Oculus Rift DK 2 im Test: Die Zukunft ist hier und sie beeindruckt nachhaltig

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Andreas Schnäpp
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DK2: Status Quo & Ausblick

Wie ist es also aktuell um Virtual Reality gestellt? Welche Einschränkungen gehen Early Adopter ein, die sich trotz entsprechender Hinweise seitens Oculus als Nicht-Entwickler dennoch dafür entscheiden, das „Dev-Kit 2“ für 350 US-Dollar zu bestellen? Oder sollte lieber noch bis zur „Consumer-Version 1“ abgewartet werden – auch wenn die Länge der Wartezeit noch ungewiss ist?

Um die letzte Frage gleich vorwegzunehmen: Ja, definitiv! Das Oculus DK2 gewährt einen Blick in die Zukunft einer Plattform, die die Medienwelt revolutionieren wird. Wenn die Eindrücke auf den letzten Seiten etwas gezeigt haben sollten, dann dass Virtual Reality jetzt schon mehr ist als nur eine neue Form, Spiele zu konsumieren. Die Zukunft ist hier und beeindruckt nachhaltig. Allein deswegen wird VR so schnell nicht mehr wegzudenken sein, ABER: Bei all dem Lob sollte nicht verkannt werden, dass VR gerade noch in den Kinderschuhen steckt.

„Development Kit 2“: Wer jetzt kauft, kauft doppelt

So verlockend der Gedanke an den Kauf eine VR-Brille zum jetzigen Zeitpunkt auch wirken mag, das DK2 trägt seinen Namen völlig zu Recht. Es handelt sich um eine Plattform von Entwicklern für Entwickler – für normale Nutzer ist es, zumindest auf dem PC, noch zu früh.

Einerseits fehlt schlicht und ergreifend der Content. VR befindet sich noch mitten in der Entwicklung und die auf Hochglanz polierten Spielerlebnisse von heute lassen sich an einer Hand abzählen. Zwar tauchen jeden Tag neue VR-Demos im „Oculus-Share“-Portal auf, doch handelt es sich dabei meist um reine „Proof-of-Concept“-Demonstrationen, die nach dem ersten Mal des Selbsterlebens keinerlei Wiederspielwert haben. Doch gerade dies ist ein gutes Zeichen: Es zeigt, dass Entwickler an allen Fronten daran arbeiten, neue Erlebnisse zu gestalten. Je länger sie dazu die Möglichkeit haben, desto besser ist es für alle Beteiligten.

Andererseits sind es nicht nur VR-Demos, die noch mitten in der Entwicklung stecken. So gehörte auch unser Testsystem zu den „glücklichen“ Auserwählten, die sich nicht auf Anhieb mit der Oculus Runtime (v0.4.3.1-beta) vertragen haben. Nach der Neuinstallation der Software ließ sich der Grafikkartentreiber nicht mehr vom System ausführen, was letztendlich in einer Windows-7-Neuinstallation endete. Obwohl der Ursprung des Problems mittlerweile von anderen DK2-Nutzern auf Reddit ausfindig gemacht wurde, gehören Geschichten wie diese zu den erwarteten Kompromissen im Umgang mit Beta-Software.

Hinzu kommt, dass die im DK2 verbaute Hardware schon längst von weiter fortgeschrittenen Prototypen überholt wurde. Samsungs Gear VR nutzt bekanntlich ein Display mit 2.560 × 1.440 Bildpunkten. Der im September präsentierte „Crescent-Bay“-Prototyp nutzt ebenfalls ein höher aufgelöstes Display als das im DK2 verbaute Panel. Und es ist davon auszugehen, dass sowohl die Pixeldichte als auch die Bildwiederholrate bis zur Markteinführung noch weiter nach oben geschraubt werden – aus gutem Grund: Durch den geringen Abstand zum Auge und vergrößernden Linsen tritt der sogenannte Fliegengittereffekt (engl.: „screen-door effect“) auf.

Bei wenig Bildbewegung oder stillen Szenen lassen sich die einzelnen Pixel klar erkennen. Wäre dies ein rein optisch-ästhetischer Makel, ließe sich das noch verkraften. Bedingt dadurch, dass jedem Auge jedoch nur jeweils die Hälfte der 1.920 × 1.080 Bildpunkte im DK2 zur Verfügung stehen, macht sich dies insbesondere bei grafischen Details bemerkbar. In Elite: Dangerous wirkt die Beschriftung des Interfaces krisselig und lässt sich ausschließlich dann mehr oder weniger zuverlässig ablesen, wenn der eigene Oberkörper in Richtung des Interfaces gelehnt wird.

Im Fall von Assetto Corsa oder iRacing macht sich die niedrige Auflösung des Entwickler-Kits daran bemerkbar, dass Details in der Ferne verloren gehen. So ist das Lesen der Schilder mit Distanzangaben am Streckenrand unmöglich. Gleiches gilt für detaillierte Innenräume in Assetto Corsa, bei denen sich die Zahlen auf dem Tachometer oder Drehzahlmesser nicht zweifelsfrei erkennen lassen.

Spätestens, sobald die CV1-Variante der Oculus Rift vor der Tür steht, hat das DK2 ausgedient und ist auf die wenigen fertigen Spielerlebnisse beschränkt, die extra hierfür angepasst wurden. Hinzu kommen Verschleißteile wie die Schaumstoff-Polsterung und Linsen, die ab diesem Zeitpunkt nur noch schwer, wenn überhaupt, zu finden sein werden.

VR-Unterstützung ist nicht gleich VR-Unterstützung

Seit diesem Jahr bietet Steam neben einem Tag-System Entwicklern die Möglichkeit, ihre Spiele als VR-kompatibel zu kennzeichnen. VR-Enthusiasten, die sich ausschließlich auf diese Kennzeichnung verlassen, schauen jedoch möglicherweise nach dem Kauf in die Röhre. Viele Titel, die einst zum DK1 kompatibel waren, wurden noch nicht an das überarbeitete SDK des DK2 angepasst und laufen oftmals nicht oder nur eingeschränkt genießbar in Kombination mit dem DK2.

Sind Spiele oder VR-Demos mit dem DK2 kompatibel, gibt es je nach Titel große Unterschiede, wie diese in den VR-Modus versetzt werden. Im Fall von „AaaaaAAaaaAAAaaAAAAaAAAAA!!! for the Awesome“ oder iRacing kann vor beziehungsweise beim Spielstart ausgewählt werden, ob und wie der VR-Modus gestartet werden soll. Am bequemsten für Spieler ist dabei der „Direct-To-Rift“-Darstellungsmodus, wodurch sich das DK2 nur einschaltet, wenn ein Spiel darauf zugreifen will.

Aaaaaculus! VR Auswahl
Aaaaaculus! VR Auswahl
iRacing VR Auswahl
iRacing VR Auswahl
Elite Dangerous Grafikoptionen mit VR-Menü
Elite Dangerous Grafikoptionen mit VR-Menü

Die Alternative dazu ist der „Extended-Desktop“-Modus, bei dem das DK2 als zweite Anzeige eingebunden wird. Multi-Monitor-Nutzer haben in diesem Fall das Problem, dass sie ihren zweiten Monitor deaktivieren müssen, um das DK2 überhaupt nutzen zu können. Im Fall von Assetto Corsa, dessen VR-Implementierung noch in einem frühen Entwicklungsstadium ist, kommt erschwerend hinzu, dass der Launcher des Spiels sowie das Spiel selbst erst mittels Windows + Shift und Pfeiltasten auf die richtige Anzeige geschoben werden müssen, nachdem das DK2 im Grafikkartentreiber als primäre Anzeige eingestellt wurde. „Plug and Play“ ist anders.

Weiterhin sollte bedacht werden, dass VR im Gegensatz zum normalen Spielen mittels Monitor dem System einiges an Mehrleistung abverlangt. Um das VR-Erlebnis wirklich genießen zu können, ist es zwingend erforderlich, dass Spiele oder Anwendungen mit einer konstanten Bildwiederholrate laufen. Ruckler, Slowdowns oder Framerate-Einbrüche zerstören nicht nur das Gefühl der Immersion, weil sie viel stärker als auf herkömmlichen Monitoren auffallen, sondern sorgen im schlimmsten Fall auch dafür, dass dem Anwender übel wird. Um die erhöhten Anforderungen in den Griff zu bekommen, haben erste Hardware-Optimierungen zugunsten geringerer „Motion-to-Photon“-Latenz den Weg in Nvidias aktuelle Grafikkartengeneration gefunden.

Ausblick

Wohin die Entwicklung von Virtual Reality in den nächsten Jahren auch führen wird, eines ist sicher: Es bleibt spannend. Selten löste eine neue Technologie so viel Umschwung und frischen Wind im Hard- und Software-Markt aus, wie es die VR-Bewegung dank der Crowdfunding-Initialzündung in den letzten zwei Jahren tat. Ob und wie VR das Laufen lernt, hängt in erster Linie von einem Faktor ab: Der Zeit, die der virtuellen Realität zum Reifen gegeben wird. Potential ist jedenfalls in mehr als nur ausreichendem Maße vorhanden.

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