NSA-Untersuchungsausschuss: Eklat nach britischer Boykott-Drohung

Andreas Frischholz
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NSA-Untersuchungsausschuss: Eklat nach britischer Boykott-Drohung
Bild: photosteve101 | CC BY 2.0

Nach einer Boykott-Drohung des britischen Geheimdienst GCHQ wittern die Abgeordneten im NSA-Untersuchungsausschuss einen Eklat. Der Vorwurf lautet: Bundesregierung und Kanzleramt lassen bestimmte als geheim klassifizierte Informationen gezielt durchsickern, um den Ausschuss unter Druck zu setzen.

Zunächst war es der Focus, der am Donnerstagmorgen von den „ungewöhnlich angespannten Beziehungen“ zu den britischen Geheimdiensten berichtet hatte. Demnach wurden die Obleute der Parteien aus dem NSA-Ausschuss am Mittwochabend von BND-Präsident Gerhard Schindler und dem Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche gewarnt, dass künftig keine sensiblen Informationen an die Öffentlichkeit gelangen dürften. Ansonsten würden Partnerdienste wie der britische GCHQ die Zusammenarbeit mit den deutschen Sicherheitsbehörden einstellen.

Von der Drohung des GCGQ wäre in erster Linie der Austausch von relevanten Informationen zur Terror- und Spionageabwehr betroffen, heißt es im Bericht des Focus. Dabei zitiert das Blatt einen ranghohen Verfassungsschützer mit der Aussage: „Ohne die Infos der Briten aus der Funkaufklärung wären wir blind.

Der Grund für das angespannte Verhältnis sei demnach die Furcht des britischen Geheimdienstes, dass aufgrund der Ausschussarbeit streng geheime Dokumente über „Kryptologie und Einsatztechnik“ veröffentlicht werden könnten. Zudem dürfe eine „europaweite Überwachungsaktion aus dem Jahr 2013“ nicht gefährdet werden, die der BND zusammen mit dem GCHQ betreibt. Und die nach wie vor der Geheimhaltung unterliege, wie der Focus aus Berliner Sicherheitskreisen erfahren hat.

Abgeordnete wittern Falle

Das pikante ist nun: Von der Operation hatten die Abgeordneten bis dato keine Kenntnisse gehabt, dem NSA-Ausschuss würden auch keine entsprechenden Akten vorliegen. Schindler und Fritsche sollen diese Kooperation zwischen BND und GCHQ erstmals erwähnt haben – und zwar in „erstaunlicher Detailtiefe“, wie Teilnehmer laut der Süddeutschen Zeitung (SZ) berichtet haben. Ungewohnt sei zudem gewesen, dass es sich am Mittwochabend um eine – mehr oder weniger – halböffentliche Sitzung gehandelt habe. So waren etwa auch Mitarbeiter der Abgeordneten anwesend, die nicht der ansonsten erforderlichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen wurden.

Danach soll es laut dem SZ-Bericht am Mittwochabend zum Eklat gekommen sein. Die Ausschussmitglieder fühlten sich demnach von den Vertretern der Geheimdienste erneut unter Druck gesetzt. Und nachdem der geheime Inhalt der Sitzung bereits am folgenden Morgen vom Focus aufgegriffen wurde, regiert nun der Argwohn. Der Vorwurf von Seiten der Abgeordneten lautet: Die entsprechenden Informationen müssen vom Kanzleramt oder dem BND stammen. So soll die Arbeit des NSA-Ausschusses in Verruf gebracht werden. „Ich hätte nicht gedacht, dass unsere kühnen Vorstellungen so schnell Wirklichkeit werden“, zitiert die SZ einen namentlich nicht genannten Abgeordneten.

Im Laufe des Donnerstag hatten sich die Ausschussmitglieder beraten, wie man reagieren wolle. Das vorläufige Ergebnis ist ein Protestbrief an den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, den der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) verfassen soll. Öffentlich bemühte dieser sich zudem um Schadensbegrenzung. Im Interview mit Spiegel Online sagte Sensburg: „Ich als Ausschussvorsitzender hoffe, dass unsere Aufklärungsarbeit nicht eingeschränkt wird, auch wenn die Rolle der britischen Geheimdienste betroffen ist.

Kaum Informationen zur CIA-Kooperation

Derweil brachte die eigentliche Sitzung des NSA-Ausschusses nur wenig Neues zu Tage. Inhaltlich befasste diese sich mit der Operation „Glotaic“, bei der der BND zwischen 2003 und 2006 mit der CIA kooperiert haben soll. Das Ziel war es, die in Deutschland verlaufenden Leitungen von dem US-Netzbetreiber MCI anzuzapfen, um auf Telefon- und Faxdaten von Ausländern zugreifen zu können. Dabei wurden die in Dortmund abgefangenen Daten zur BND-Außenstelle in Rheinhausen geleitet und dort ausgewertet. Im Rahmen dieses Programms soll der BND jährlich mehrere hundert Meldungen an die CIA übermittelt haben.

Laut den befragten Zeugen vom BND sollen bei Gloataic weder Daten von deutschen noch von US-Bürgern erfasst worden sein. Zudem wäre sowohl beim Provider wie auch in Rheinhausen nur Technik des BND und keine Geräte aus dem Ausland eingesetzt worden. Die Mitglieder des NSA-Ausschuss hatten zuvor gefragt, ob Dienste wie etwa die NSA mittels manipulierter Hard- und Software die Möglichkeit hatten, im Rahmen der Kooperation auch deutsche Daten abzuschöpfen, ohne dass der BND es bemerken würde.

Auffällig ist allerdings, dass der BND die Leitungen von MCI nicht im Rahmen einer G10-Anordnung angezapft hatte, sondern – ähnlich wie bei Eikonal – auf Basis eines Vertrags. Ob dies heute noch möglich wäre, bezweifeln die BND-Zeugen aber zumindest in der öffentlichen Sitzung: „Vielleicht wäre das heute anders ausgegangen.“ So musste etwa die deutsche Telekom in den letzten Wochen Kritik einstecken, weil diese beim Eikonal-Programm mit dem BND kooperiert hatte.

Dass Gloataic im Jahr 2006 eingestellt wurde, lag laut dem BND-Zeugen an den enttäuschenden Resultaten. Demnach war „die Operation nicht so durchzuführen, (…) wie wir uns das gedacht hatten.“ Ansonsten wurden in der öffentlichen Sitzung nicht mehr allzu viele Details genannt. Da die Operation nach wie vor als streng geheim und hochsensibel eingestuft wird, wollte der BND-Zeuge nur hinter verschlossenen Türen nähere Angaben machen.

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