NSA-Ausschuss: BND liefert nicht sämtliche Dokumente

Andreas Frischholz
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NSA-Ausschuss: BND liefert nicht sämtliche Dokumente
Bild: Jorge from Brazil | CC BY 2.0

Die Abgeordneten aus dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags hatten es schon länger befürchtet, doch nun besteht Gewissheit: Der Bundesnachrichtendienst (BND) dem Gremium mehr als 130 Dokumente vorenthalten. Es war einer von mehreren Vorfällen, die den NSA-Ausschuss neben der eigentlichen Aufklärungsarbeit beschäftigten.

Der Akten-Vorfall ist für den BND besonders heikel. Denn es nährt den Verdacht, dass dem NSA-Ausschuss nicht alle relevanten Dokumente übermittelt werden, sondern bestimmte Informationen gezielt zurückgehalten werden. Dementsprechend spricht der SPD-Obmann Christian Flisek von einem „äußerst gravierenden Vorfall“. Deutlicher wird der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz, der gegenüber Spiegel Online erklärte: „Der BND stärkt seinen Ruf als unkontrollierbare Behörde. Ein Geheimdienst, der nicht kontrolliert werden kann, verliert aber seine rechtsstaatliche Legitimation.“ Der Vorfall sei ein „Zeichen für den mangelnden Aufklärungswillen“ des BND, der das Vertrauen untergräbt.

Dass dem Ausschuss nicht alle Akten vorliegen, war bei der Sitzung in der vergangenen Woche aufgefallen. Ein Zeuge aus der BND-Außenstelle in Rheinhausen hatte aus Dokumenten zitiert, die den Abgeordneten bis dato nicht vorlagen. Diese betreffen das Projekt „Glotaic“, bei dem der BND mit Hilfe der deutschen Tochter des US-Providers MCI zwischen 2003 und 2006 Telefon- und Faxdaten aus der internationalen Telekommunikation erfasst und in Kooperation mit der CIA ausgewertet hat.

Derweil spricht der BND nur von einem Versehen. Laut BND-Chef Gerhard Schindler handele es sich um einen „Weiterleitungsfehler“, für den er sich bei den Abgeordneten auch entschuldigt. Demnach sollen die entsprechenden Dokumente geprüft und dabei fälschlicherweise als nicht bedeutsam für den NSA-Ausschuss eingestuft worden sein. Laut einem Bericht von Zeit Online ist das die übliche Vorgehensweise: So habe Philipp Wolff von der „Projektgruppe Untersuchungsausschuss“ im Bundeskanzleramt erklärt, die Bundesregierung wähle aus, welche von den einzelnen Dienststellen übermittelten Dokumente für den NSA-Ausschuss relevant sind. Und im vorliegenden Fall sollen es lediglich vier Seiten aus einem dicken Aktenordner gewesen sein.

Das Problem ist nur: Sowohl der BND als auch die Bundesregierung haben dem Ausschuss gleichwohl eine „Vollständigkeitserklärung“ übermittelt. Daher stehen nun hinter „allen bisherigen Vollständigkeitserklärungen große Fragezeichen“, erklärte der SPD-Obmann Flisek. Der BND werde daher alle Vorgänge dieser Art nochmals einer „Sonderprüfung“ unterziehen. Vertreter von CDU/CSU sind mit diesen Vorgehen zufrieden, während der Grünen-Abgeordnete von Notz nur „mittelmäßig begeistert“ ist. Denn mit der Sonderprüfung werden innerhalb des BNDs Ressourcen beschäftigt, die eigentlich für die Ausschussarbeit veranschlagt sind. Derweil kündigte die Linken-Abgeordnete Martina Renner an, dass die Zeugenbefragungen zu „Glotaic“ und „Eikonal“ möglicherweise wiederholt werden müssten, falls die bislang nicht zugestellten Akten wesentliche Informationen zu diesen Operationen enthalten sollten.

Streit mit GCHQ vorerst beigelegt

Immerhin: Den Streit mit den britischen GCHQ konnte offenbar beigelegt werden. Vertreter der britischen Regierung hatten dem BND und der Bundesregierung gedroht, die Kooperationen weitestgehend einzustellen, wenn Dokumente über den GCHQ im NSA-Ausschuss landen. So will die britische Regierung offenbar verhindern, dass die Überwachungs- und Spionage-Programme des britischen Geheimdienstes thematisiert werden. Der Vorfall sorgte bereits Anfang Februar für Aufsehen, da die Mitglieder des NSA-Ausschusses den Verdacht hatten, es handele sich um eine Scharade von Bundesregierung und BND, um die Aufklärungsarbeit zu behindern.

Damit die Abgeordneten doch noch auf die entsprechenden Akten zugreifen können, hat man sich nun auf das sogenannte „Treptow-Verfahren“ geeinigt. Demnach sollen die vier Obleute der einzelnen Parteien die betreffenden Akten zunächst unter Aufsicht lesen und dann entscheiden, ob diese bei der Ausschussarbeit genutzt werden sollen. Benannt ist dieses Verfahren nach einer geheimdienstlichen Außenstelle in Berlin-Treptow, wo es im Rahmen des BND-Untersuchungsausschuss von 2006 bis 2009 erstmals genutzt wurde.

Eikonal nicht nur zur Terror-Abwehr

In den Hintergrund gerät dabei die eigentliche Aufklärungsarbeit. Als Zeuge wurde gestern der Brigadegeneral Dieter Urmann vorgeladen, der von Juni 2006 bis Mai 2008 Leiter der BND-Abteilung Technische Aufklärung war. Laut dem Live-Blog von Netzpolitik.org bestätigte Urmann nun erstmals öffentlich den Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Oktober 2014. Demnach ging es der NSA bei dem Eikonal-Programm nicht nur um die Terrorismus-Bekämpfung, sondern wollte den BND veranlassen, nach Informationen über EADS, Eurocopter und französische Behörden zu suchen.

Urmann erklärt zwar, dass die entsprechenden Suchbegriffe vom BND gelöscht wurden. Doch eine Anfrage an die NSA habe es deswegen nicht gegeben, da man mit der „üblichen Ausrede“ rechnete, es würde sich lediglich um ein Versehen handeln.

Darüber hinaus bestätigte Urmann, dass der Datenverkehr aus den Glasfaser-Leitungen der Deutschen Telekom im Rahmen des Eikonal-Programms zwar vollständig erfasst wurde, herausgefiltert wurden aber nur die Daten von deutschen und US-Bürgern. Dies erfolgte etwa anhand von IP-Adressen. Der Datenverkehr aus Staaten wie Frankreich, Polen und Belgien zählte derweil zu dem Routineverkehr, der vollständig an die NSA übermittelt, weil der US-Dienst vor allem an Rohdaten interessiert sei. Ob die NSA – neben der BND-Kooperation – einen direkten Zugang zu den Leitungen der Telekom hatte, wollte Urmann nicht ausschließen.

Eikonal und Glotaic sollen derweil nicht die einzigen Projekte gewesen sein, bei denen der BND mit einen ausländischen Partner wie etwa den US-Diensten zusammengearbeitet hat, um Datenleitungen anzuzapfen. Solche Operationen soll es auch mit Geheimdiensten aus anderen Staaten gegeben haben.