Digitalökonomie: Google zwischen Vorbild und Tyrann

Andreas Frischholz
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Digitalökonomie: Google zwischen Vorbild und Tyrann
Bild: bmwi.de

Die deutsche Debatte über die digitale Welt kreist seit geraumer Zeit um die Rolle von Internetriesen, wobei Google aufgrund der Marktmacht sowie dem großangelegten Sammeln und Auswerten von Nutzerdaten im Mittelpunkt steht. Diese Kritik hat nun Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) mit Google-Chairman Eric Schmidt diskutiert.

Einer der zentralen Punkte des Gesprächs war daher die Skepsis, die Google hierzulande entgegenschlägt. Nach Ansicht von Schmidt ist der Datenschutz einer der Gründe dafür. Generell würden die Daten von Nutzern schlecht geschützt werden, wie die zahlreichen Datenlecks verdeutlichen, die in den letzten Monaten und Jahren publik wurden. Nun würden die Nutzer befürchten, dass dasselbe auch bei Google passieren könnte – und sensible persönliche Informationen wie etwa Suchanfragen an die Öffentlichkeit gelangen.

Einen entscheidenden Beitrag zur europäischen Skepsis habe zudem die NSA-Überwachung geleistet. Die US-Geheimdienste hätten sich „skandalös“ verhalten und viel mehr Schaden angerichtet als Google und andere Internetdienste. Um Vertrauen zurückzugewinnen, fordert er von der US-Regierung eine Reform für die Überwachungsinfrastruktur der Geheimdienste. Google selbst habe – nachdem die Angriffe von NSA und GCHQ auf das Netz von Google bekannt wurden – eine starke Verschlüsselung implementiert.

Die NSA-Überwachung kritisiert Schmidt nicht zum ersten Mal. Bereits in der letzten Woche hatte er im Rahmen einer Podiumsdiskussion erklärt, angesichts der Ängste vor Überwachung drohe das „Internet zu zerbrechen“.

Gabriel: Von fehlender Transparenz und Datenschutz-Gütesiegeln

Gabriel begrüßte, dass Schmidt sich mit solchen deutlichen Aussagen zur Internet-Überwachung von den US-Geheimdiensten äußert. Die Skepsis gegenüber Google führt der Vizekanzler allerdings auf die fehlende Transparenz bei der Datenverarbeitung zurück. Mit Blick auf Google Glass sagte Gabriel: „Will ich auf einem öffentlichen Platz gefilmt werde?“ Solche Entscheidungen müsse jeder für sich selbst beantworten können.

Künftig soll das allerdings mit der EU-Datenschutzreform unterbunden werden. Um einen „gläsernen Nutzer“ zu verhindern, soll etwa die kommerzielle Nutzung von persönlichen Daten sowie die Erstellung von Verbraucherprofilen eingeschränkt werden. Zudem sollte die Datensouveränität bei den Nutzern liegen. Denn lange AGB und Datenschutzerklärung wären nicht geeignet, um Details zur Verarbeitung von persönlichen Daten aufzuzeigen.

Daher lautet einer der Vorschläge von Gabriel, ein Datenschutz-Gütesiegel einzuführen, das sich an bereits bekannten Gütesiegeln aus Bereichen wie Nahrung und Medizin orientieren. Demnach soll also bei Internetdiensten, Software und Apps vor der Veröffentlichung überprüft werden, wie diese mit den persönlichen Daten der Nutzer umgehen. „Vorbildliche Anbieter“ könnten dann mit einer Art digitaler Plakette ausgezeichnet werden, die Nutzern auf den ersten Blick zeigt: „Wir erstellen keine Profile“ oder „wir geben keine Daten weiter“.

Streit über das Auswerten von persönlichen Nutzerdaten

Ein weiterer Kritikpunkt ist laut Gabriel die gigantische Datenmenge, die von Google aggregiert werde. Dass diese ökonomisch relevant sei, sehe man laut Gabriel an der Übernahme von WhatsApp. Facebook habe trotz vergleichsweise geringen Umsätzen eine große Summe auf den Tisch gelegt, weil die Anzahl von WhatsApp-Nutzern einen entsprechend hohen Wert hätten, so Gabriel.

Solche Vorwürfe weist Schmidt zurück. Die Nutzer könnten bereits heute Informationen über sich löschen – etwa die Suchverläufe und die Video-Liste auf YouTube. Darüber hinaus bestreitet er erstaunlicherweise, dass Google auf die Datenberge angewiesen sei. Schmidt: „Man benötige keine Daten, um wettbewerbsfähig sein zu können.“ Google habe etwa Yahoo Ende der 90er Jahre aufgrund des besseren Algorithmus verdrängt.

Darüber hinaus verkaufe der Konzern keine persönlichen Daten wie Suchverläufe oder Inhalte von E-Mails an Werbekunden. Stattdessen berechne ein Algorithmus anhand von Stichwörtern, welche Werbung eingeblendet werde. Menschen würden diese Inhalte jedoch nicht zu Gesicht bekommen.

Doch diese Aussagen sorgten für Kritik aus dem Publikum. Google verweigere die Verantwortung für die Eingriffe in die Privatsphäre der Nutzer, indem der Konzern sich hinter dem Argument verstecke, statt Menschen würden die entsprechenden Informationen lediglich von Algorithmen ausgewertet, lautete ein Kommentar.

Marktmacht von Google

Ein zentrales Streitthema war erneut die Marktmacht von Google, da der Suchmaschinenanbieter allein in Deutschland einen Marktanteil von rund 90 Prozent erreicht. Gabriel verwies in diesem Kontext auf den Streit um das Leistungsschutzrecht und unterstützte die Argumentation der Verlage. Schmidt entgegnete, dass letztlich die Verlage entscheiden würden, ob und in welcher Form ihre Inhalte bei Google dargestellt werden.

Mit Bezug auf den Marktanteil erklärte er zudem, die Vorstellung sei falsch, dass Google praktisch der einzige Zugang zum Netz wäre. So würden etwa 70 Prozent der Bild-Online-Nutzer die Webseite direkt aufrufen. Und Nutzer, die einkaufen wollen, surfen direkt Amazon an und suchen dort.

Hinzu komme, dass die Nutzung des Internets durch mobile Geräte verändert werde, da Smartphone-Nutzer lieber Apps nutzen. Mittlerweile würden die meisten Suchen von mobilen Geräten ausgehen. Über den Desktop würden laut Schmidt nur noch 40 Prozent der Suchanfragen erfolgen. Zudem würden Smartphone-Nutzer sieben von acht Minuten beim Umgang mit ihren Geräten mit Apps verbringen. Und die meistgenutzt App sei nicht eine von Google, sondern Facebook.

Der Dialog von Gabriel und Schmidt erfolgte unter dem Motto „Freiheit, Innovation und Datensouveränität im digitalen Zeitalter“. Es ist das erste Gespräch aus einer Reihe, die das Wirtschaftsministerium mit weiteren Gästen fortsetzen will.

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