Quo Vadis 2015: „Gamergate hat unserer Sache geholfen“

Sasan Abdi
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Quo Vadis 2015: „Gamergate hat unserer Sache geholfen“
Bild: Quo Vadis

Wie könnte eine Paneldiskussion aussehen, die sich mit den Folgen von „Gamergate“ beschäftigt? Man könnte meinen: Reichlich divers. Schließlich ging und geht es bei der Diskussion mitunter genau darum: Um die (mangelhafte) Diversität in Videospielen und in der Branche.

Umso irritierender, dass für die entsprechende Diskussionsrunde auf der Quo Vadis 2015 ausschließlich (weiße) Frauen gewonnen werden konnten. Neben Kate Edwards von der International Game Developers Association nahmen auf dem Podium Sabine Hahn von der Universität Köln und die Beraterin Ruth Lemmen Platz. Bezeichnend war auf der anderen Seite aber auch die Struktur der Zuhörer: Männer suchte man ebenfalls fast vergebens.

Dabei versprach die Diskussion durchaus interessant zu werden, schließlich bietet die Thematik auch bald ein Jahr nach ihrer Entstehung zahlreiche Facetten. Da ist auf der einen Seite der Vorwurf bestimmter Spieler, wonach der Spielejournalismus durch eine Verschwörung von EntwicklernInnen mit allzu liberalen JournalistenInnen korrumpiert sei. Und da ist auf der andere Seite dieser liberale Teil, der die Vorwürfe als Instrument bezeichnet, mit dem Sexismus, Rassismus und das „typisch Männliche“ in Videospielen und der Branche erhalten werden sollen.

Kate Edwards
Kate Edwards (Bild: IGDA/Twitter)

Schon diese sehr grobe Gegenüberstellung der Standpunkte macht deutlich, wie viel Kontroverse in dem Thema steckt. Und damit auch, wie viele Facetten beleuchtet und diskutiert werden könnten. Man könnte zum Beispiel fragen, weshalb in einer potentiell modernen Unterhaltungsform wie Videospielen Sexismus und rassistische Stereotype nach wie vor verbreitet sind. Inwieweit dabei gesellschaftliche Normen reflektiert werden. Und wie sich dieser Umstand damit verträgt, dass immer mehr Frauen spielen, sich die typische Spieler-Zielgruppe der jungen, männlichen Gamer langsam in einem gesellschaftlichen Querschnitt auflöst.

Verengung auf einen Aspekt

Leider ließ das Panel all diese interessanten Aspekte außen vor. Stattdessen verlegten sich die Diskutantinnen darauf, ausschließlich die Situation der Frauen in der Branche zu thematisieren. Damit wurde die Diskussion auf einen von vielen relevanten Punkten verengt.

Doch wie ist es um die Situation der Frauen in der Spielebranche bestellt? Sie ist, da waren sich alle im Raum einig, nach wie vor schwierig. Belegt wurde der Eindruck anhand aktueller Zahlen, die von Entwicklervertreterin Edwards vorgetragen wurden. Demnach sind – einer Umfrage der Vereinigung zufolge – weltweit nur 22 Prozent der Entwickler weiblich. Darüber hinaus existieren nach wie vor frappierende Gehaltsunterschiede: Während ein männlicher Entwickler der Umfrage zufolge 2014 durchschnittlich etwa 85.000 Dollar im Jahr verdiente, waren es bei den Frauen nur 72.000 Dollar. Interessant auch die Ergebnisse einer Selbsteinschätzung: Als Grund dafür, dass die Spielebranche extern kritisch gesehen wird, nannten die befragten Entwickler am zweithäufigsten die mangelhafte Gleichbehandlung der Geschlechter.

Macho-Mentalität und mangelnde Flexibilität als Ursachen

Antworten auf die Frage nach den Ursachen für diese Zustände präsentierte Wissenschaftlerin Sabine Hahn, die selbst jahrelang in der Branche gearbeitet hat, zuletzt bei EA. Sie sieht neben einem grundsätzlichen Problem mit der männlich dominierten Mentalität der Branche vor allem strukturelle Gründe: Zu wenig Förderung, zu starre Arbeitszeiten, zu wenig Flexibilität, etwa dann, wenn die Frauen eine Babypause einlegten.

Allerdings sind diese Probleme bekannt. Sie wurden auch vor „Gamergate“ bereits identifiziert. Was also hat sich seitdem geändert? Erst am Ende der Diskussion wird diese zentrale Frage aufgeworfen. „Gamergate hat unserer Sache geholfen“, stellte Edwards dazu fest. Plötzlich sei all das, worüber seit Jahren nur in speziellen Kreisen geredet worden war, zur öffentlichen Agenda geworden. Und zwar über den Videospiel-Bereich hinaus.

Darüber hinaus werde plötzlich nicht mehr nur geredet, auch konkrete Aktivitäten seien nach „Gamergate“ in die Wege geleitet worden. Als Beispiel nannte Edwards Intel. Der Chip-Hersteller hatte nach einem kritischen Kommentar gegen die „Gamergate“-Spieler zunächst alle Werbeschaltung auf der Branchenseite Gamasutra eingestellt. Nach einem Sturm der Entrüstung war Intel dann aber zurückgerudert und hatte sich auf die andere Seite geschlagen: Während der Werbestopp zurückgenommen wurde, versprach CEO Brian Krzanich höchstselbst, dass sein Konzern in den kommenden fünf Jahren 300 Millionen Dollar für die Diversität in der Tech-Industrie einsetzen werde. Im Endeffekt, so Edwards, habe „Gamergate“ wegen Beispielen wie diesem über die Branchengrenzen hinweg ungewollt positiv gewirkt.

Diversität bezieht sich vor allem auf Frauen

So interessant diese Erkenntnis ist: Unter dem Strich blieb nach der Diskussion doch ein fader Beigeschmack. Und das nicht nur, weil viele spannende Perspektiven ausgeblendet blieben. Sondern auch, weil sich die Diskutanten selbst innerhalb des gewählten Bereiches auf einen einzigen Aspekt versteiften: Die Lage der Frauen. Dabei beinhaltet Diversität und Gleichbehandlung doch nicht nur die Geschlechter, sondern beispielsweise auch sexuelle Präferenzen und die Zugehörigkeit zu ethnischen Minderheiten.

Was die gängige Mentalität in der Branche und in ihren Produkten aber für Homosexuelle oder „People of Color“ bedeutet, blieb nahezu unerwähnt. Diversität und Gleichstellung, das wurde schnell klar, war für Edwards, Hahn und Lemmen vor allem aus einer Perspektive entscheidend: Aus Sicht der Frauen.

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