Windows 10 im Test: Die Zukunft von Windows mit klassischem Startmenü

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Jan-Frederik Timm (+7)
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Die neuen Funktionen

Neben der neuen Oberfläche bringt Windows 10 auch neue Funktionen und Programme mit sich. Die wesentlichen hat ComputerBase nachfolgend einem Test unterzogen.

Cortana

Die von Microsoft im Jahr 2013 für Windows Phone 8.1 vorgestellte Sprachassistentin Cortana ist mit Windows 10 erstmals auch auf dem Desktop präsent. Für Microsoft bedeutete das potentiell hunderte Millionen neuer Nutzer, deren Interaktion mit dem Dienst zur Weiterentwicklung des Algorithmus auch notwendig ist – mit Windows Phone 8.1 war die Basis sehr klein.

Cortana nach der Installation von Windows 10 direkt zu aktivieren, hat sich Microsoft allerdings nicht getraut. Der Nutzer muss den Dienst über die neue Suche in der Taskleiste erst anschalten, die Anmeldung mit einem Microsoft-Konto ist dafür Voraussetzung. Ist Cortana aktiviert, ersetzen ihre erweiterten Fähigkeiten die klassische Suche. Auf die Anrede „Hey, Cortana“ reagiert die Assistentin allerdings erst, wenn auch diese Funktion in den Einstellungen aktiviert worden ist.

Cortana ist als proaktive Assistentin ausgelegt, die wie Google Now (oder in Grundzügen mittlerweile auch Apple Siri) ihre Informationen zur Verfügung stellt, bevor der Nutzer manuell nach diesen Fragen muss. Hierfür verlangt Cortana gewisse Basisinformationen vom Nutzer, die vor der Nutzung aktiv preisgegeben werden müssen.

Cortana kann beispielsweise mitgeteilt werden, wo sich Arbeit und Zuhause befinden, was wichtige Nachrichtenthemen sind oder welche Hobbies der Nutzer verfolgt. So kann Cortana etwa morgens am Computer davor warnen, wenn die Verkehrssituation zu einem längeren Weg zur Arbeit führt oder hält für den Nutzer wichtige Nachrichten bereit. Cortana lernt wie andere Assistenten vom Verhalten des Nutzers und versucht, im Laufe der Nutzung immer relevantere Informationen zur Verfügung zu stellen.

Die Assistentin kann aber auch einfach als Informationszentrale fungieren oder Fragen des Nutzers beantworten. Cortana beantwortet typische Fragen wie solche nach dem Wetter, guten Restaurants in der Umgebung, welches Lied gerade läuft, was der Status eines Flugs ist oder wie der aktuelle Terminkalender aussieht. Natürlich nimmt Cortana auch Erinnerungen auf, trägt Termine ein, zeigt Nachrichten vom gewünschten Absender oder gibt eine Routenbeschreibung. Cortana schreibt aber auch E-Mails per Spracheingabe oder nimmt Einstellungen am eigenen System vor. So kann beispielsweise die WLAN-Verbindung des PCs an- und ausgeschaltet werden. All diese Informationen stehen dank eines Microsoft-Kontos systemübergreifend auf allen Endgeräten des Nutzers zur Verfügung, solange das hinterlegte Konto dasselbe ist. Eine Liste aller möglichen Befehle stellt Microsoft bereit.

Cortana-Klassifizierung in Premium und Standard
Cortana-Klassifizierung in Premium und Standard (Bild: Microsoft)

Damit Cortana auf dem Endgerät gut funktioniert, stellt Microsoft gewisse Anforderungen an die Hardware, die aber nicht sonderlich hoch sind. Microsoft zeigt in den Anforderungen auf, welchen Aufbau von zwei bis acht Mikrofonen Hersteller in ihren Geräten verbauen können und welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit die Klassifizierung in die beiden Klassen Standard und Premium erfolgen kann. Die Zertifizierung hat dabei keinen Einfluss auf das allgemeine Windows Certification Program. Um das Gütesiegel Premium zu erhalten, muss das Gerät jeden Test mit den jeweiligen Konditionen für Premium entsprechen. Ein Premium-Endgerät sollte dazu in der Lage, die Stimme des Nutzers häufiger, aus größerer Entfernung und unter schwierigeren Bedingungen, wie etwa bei starken Umgebungsgeräuschen, korrekt zu erkennen. Außerdem werden an die verbauten Mikrofone qualitativ höhere Standards gestellt. Zu nennen ist hier etwa das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR).

Im Test zeigt sich Cortana in der Tat wählerisch, was die Wahl des Mikrofons anbelangt. Auf dem Notebook Asus N550J wurden auch deutlich ausgesprochene Anfragen wiederholt nicht erkannt, auf einem Desktop-PC mit Tischmikrofon hingegen schon. Der Mehrwert der Assistentin unterscheidet sich von Nutzer zu Nutzer. Anwender, die Cortana nichts abgewinnen können, sollten die Funktion deaktiviert lassen um die mit dem Dienst verbundene Datenerhebung zu umgehen.

Edge

Microsoft lief bei der Entwicklung des Internet Explorers jahrelang der Konkurrenz hinterher. Firefox, Chrome und Safari konnten mit Eigenschaften wie der Geschwindigkeit, Sicherheit, Nutzbarkeit, Erweiterbarkeit und der Unterstützung für mehr Webstandards Endanwender und Entwickler gleichermaßen zum Umstieg bewegen. Kein Wunder, schließlich hatte Microsoft von 2001 bis 2005 die Entwicklung des Internet Explorers eingestellt und dessen Entwicklungsteam aufgelöst.

Die von 2006 bis 2013 veröffentlichten Versionen IE 7 bis IE 11 konnten den Rückgang der Marktanteile lediglich verlangsamen. Und auch Windows Phone litt insbesondere anfangs darunter, dass für Microsofts Smartphone-Plattform kein guter Browser existierte. Mit dem neuen Browser Edge wagt Microsoft in Windows 10 einen Neuanfang.

Genau wie Chrome und Firefox ist auch Edge ein „Evergreen“-Browser, der per automatischem Update nicht nur Sicherheitsupdates sondern auch Korrekturen für fehlerhaft implementierte Webstandards und ganz neue Features erhalten wird. Vorausgesetzt, dieses automatische Update funktioniert zuverlässig, werden Entwickler also mittelfristig nicht mehr zahlreiche Workarounds für Fehler in alten Microsoft-Browsern mitschleppen, oder Nutzer sich über fehlerhaft dargestellte Websites ärgern müssen.

Auch technisch ist Edge ein Neuanfang. Zwar hat Microsoft den Browser nicht auf der grünen Wiese neu entwickelt, aber veraltete Technologien wie ActiveX, Silverlight und andere Eigenheiten des Internet Explorers rigoros entfernt, die Entwickler-Tools verbessert und die Unterstützung für Webstandards deutlich erweitert. Um von Websites keinen IE-spezifischen Code mehr ausgeliefert zu bekommen, sondern so behandelt zu werden wie andere moderne Browser, gibt sich Edge via User-Agent-Header als alles mögliche aus – nur nicht mehr als Internet Explorer.

Mozilla/5.0 (Windows NT 10.0; Win64; x64) AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko) Chrome/42.0.2311.135 Safari/537.36 Edge/12.10240

Mit einem dunklen Theme für die Abend- und Nachtstunden zum direkten Zugriff in den Einstellungen und der Möglichkeit, Websites mit „handschriftlichen“ Notizen zu versehen zeigt sich Edge auch bei der Benutzeroberfläche auf der Höhe der Zeit. Im Test stürzte der Browser allerdings sporadisch ab, wenn eine mit einer Notiz versehene Website in OneNote, als Favorit oder in den Lesezeichen abgelegt werden sollte.

Auch die Adressleiste, die in einem neuen Browserfenster mit dem grauen Hintergrund verschmilzt und so nicht direkt sichtbar ist, überzeugt im aktuellen Build noch nicht – es bedarf zudem zwei Klicks, um eine URL eintragen zu können. Zaghaft zeigt sich in Edge noch die Integration von Cortana. Die Assistentin kann zwar auf den Browser zugreifen, im Browser selbst beschränkt sich der Zusatznutzen aber auf die Möglichkeit, Texte zu markieren und über ein Kontext-Menü weitere Informationen von Cortana am linken Bildschirmrand anzeigen zu lassen.

Dafür ist die Geschwindigkeit des Browsers hoch und auch Darstellungsprobleme mit Websites waren nicht zu beobachten. In den gängigen Benchmarks ist Edge deutlich schneller als der Internet Explorer 11 und deutlich mehr Funktionen von HTML5 werden bereits unterstützt – Chrome, Opera und Firefox bleiben hier allerdings führend. Edge ist dafür der erste Browser für Desktop-PCs, der die Adobe-Flash-Alternative HTTP Live Streaming (HLS) unterstützt. Adobe Flash selbst lässt sich über „Einstellungen -> Erweiterte Einstellungen anzeigen“ leicht abschalten.

Benchmark Edge IE 11 FF 39 Chrome 43 Opera 30
Oort Online 0.2.2 (WebGL) 6.470 2.660 8.900 9.070 9490
Kraken 1.1 (JavaScript) 1.646 2.856 1.776 1.727 1.748
Octane 2.0 (JavaScript) 24.233 11.586 21.424 22.430 22.554
HTML5test 402 348 467 526 525
HTTP Live Streaming (HLS) Ja Nein Nein Nein Nein
Angaben in Punkten

Reichen Microsofts Anstrengungen aus, um verlorene Nutzer zurückzugewinnen? In den Statistiken von ComputerBase kommt der Internet Explorer im Monatsmittel nur noch bei rund 11 Prozent der Seitenabrufe zum Einsatz – nach 95 Prozent im Jahr 2001 und 20 Prozent im Jahr 2009. Einige ComputerBase-Leser, die bereits eine Vorabversion von Windows 10 nutzen, geben Edge einer Stichprobe zufolge bereits eine Chance: Letzten Donnerstag verwendeten unter Windows 10 rund 20 Prozent einen Browser von Microsoft, unter Windows 7 und Windows 8.1 lag der Anteil mit 15 Prozent niedriger.

Dabei dürften vor allem versierte Anwender an der Vorschau von Windows 10 teilgenommen haben. Anwender, die wissen, wie sie einen alternativen Browser einsetzen – und das mit aufwendig gepflegten Alternativen bereits seit Jahren tun. Diese Anwender wird Microsoft nur mit einem sehr guten Gesamtpaket vom Wechsel zurück überzeugen können.

Bei weniger versierten Anwendern bedient sich Microsoft hingegen auch einer fragwürdigen Anpassung an der Verwaltung des Standardbrowsers in Windows 10. Das beginnt schon damit, dass Edge nach dem Update zuerst als Standardanwendung gesetzt ist. Aber auch die Art und Weise, wie andere Browser diesen Platz einnehmen können, ist neu.

Unter Windows 10 dürfen alternative Browser sich nach Zustimmung des Nutzers nicht mehr selbst als Standardanwendung definieren, diesen Vorgang muss der Anwender jetzt selbst in die Hand nehmen. Noch am Dienstag mussten Anwender hierfür den Hinweisen auf einem Popup folgen, wobei der bildschirmfüllende Hinweis den Eindruck erweckte, erst weggeklickt werden zu müssen, bevor die Einstellungen aufgerufen werden können. Einen Tag vor Veröffentlichung von Windows 10 hat Microsoft hier aber offensichtlich noch einmal eingegriffen. Unabhängig davon, in welchem Browser in den Einstellungen „zum Standardbrowser werden“ geklickt wird, springt Windows 10 jetzt direkt in die Einstellungen. Dort müssen Anwender – allerdings ohne weitere Erklärung, warum sie dort hin gekommen sind – dann den alternativen Browser zum Standard machen.

Zuerst gab es nur einen Hinweis, jetzt spring Windows 10 direkt in die Einstellungen
Zuerst gab es nur einen Hinweis, jetzt spring Windows 10 direkt in die Einstellungen

Nicht verabschiedet hat sich Microsoft auch in den Versionen von Windows 10 für Endanwender vom Internet Explorer 11. Er ist, in Unternehmen in erster Linie aus Gründen der Kompatibilität mit eigenen Anwendungen, weiterhin mit von der Partie.

Dass es Edge auch für ältere Versionen von Windows geben wird, hat Microsoft bisher nicht offiziell ausgeschlossen. Nicht nur die Vermarktung des Browsers als eine der wesentlichen Neuigkeiten von Windows 10 spricht allerdings dagegen, es gibt auch einen technischen Grund: Edge ist eine Universal App.