EU-Vorgaben: Neue Effizienz-Vorgaben für PCs im Detail

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Philip Pfab (+1)
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Die Probe aufs Exempel

Eine Stichprobe in vier große Elektronikmärkte zum 1. Juli 2014 (K+B Expert (Schwandorf), Conrad, Saturn und Media Markt (Regensburg)) zeigt: Die Datenblätter von PCs und Notebooks enthalten noch keine Angaben zur Leistungsaufnahme; selbst auf ausdrückliche Nachfrage waren keine Angaben zu erhalten. In den Online-Shops der Ketten sieht es nicht anders aus.

Notebooks bei K+B Expert: Nicht nur hier fehlen Angaben zum Energieverbrauch
Notebooks bei K+B Expert: Nicht nur hier fehlen Angaben zum Energieverbrauch

Kein Stück besser ist das Bild bei den großen Markenanbietern im Internet: Die von ComputerBase ausgewählten Computer von Acer, Atelco, CSL Computer, Dell, High-Tech, HP, Lenovo, Mifcom, One, Tarox, Ultraforce und Wortmann lassen die Angaben zum Stromverbrauch und die weiterführende Dokumentation vermissen. Auf Anfrage teilen Technik- und PR-Abteilungen zwar unisono mit, die neue Gesetzgebung pünktlich zu berücksichtigen, das Versprechen wird in der Praxis aber noch nicht gehalten. Lediglich Arlt (PDF) und Alternate (bei ausgewählten Systemen, z.B. PDF) stellen fristgerecht die erforderlichen Informationen bereit.

Komplett-PCs bei Conrad: Seit dem 1. Juli sollten sie Angaben zum Energieverbrauch tragen
Komplett-PCs bei Conrad: Seit dem 1. Juli sollten sie Angaben zum Energieverbrauch tragen

Fazit

Die neue EU-Verordnung ist ein weiterer Schritt, um den Stromverbrauch von Elektrogeräten zu reduzieren. Da sich die EU nicht der Leistungsaufnahme unter Last annimmt, haben Anwender grundsätzlich nicht mit Leistungseinbußen zu rechnen. Ein reduzierter Stromverbrauch dann, wenn keine Rechenleistung benötigt wird, schont hingegen Umwelt und Geldbeutel. Der Schritt ist sinnvoll.

Ineffiziente Netzteile werden durch die neue Richtlinie faktisch aus Komplettsystemen verbannt. Die großen, international bekannten Marken verwenden bereits seit längerem Netzteile, die die neuen Mindestanforderungen übertreffen. 82 bis 85 Prozent Mindestwirkungsgrad bei 230 Volt Eingangsspannung sind bei Marken-Netzteilen mittlerweile selbstverständlich – das zeigen die Netzteil-Tests von ComputerBase. Die oft auch als „China-Böller“ diffamierten Spannungswandler diverser Billiganbieter dürfen in fertigen Rechnern in Zukunft hingegen nicht mehr verbaut werden. Dass die EU auf formale Zertifikate für den Wirkungsgrad verzichtet, ist angesichts der Tücken im System 80Plus einerseits sinnvoll. Andererseits werden Hersteller und Händler auf genau diese Zertifikate verweisen, um die Einhaltung der neuen Gesetzgebung aufzuzeigen.

Die umfangreichen Dokumentationspflichten begünstigen größere Anbieter, die den zusätzlichen Aufwand besser schultern können. Immerhin bleibt den PC-Herstellern die Anschaffung teurer Messtechnik erspart: Für die Bestimmung der Leistungsaufnahme realer Rechner reichen in Anbetracht der großzügigen Toleranzgrenzen schon preiswerte Energiemessgeräte. Die Effizienz von Netzteilen ist bezüglich der Ausrüstung anspruchsvoller, muss aber nicht selbst bestimmt werden: Die Dokumentation des Herstellers und eventuell der Testreport einer unabhängigen Testorganisation sind ausreichend.

Für den Konsumenten stehen seit dem 1. Juli erstmals flächendeckend Informationen zur Leistungsaufnahme von Rechnern und Notebooks zur Verfügung. Der Energieverbrauch kann damit leichter als Entscheidungskriterium beim Computerkauf berücksichtigt werden – zumindest sobald die Dokumentationspflichten erfüllt werden. Trotz Inkrafttreten am 1. Juli sind die Angaben bei vielen Angeboten bisher nicht auffindbar.

Dass die Mindestanforderungen zum 1. Juli noch eher lasch sind und die Durchsetzung in der Praxis noch lückenhaft ist, scheint dem Gedankengang hinter der Verordnung zu entsprechen: Zuerst werden mit einem Minimal-Konsens erste Anforderungen spezifiziert, die nur die schlechtesten Geräte und damit einen winzigen Marktanteil betreffen. Anschließend werden sowohl die Kontrollen als auch die Grenzwerte Stück für Stück verschärft werden, um tatsächliche Energieeinsparungen zu erreichen. In der jetzigen Form sind die Vorteile für den Verbraucher überschaubar, andererseits entstehen aber keine nennenswerten Mehrkosten. Wie erfolgreich sich die Verordnung Nr. 617/2013 anfangs erweist, kommt darauf an, wie schnell Verstöße tatsächlich geahndet werden. Zumindest zu Beginn darf die effektive Durchsetzung in Frage gestellt werden.

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