Risen 3: Titan Lords im Test: Ein Rollenspiel nach alter Schule

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Sasan Abdi
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Abwechslungsreiche Spielwelt

Bei den Umgebungen bleibt Piranha Byte trotz lautstarker Kritik dem bisherigen Ansatz treu und belässt die Handlung in einem Inselreich. Wie bereits angedeutet gilt dabei: Eine Gilde, eine Insel.

Risen 3 im Test
Risen 3 im Test

Die Forderung nach einer durchgängigen, barrierefrei begehbaren Spielwelt wird also auch dieses Mal nicht erfüllt. Uns stört dies allerdings nicht, da die Unterteilung in Inseln immerhin dazu genutzt wird, möglichst abwechslungsreiche Umgebungen zu erschaffen.

Während wir uns bei den Eingeborenen und an der Krabbenküste bei Südsee-Flair durch dichtes Blattwerk schlagen und türkise Lagunen bestaunen, mutet die Insel der Magier mit Nadelhölzern eher wie der Harz an. Auf dem Eiland der Dämonenjäger ist es dagegen auch am Tage eher finster und auch die karge, felsige Landschaft lädt nicht unbedingt zum Verweilen ein. Zwischendurch verschlägt es den Spieler immer wieder in Höhlen und andere unterirdische Dungeons. Darüber hinaus wollen Episoden in der Schattenwelt gemeistert werden, was im wahrsten Sinne des Wortes eine weitere Dimension darstellt.

Natürlich kann auch bei diesem „Risen“ wieder diskutiert werden, ob eine kontinentale Spielwelt nicht vorteilhafter wäre. Ordentlich aber ist ohne Zweifel, wie alle Merkmale ineinandergreifen: Die Story bedingt die Fraktionen und umgekehrt, die Fraktionen bedingen die Quests und die Geografie. Wir können mit der Inselwelt von „Risen 3“ gut leben.

Etwas getrübt wird der positive Eindruck durch die ein oder andere atmosphärische Störung. Zu denen gehört in unseren Augen allen voran die Konzeption der Zentren: Selbst die größten Orte wirken eher klein und unbelebt, was auch daran liegt, dass die vorhandenen NPC meistens statisch an ihrem jeweiligen Standpunkt verweilen. In dieser Hinsicht hätten sich die Entwickler zum Beispiel etwas bei „Assassin's Creed“ abgucken können: Nein, es müssen nicht gleich pulsierende Metropolen her, aber etwas größer und belebter könnten die urbanen Zentren von „Risen 3“ doch allemal sein.

Bekanntes Charaktersystem

Wer das Charaktersystem aus den Vorgängern kennt, wird sich im Pendant von „Risen 3“ sofort zurechtfinden. Wie gehabt heißt die Hauptwährung zur Aufwertung „Ruhm“ und wird mit jeder Tat und jeder abgeschlossenen Quest unabhängig von anderen Belohnungen automatisch eingespielt.

Diese Ruhmpunkte können in acht Attribute investiert werden, die beispielsweise die Nahkampf- und Fernkampfeigenschaften, aber auch weniger auffällige Merkmale wie die Überzeugungsfähigkeit und die Geschicklichkeit beim Knacken von Truhen verbessern.

Risen 3 im Test
Risen 3 im Test

Darüber hinaus gibt es auch dieses Mal wieder jede Menge Talente, die gegen Bares und teilweise nur unter einer bestimmten Gildenzugehörigkeit erlernt werden können. Wirklich neu ist dabei, dass die Magie wieder stärkeren Einzug hält. So lassen sich jede Menge Angriffs-, Verteidigungs- und Heilzauber in die Nutzungsleiste ziehen, deren Effizienz wiederum von den Magiefähigkeiten des Helden abhängt.

Auf diesem Wege lässt sich der „Risen 3“-Held sehr individuell entwickeln, sodass der Spieler einen plumpen aber schlagkräftigen Recken, einen mächtigen Kampfmagier oder aber auch einen wortgewandten, geschmeidigen Dieb mit Schnapsbrenner-Qualitäten erschaffen kann.

Kampfsystem und KI

Die Stärkung der Magie hat auch Auswirkungen auf das beim Vorgänger zu Recht viel kritisierte Kampfsystem. Dieses wirkt in „Risen 3“ dynamischer: Der Held schleudert Wurfmesser und Dolche, malträtiert seine Gegner aus der Ferne mit Büchsen, Pistolen und Schrotflinten, attackiert im Nahkampf mit Degen, Äxten und Schwertern und lässt zwischendurch Schockwellen, Blitze und Eisregen auf seine Widersacher niedergehen.

Doch auch in anderer Hinsicht fällt das starre System des Vorgängers dynamischer aus. So ist es jetzt nicht mehr möglich, mit gedrückter rechter Maustaste stur alle Angriffe zu blocken: Verhält sich der Spieler derart defensiv, setzen die Gegner zu langsameren aber härteren Schlägen an, die jede Verteidigungshaltung durchbrechen können. Dafür kann der namenlose Recke Angriffen nun effektiv ausweichen, was im Extremfall zwar zu einiger hektischer Hechterei führt, dem Kampf aber die erdrückende Trägheit aus „Risen 2“ nimmt.

Risen 3 im Test
Risen 3 im Test

Insgesamt gefällt das neue System deutlich besser als das des Vorgängers. Dies liegt auch an der KI, die nicht nur auf den Stil des Spielers reagiert, sondern auch effektiv flankiert und vor allem verfolgt: Wer zu faul ist, sich an einem Strandabschnitt durchzukämpfen, wird minutenlang von allerlei Getier gehetzt werden. Etwas unsinnig ist dabei aber, dass die Kreaturen der Spielwelt überhaupt nicht aufeinander reagieren. In unserem Fall fielen wir mit unseren Verfolgern im Nacken bewusst in ein Kobold-Lager ein: Unsere Hoffnung, dass sich ein allgemeiner Kampf entwickeln würde, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: Plötzlich waren auch noch die Kobolde hinter unserem Helden her.

Gegenstände und Handwerk

Wer in den Kämpfen bestehen möchte, wird nicht umhin kommen, sich mit der Ausrüstung seines Helden auseinanderzusetzen. Diese findet sich am Wegesrand, an besonderen Orten, bei Händlern und als Belohnung bei den vielen Auftragsgebern. Die Klassen sind dabei enorm vielfältig: So sucht sich der Held Rüstungsteile zusammen, schielt beim Schmied auf Schwerter aller Art, kauft bei Voodoo-Experten Verwünschungszauber, sammelt am Wegesrand Pflanzen, nimmt getöteten Tieren Felle und Zähne ab und knackt auf der Suche nach Perlen Hunderte Muscheln.

Wer Zeit und Muße hat muss nicht zwingend Geld oder das Leben des Helden einsetzen, um an Gegenstände zu gelangen, denn natürlich darf auch bei „Risen 3“ das Handwerk nicht fehlen. So kann sich der Held auch hier zum Meisterschmied, zum Kristallexperten, zum Fuselbrenner oder zum Runen-Freak entwickeln. Selbst ist der Mann oder die Frau, wobei das „Crafting“ mit einer Ausnahme optional ist: Das Fleisch sollten sich wirklich alle regelmäßig am Lagerfeuer braten, da das so entstehende Proviant ein günstiges Mittel ist, um sich nach einem Kampf mit Lebenspunkten zu versorgen.

Stimmungsvolle Grafik

Auch an der technischen Umsetzung gibt es nichts zu beanstanden. Abgesehen von kleineren Ungereimtheiten wie Clippingfehlern und aufpoppenden Gegnern sind während des Tests keine nennenswerten Bugs aufgefallen. Systemabstürze und Performance-Probleme gibt es auch nicht zu beklagen, was in der ersten Verkaufsversion dieser Tage leider längst nicht mehr Normalzustand ist.

In puncto Performance gestaltet sich „Risen 3“ durchaus fordernd, sodass man tatsächlich die empfohlenen Systemanforderungen erfüllen sollte, um Spaß mit dem Spiel haben zu können. Extrem ist der Hardwarehunger aber nicht: Bei relativ hohen Details und in einer Auflösung von 1.920 × 1.080 lief der Titel auf unserem Testsystem überwiegend bei gut spielbaren 40 bis 60 Bildern pro Sekunde.

Entsprechende Hardware vorausgesetzt, wird der Spieler mit einer schönen, wenn auch nicht bahnbrechenden Inselwelt beglückt, die entscheidend zur guten Spielatmosphäre beiträgt. Dies gilt etwas eingeschränkter auch für die Vertonung: Hier trifft eine passende musikalische Untermalung auf eine hohe Variation bei der Güte der Sprecher, die bei den Hauptrollen von „den kenn ich doch!“ bis zu „Fehlbesetzung“ bei manchen Nebenrollen reicht. Außerdem stolpert man immer wieder über arg hölzerne Dialoge, die viel zu eindeutig darauf ausgelegt sind, dem Spieler etwas zu erklären und dabei nicht mehr authentisch wirken.

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