Forza 6 (XBO) im Test: Vorzeige-Rennspiel kriegt die Kurve

Max Doll
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Forza 6 (XBO) im Test: Vorzeige-Rennspiel kriegt die Kurve
Bild: Turn 10

Vorwort

Nicht immer sind es nur die angekündigten und beworbenen Features, die die Qualität eines Spiels positiv beeinflussen. So auch im Falle von Forza Motorsport 6, dessen wichtigste Neuerungen die Nacht- und Regenrennen, die Simulation von Pfützen und das neue Cover-Car, der in offiziellem Material penetrant präsente Ford GT, sein sollen. Tatsächlich machen jedoch weder diese Dinge noch die neuen Modifikatoren Forza 6 zu einem rundum gelungenen Spiel. Pfeiler des Erfolgs ist vielmehr die Rückbesinnung auf das Grundgerüst der exklusiv auf der Xbox beheimateten Serie, das zuletzt mit dem fünften Ableger der Reihe etwas aus dem Blick und den Fugen geraten war.

Gewohnt spaßige Pistenduelle

Unangetastet stark bleibt auch im sechsten Teil der Serie der Forza-Kern: Hochkarätige Strecken und zahlreiche leistungsstarke Fahrzeuge mit plausiblem Fahrverhalten, das sich mit zahlreichen Fahrhilfen ganz nach eigenem Geschmack zwischen Arcade und Simulation trimmen lässt, sind ein seit Jahren bewährtes Gerüst, das seine Wirkung weiterhin nicht verfehlt. Profis haben dabei wie gewohnt die Möglichkeit zum umfangreichen Tuning von Set-up sowie von Leistung und Aussehen des Fahrzeugs. Sowohl Designs als auch Set-ups können dabei aus älteren Teilen der Reihe sowie dem Arcade-Ableger Forza Horizon 2 übernommen werden – eine schöne Komfortfunktion, die den Wechsel auf die aktuelle Generation erleichtert.

Der Wechsel ist in diesem Fall ein Schritt, der sich eindeutig lohnt, da Turn 10 schon im Bereich Strecken mehr als doppelt so viel Auswahl bietet, als es der Vorgänger zum Start vermochte. Ermüdungserscheinungen nach ein paar Spielstunden wird so effektiv entgegengewirkt, schließlich erreicht der Titel mit 26 Pisten mühelos die dafür nötige kritische Masse. Besonders unterhaltsam lässt sich der neue (fiktive) Stadtkurs durch Rio de Janeiro mit schnelleren Fahrzeugen bis hin zum Indycar unter die Räder nehmen. Durch enge Gassen, steile Kurven und eine hügelige Piste an der Grenze des Grips zu rasen, vermittelt im Zusammenspiel mit dem abermals verfeinerten Fahrmodell genau das richtige Gefühl scheinbar wahnwitziger Geschwindigkeit eines Ritts auf der Kanonenkugel. Wie Turn 10 Unebenheiten und Querdynamik mit einer Mischung aus visueller Darstellung und präzisem Force-Feedback einfängt, beeindruckt.

Dass Pistenduelle mit 23 Gegnern in 1.080p bei 60 FPS ausgetragen werden können, trägt ohne Frage zum Unterhaltungswert bei. Sich durch das angewachsene Fahrerfeld zu pflügen, unterhält durch die „Drivatar“ genannte KI, der man lediglich vorwerfen muss, zu „sichtbar“ zu fahren: Der Erstplatzierte fährt teilweise in wenigen Geraden massiven Vorsprung heraus, um eine Aufholjagd zu ermöglichen – wobei nach erfolgreichem Überholmanöver die Rundenzeiten plötzlich um mehrere Sekunden reduziert werden dürfen. Nur gelegentlich droht Gefahr von hinten, wenn das Spiel der KI kurzzeitig auch hier für einen einzelnen Angriff einen Leistungsschub verpasst.

Auch die Grüppchenbildung in Kurven sowie die spontane Temporeduzierung muss sich die künstliche Intelligenz weiter ankreiden lassen. Böse Zungen dürfen weiterhin behaupten, dass derartig erratisches Verhalten der wahre Grund für die Einführung der Rückspulfunktion ist, die tatsächlich Frust mindert. Trotz dieser Kritikpunkte liefert Turn 10 weiterhin die besten Simulationsgegner im Genre, weil die Pappkameraden erfolgreich menscheln. Sie fahren Kampflinie, machen (auch seltsame) Fehler, greifen an, vor allem aber fahren sie nicht statisch wie auf einer Schnur stets auf derselben Spur. Die „aggressiven“ Fahrtechniken abzuschalten, ist nun zwar möglich, aber nicht empfehlenswert. Gerade diese Eigenheiten verleihen den Drivataren ihren Reiz. Noch immer sollten einigermaßen begabte Spieler aber mindestens auf der Schwierigkeitsstufe „Experte“ einsteigen, um nicht auch im Rückwärtsgang gewinnen zu können: Das Einstiegsniveau gerät fast schon lachhaft niedrig.

Dies gilt bedingt auch online. Der Mehrspielermodus mit Ligensystem und Matchmaking funktioniert zwar zum Start bereits trotz Warnungen vor geringer Netzwerkgeschwindigkeit gut, lässt aber abseits von Klasse und Renntyp Filteroptionen vermissen. So ist es zwar möglich, mit Freunden in eigenen Lobbys zu fahren, nicht aber nach Fahrhilfen oder Eingabegerät sortieren zu lassen. Gegen Lenkrad-Profis oder Pistenrüpel zu verlieren, erheitert wenig. Hier muss Turn 10 eindeutig nachbessern.

Dass nun erstmals bei Nacht gefahren werden darf, ist da mehr eine atmosphärische Randnotiz, die nur auf den nicht beleuchteten Strecken von echter Bedeutung ist. Anders die erstmals wählbaren Witterungsbedingungen. Zwar bietet Turn 10 noch immer keine dynamischen Wetterverhältnisse an, geht aber mit der Simulation von Pfützen über das im Genre bislang Gebotene deutlich hinaus. Huckelige Pisten mit Spurrillen weisen eine Vielzahl kleiner und großer Wasserlachen auf, die je nach Tiefe und Position zu Vorsicht bei der Linienwahl zwingen – es droht Aquaplaning, was ganz nebenbei hervorragend nass und nicht nur feucht auszusehen weiß, sofern die vereinfachte Tropfendarstellung auf der Windschutzscheibe nicht berücksichtigt wird. Dass Regen nur auf bestimmten Strecken, also nicht als Feature, sondern nur als Szenario, angeboten wird, bleibt so nicht negativ in Erinnerung. Für das nächste Forza darf Turn 10 aber auch hier noch einmal nachlegen.

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