Verschlüsselung: Verfassungsschutz will Panzerschränke des Internets knacken

Andreas Frischholz
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Verschlüsselung: Verfassungsschutz will Panzerschränke des Internets knacken
Bild: Bundesamt für Verfassungsschutz

Nun fordert auch Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen, dass es Sicherheitsbehörden ermöglicht werden müsse, verschlüsselte Kommunikation zu knacken. „Was früher im Panzerschrank lag, wird heute kryptiert ins Netz gestellt“, sagte Maaßen im Interview mit der TAZ.

Demnach hätten alle deutschen Sicherheitsbehörden technisch einen erheblichen Nachholbedarf, da mittlerweile eine zunehmende Anzahl von Diensten und Anbietern dazu übergehe, verschlüsselte Kommunikationsdienste anzubieten. Damit werde es erschwert, den Austausch von Extremisten zu überwachen, weil diese ihr Kommunikationsverhalten seit den Snowden-Enthüllungen verändert hätten.

Mit seinen Aussagen bezieht sich Maaßen auf die Äußerungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Dieser hatte im Januar erklärt, dass Sicherheitsbehörden „unter strengen rechtsstaatlichen Voraussetzungen“ in der Lage sein müssen, „verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln“, und verglich diese Maßnahme mit einem herkömmlichen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung. Ähnlich äußert sich nun auch Maaßen. Demnach dürfe die Polizei „mit einem Durchsuchungsbeschluss in eine Wohnung hinein, nach Dingen suchen und einen Panzerschrank aufbrechen“. Im Internet sei dies nicht mehr möglich.

Netzaktivisten kritisieren erneut den Vorstoß der Sicherheitsbehörden. So erklärt Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC), in einem Beitrag auf Netzpolitik.org, dass der Vergleich mit der klassischen Wohnungsdurchsuchung hinke. Denn dabei handele es sich um „eine offene Maßnahme“, bei „der in der Regel Zeugen beiwohnen, die vor allem aber nicht dauerhafter Natur ist oder gar längere Zeit hinter dem Rücken des Durchsuchten stattfindet“. Mit dieser Begründung wurde bereits das Gesetz zu den Online-Durchsuchungen im Jahr 2008 vom Bundesverfassungsgericht gekippt.

Gelingt die Infiltration [mit einem Staatstrojaner, Anm. d. Red.], so bietet sie der Ermittlungsbehörde gegenüber herkömmlichen Ermittlungsmethoden mehrere Vorteile. Wegen der Heimlichkeit des Zugriffs ist der Betroffene, anders als etwa bei einer offen durchgeführten Wohnungsdurchsuchung, nicht für die Zukunft vorgewarnt.

Urteil vom Bundesverfassungsgericht

Darüber hinaus nimmt Kurz auch Bezug auf Maaßens Aussage, dass die islamistische Szene „dank Snowden“ den Vorteil von verschlüsselter Kommunikation begriffen hätte. Dies sei ein „neuerdings gern vorgebrachtes Argument, um sich generell gegen heute notwendige Maßnahmen beim Schutz vor Wirtschaftsspionage und gegen Überwachung bei privater und beruflicher Kommunikation auszusprechen“, so Kurz. Sie verweist darauf, dass es letztlich die Überwachungsinfrastruktur der Geheimdienste ist, die dazu geführt habe, dass Verschlüsselungen an Attraktivität gewonnen haben.

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