Windows 10 im Test: Die Zukunft von Windows mit klassischem Startmenü

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Jan-Frederik Timm (+7)
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Universelle Apps

Nicht nur Windows 10 soll auf allen Geräteklassen laufen, auch universelle Anwendungen werden es in Zukunft. Sie sind für das Windows-Ökosystem die größte Neuerung, ihr Erfolg hängt allerdings vom Erfolg der Tablets und Smartphones mit Windows 10 ab – oder anders herum?

Universelle Apps ermöglichen es Entwicklern, ein Programm für alle Geräteklassen zu schreiben – und nicht mehr eine Anwendung für Desktop-PCs und eine für Smartphones. Bei Windows (Phone) 8.1 war es bereits möglich, ein und dasselbe Projekt für Desktop und Smartphone zu kompilieren, mit Windows 10 (Mobile) ist dieselbe Anwendung jetzt aber wirklich dieselbe und hat auf allen Systemen ein garantiertes Set an APIs zur Hand – einzelne Geräteklassen wie Smartphones oder die Xbox garantieren auf jedem Gerät der Klasse weitere APIs, auf die sich Entwickler verlassen können. Microsoft nennt die neue Basis zur Programmierung geräteübergreifender Anwendungen Universal Windows Platform (UWP).

Anwendern bieten universelle Apps prinzipiell den Vorteil, geräteunabhängig immer dieselbe Anwendung zu sein – mit denselben Funktionen, nur anders verpackt. Denn wie beim responsiven Webdesign passt sich die Benutzeroberfläche der universellen Apps im Optimalfall den jeweiligen Gegebenheiten an. Verantwortlich ist die Funktion Adaptive UX, die es in Windows 8.1 auch noch nicht gab.

An ersten universellen Anwendungen wie Karten, Kalender oder Mail kann dieses Verhalten auf einem Full-HD-Monitor einfach nachvollzogen werden, indem das Fenster einer Anwendung vom Vollbildmodus immer kleiner und schmaler gezogen wird, bis die Abmessungen eines 9:16-Smartphone-Diplays nachempfunden werden. Nicht simuliert werden kann dabei allerdings die Funktion der API Contracts, die die Hardware des Gerätes, auf dem die universelle App läuft, genauer analysiert – so sollen Apps auch erkennen können, ob ein Smartphones über Hardware-Tasten verfügt. Möglicherweise ist das auch der Grund, warum die universellen Apps Edge oder Office for Windows 10 auf Desktop-PCs nicht in die Smartphone-Ansicht wechseln.

Erste universelle Anwendungen zeigen dieselben Eigenschaften wie Websites, die sich dynamisch an das jeweilige Endgerät und dessen Bildschirm anpassen: Die Bedienelemente sind in der Regel etwas größer, Flächen statt Worte prägen das Bild - so wie es bei den Modern-UI-Apps, die auch für Tablets gedacht waren, schon seit Windows 8 der Fall war. Bei Office for Windows 10 spricht Microsoft von einer „für die Touch-Bedienung optimierte Nutzererfahrung über alle Devices“.

Universelle Anwendungen werden über den neuen Windows Store vertrieben, der nur Endgeräten mit Windows 10 (Mobile) zur Verfügung steht. Zurzeit fällt es allerdings noch schwer, entsprechende Anwendungen zu finden. Es gibt keine gesonderte Kategorie und besonders gekennzeichnet sind sie auch nicht. Microsoft war auch auf Nachfrage nicht in der Lage, eine Liste der bisher veröffentlichten universellen Apps bereitzustellen.

DirectX 12

Die vierte wesentliche Neuerung in Windows 10 ist keine Anwendung, sie betrifft die API DirectX. Mit DirectX 12 hat Microsoft die API sechs Jahre nach der Veröffentlichung von DirectX 11 mit Windows 7 endlich der schon lange überfälligen Sanierung unterzogen.

Mit DirectX 12 behebt Microsoft die größte Schwachstelle von DirectX 11: Deren Unfähigkeit, moderne Mehr-Kern-Prozessoren auszunutzen. Das Resultat: Moderne Grafikkarten könnten mehr Bilder pro Sekunde berechnen, wenn nur der Prozessor hinterher kommen würde. Wie viel Potential in einer derart optimierten Alternative zu DirectX 11 steckt, hat AMD seit Anfang 2014 mit Mantle mehrfach bewiesen.

Die Ineffizienz der aktuellen API hat allerdings nicht nur weniger Bilder pro Sekunde zur Folge, Spiele könnten mit einer effizienteren Fassung auch deutlich detaillierter ausfallen. Um zu verhindern, dass DirectX 11 zum Flaschenhals auf dem Prozessor wird, müssen Spieleentwickler aktuell vermeiden, dass eine Szene mehr als 10.000 Zeichenaufrufe (Draw Calls) der API vom Prozessor an die Grafikkarte erforderlich macht. Sind es mehr, wird die auf Ein-Kern-CPUs ausgelegte API „verstopft“.

Der Draw-Call-Feature Testa aus dem aktuellen 3DMark
Der Draw-Call-Feature Testa aus dem aktuellen 3DMark

Mit DirectX 12 ist es möglich, die auf der CPU anfallenden Rechenaufgaben effizienter auf mehrere Threads und Kerne zu verteilen, so dass 100.000 Draw Calls und mehr möglich werden. Spiele auf Basis von DirectX 12 können damit potentiell deutlich komplexere Szenen abbilden als Titel unter DirectX 11. Bereits im März konnte ComputerBase auf Basis eines neuen Feature-Test im 3DMark zeigen, dass hinter den großen Worten in der Tat handfeste Ergebnisse stecken: Mit DirectX 12 sollten auf den meisten Systemen sogar mehr Draw Calls möglich sein als mit AMD Mantle. Aktuelle Benchmarks mit neuen Treibern folgen in Kürze auf ComputerBase.

3DMark
3DMark – Intel Core i7-4770K
  • Nvidia GeForce GTX 980:
    • DirectX 11 Single-Threading
      1.256.833
    • DirectX 11 Multi-Threading
      2.233.612
    • DirectX 12
      13.708.701
  • AMD Radeon R9 290X:
    • DirectX 11 Single-Threading
      954.375
    • DirectX 11 Multi-Threading
      919.726
    • DirectX 12
      17.050.386
    • Mantle
      15.170.112
  • Integrierte Intel-Grafik:
    • DirectX 11 Single-Threading
      563.994
    • DirectX 11 Multi-Threading
      646.845
    • DirectX 12
      1.436.422
Einheit: Draw Calls/s

Weil die effizientere Funktionsweise von DirectX 12 eine reine Software-Eigenschaft ist, wird sie von allen Grafikkarten unterstützt, die bereits mit DirectX 11 umgehen konnten. Ab der AMD Radeon HD 7000 beziehungsweise GeForce GTX 400 (mit einer Ausnahme) werden alle Grafikkarten beziehungsweise Systeme von dieser Eigenschaft profitieren können. Bei Intels integrierten Grafikeinheiten ist dies ab Haswell der Fall.

Diese diskreten Grafikkarten und iGPUs unterstützen DirectX 12
Modell Architektur „Unterstützt“
DirectX 12
mit Feature-Level
Grafikkarten von AMD
Radeon-HD-6000-Serie,
Radeon R5 210, 220, 230, 235(X)
TeraScale nein
Radeon-HD-7000-Serie,
Radeon R7 240, 250(X/E), 265,
Radeon R9 270(X), 280(X)
GCN 1.0 ja 11_1
Radeon HD 7790,
Radeon R7 260(X), 360, 370,
Radeon R9 290(X), 295X2, 390(X)
GCN 1.1 ja 12_0
Radeon R9 285,
Radeon R9 380,
Radeon R9 Nano,
Radeon R9 Fury (X)
GCN 1.2 Ja 12_0
APUs von AMD
Trinity / Richland TeraScale nein
Kaveri GCN 1.1 ja 12_0
Carrizo(-L) GCN 1.2 ja 12_0
Kabini / Temash GCN 1.1 ja 12_0
Beema / Mullins GCN 1.1 ja 12_0
Grafikkarten von Nvidia
GeForce-300-Serie Tesla nein -
GeForce-400-Serie Fermi ja 11_0
GeForce 405 Tesla nein -
GeForce-GTX-500-Serie Fermi ja 11_0
GeForce-GTX-600-Serie Fermi, Kepler ja 11_0
GeForce-GTX-700-Serie Fermi, Kepler, Maxwell 1.0 ja 11_0
GeForce-GTX-900-Serie Maxwell 2.0 ja 12_1
Integrierte Grafikkarten von Intel
Core i7/i5/i3 3xxx,
Pentium G2xxx,
Celeron G16xx
Ivy Bridge nein
Core i7/i5/i3 4xxx,
Pentium G3xxx,
Celeron G18xx
Haswell ja 11_1
Core i7/i5/i3/M 5xxx Broadwell ja 11_1

DirectX 12 ist jedoch nicht nur ein Software-Update, es gibt auch neue Funktionen, die von der GPU in Hardware unterstützt werden müssen. DirectX 12 kann mit den altbekannten Feature-Level (FL) 11_0 sowie FL 11_1 umgehen. Neu hinzu gekommen sind FL 12_0 sowie FL 12_1. FL 12_1 wird aktuell nur von Nvidias Maxwell-2.0-GPUs unterstützt, FL 12_0 dafür von den meisten GCN-Grafikkarten, das von Nvidias Kepler nicht geboten wird.

Übersichtlich ist die Einordnung in FL 12_0 und FL 12_1 unter DirectX 12 allerdings nicht. Denn auch wenn eine GPU wie Maxwell 2.0 das Feature-Level 12_1 unterstützt, heißt das nicht, dass damit alle Features von DirectX 12 unterstützt werden. Es gibt auch optionale Fähigkeiten, die nicht in den Feature-Levels integriert sind. Eines davon ist Resource Binding, durch das spezielle Datenströme besser beschleunigt werden. Resource Binding gibt es wiederum in drei Ausbaustufen, sogenannten Tiers. Und während AMD-GPUs den vollen Tier 3 unterstützen, ermöglichen Nvidias Konkurrenzprodukte nur Tier 2 – trotz besserer Feature-Level-Unterstützung. Keine aktuelle GPU unterstützt DirectX 12 vollständig.

Inwiefern das ein Problem ist, lässt sich aktuell noch nicht abschätzen, denn der 3DMark ist bisher die einzige Anwendung, die die neue API nutzt – und der Benchmark testet einzig und allein den effizienteren Aufbau. Das wird aller Voraussicht nach auch die Neuerung sein, auf die sich Spieleentwickler stürzen werden, wenn gegen Ende des Jahres mehr Spiele die API nutzen. Den Anfang bei Spielen mit DirectX 12 dürfte noch diese Woche der Titel Ashes of the Singularity machen. AMD sieht – wenig Überraschend – keinen Nachteil aus dem Verzicht auf FL 12_1, auch weil die aktuellen Konsolen mit GPUs des Hersteller maximal mit FL 12_0 umgehen können.

Was die API selbst anbelangt, steht einer schnellen Verbreitung von DirectX 12 bei Spielern nicht viel im Weg. Die Unterstützung der vielen Grafikkarten auf der Software-Seite und die kostenlose Verteilung von Windows 10 als Update für Windows 7 und Windows 8.1 tragen dazu bei.

Windows Hello

Im Bereich Sicherheit bietet Windows 10 zwei auch für den Privatanwender relevante Neuerungen, die auch kombiniert werden können. Die Rede ist von Windows Hello und Microsoft Passport (nicht zu verwechseln mit dem Microsoft Account, der in der Vergangenheit unter anderem eine Zeit lang Microsoft Passport hieß).

Windows Hello ist der in Windows 10 integrierte Biometrie-Dienst, der die Anmeldung am Computer ohne Passwort ermöglicht. Grundsätzlich unterstützt der Dienst drei Anmeldevarianten: Die Erkennung des Gesichts oder der Iris mit Hilfe spezieller Kameras sowie Fingerabdrücke. Nutzbar sind alle drei Varianten in Ermangelung der nötigen Hardware bei den meisten aktuellen Systemen zum Start von Windows 10 aber nur von wenigen Nutzern.

Bei Geräten, die bereits über einen Fingerabdruck-Sensor verfügen, lässt sich dieser auch für die Anmeldung über Windows Hello nutzen. Für die Gesichtserkennung mit automatischem Login reicht eine normale Kamera dagegen nicht aus. Windows Hello erfordert eine Kamera, die zusätzlich zum normalen Kamerasensor auch noch eine Infrarot-Lichtquelle und einen Infrarot-Sensor für Temperatur- und Tiefeninformationen besitzt, wie beispielsweise die Intel RealSense 3D Camera (F200), die aktuell als einzige für Hello zertifiziert ist. Die zusätzlichen Informationen erhöhen die Sicherheit bei der Gesichtserkennung und verhindern ein einfaches Austricksen des Systems – einfach ein Foto vor die Kamera halten, funktioniert hier nicht.

Eine solche Kamera ist jedoch alles andere als Standardware und deutlich teurer als die Webcams, die Hersteller sonst verbauen. Die F200 wird aktuell auch nur in einigen wenigen Notebooks und All-in-One-PCs verbaut. Als externe Kamera ist sie zudem aktuell nur für Entwickler erhältlich.

Notebooks mit Intel RealSense 3D Camera (F200):

  • Acer Aspire V 17 Nitro (17 Zoll)
  • Asus N551JQ (15 Zoll)
  • Asus RoG G771JM (17 Zoll)
  • Asus X751LD (17 Zoll)
  • Dell Inspiron 15 5548 (15 Zoll)
  • HP Envy 15t Touch RealSense Laptop
  • LaVie Hybrid Advance HA850/AAS (15 Zoll)*
  • LaVie Note Standard NS850/AAB (15 Zoll)*
  • Lenovo ThinkPad E550 (15 Zoll)
  • Lenovo ThinkPad Yoga 15 (15 Zoll)

All-in-One-PCs mit Intel RealSense 3D Camera (F200):

  • Dell Inspiron 23 Zoll 7000
  • Fujitsu Esprimo WH77/S*
  • HP Sprout |
  • LaVie Desk All-in-One DA970/AAB (23 Zoll)*
  • Lenovo B5030

*Exklusiv in Japan

Wer direkt zum Launch einen neuen Computer mit Windows 10 kauft, wird Hello aus diesem Grund in der Regel nicht nutzen können – es fehlt schlicht die nötige Hardware. Neue Computer, die mehr auf die Fähigkeiten von Windows 10 ausgelegt sind, werden zur IFA 2015 im September erwartet. Dann dürfte auch das Thema Windows Hello eine prominentere Rolle einnehmen.

Das volle Potenzial kann Hello aber erst im Zusammenspiel mit Microsoft Passport ausspielen, das sich grundsätzlich auch mit einer PIN statt einer biometrischen Authentifizierung nutzen lässt. Microsoft bezeichnet Passport als Programmiersystem zum sicheren Anmelden bei Anwendungen, Unternehmensinhalten und Online-Diensten, das eine höhere Sicherheit als ein Passwort bieten soll. Dahinter verbirgt sich ein asymmetrisches Kryptosystem, das mit öffentlichen und privaten Schlüsseln arbeitet und darauf verzichtet, auf Servern ein Passwort zu speichern. Passport basiert auf FIDO 2.0 (Fast IDentity Online) und verspricht daher, in Zukunft bei einer zunehmenden Zahl von Diensten als Authentifizierungsmethode nutzbar zu sein.

Derzeit arbeitet Passport mit dem Microsoft Account sowie Anwendungen, die Azure Active Directory nutzen, zusammen. Die Authentisierung erfolgt bei Passport durch die Hardware, bei der sich der Nutzer zuvor – biometrisch oder per PIN – verifizieren muss. Vom Trusted Platform Module eines Gerätes werden bei der ersten Anmeldung ein öffentlicher und ein privater Schlüssel erzeugt, wobei letzterer nur lokal auf dem Gerät gespeichert ist und der öffentliche Schlüssel bei Azure AD beziehungsweise dem Microsoft Account registriert wird.

Will der Nutzer sich bei einem Dienst anmelden, schickt das Gerät eine Anfrage an den Authentifizierungsdienst und erhält dann einen Einmal-Schlüssel, der lokal mit dem privaten Schlüssel signiert und zusammen mit einer bei der Anmeldung generierten Key ID zurückgeschickt wird. Ist der Abgleich mit dem öffentlichen Schlüssel positiv, erhält man einen Authentifizierungs-Token und ist angemeldet. Der Vorteil des Ganzen: Weder wird ein Passwort auf den Servern gespeichert, noch muss eines übertragen werden. Es kann also auch nicht von Hackern erbeutet werden.