipulieren zu können. Damit sollen unter anderem Agenten ihre Identität bei Auslandsreisen trotz biometrischer Kontrollen verschleiern können.