NSA-Ausschuss: BND hätte auch EU-Kommissar Oettinger überwachen können

Andreas Frischholz
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NSA-Ausschuss: BND hätte auch EU-Kommissar Oettinger überwachen können
Bild: Carsten | CC BY 2.0

Der Bundesnachrichtendienst (BND) kann nicht ausschließen, dass die NSA nach wie vor Suchbegriffe übermittelt, die europäische Ziele im Visier haben. Immerhin: Die Kontrollen wurden mittlerweile verbessert. Denn vor dem Jahr 2013 hätte der BND sogar EU-Kommissar Oettinger für die NSA ausspionieren können.

Kontrollverlust beim BND

Die parlamentarische Sommerpause ist vorüber, der NSA-Ausschuss des Bundestags hat nun die Arbeit wieder aufgenommen. Nach wie vor versuchen die Abgeordneten aufzuklären, wie schludrig der Bundesnachrichtendienst (BND) mit den Suchbegriffen umgegangen ist, die die NSA übermittelt hat. Es geht also immer noch um die Zusammenarbeit von BND und NSA in der Abhörstation im bayerischen Bad Aibling, die eigentlich den Nahen und Mittleren Osten überwachen soll. Und wie zuvor schon BND-Chef Gerhard Schindler musste nun auch ein Techniker des Geheimdienstes öffentlich eingestehen: Möglicherweise wurden nicht alle europäischen Ziele erkannt, die sich unter den NSA-Selektoren befunden haben. Bei diesen soll es sich in erster Linie um E-Mail-Adressen und Mobilfunknummern handeln, die der BND als Suchbegriffe in die eigenen Überwachungssysteme einspeist.

Ich denke, dass meine Kontrolle nicht zu hundert Prozent gegriffen hat“, erklärte nun der BND-Mitarbeiter, der seit 2005 für die Prüfung der NSA-Selektoren zuständig ist. Demnach habe er sich im Herbst 2013 gewundert, dass er damals kontrollieren sollte, ob sich unter den NSA-Selektoren auch europäische Ziele befinden. Bis dato waren nicht einmal die Länder-Kennungen von europäischen E-Mail-Adressen wie etwa „fr“ für Frankreich, „it“ für Italien und „eu“ für die Europäische Union systematisch deaktiviert worden. Was im Klartext bedeutet. Wenn sich etwa EU-Kommissar Günther Oettinger vor dem Jahr 2013 im Nahen und Mittler Osten aufgehalten hat, ist es durchaus denkbar, dass er von Bad Aibling aus überwacht wurde.

Selbst wenn der BND mittlerweile wachsamer ist: Ausschließen lässt sich nicht, dass nach wie vor europäische Ziele von dem deutsch-amerikanischen Überwachungsprogramm erfasst werden.

BND-Techniker haben der NSA vertraut

Eines der Kernprobleme bei der Kooperation war offenbar: Die BND-Techniker haben sich schlicht darauf verlassen, dass die NSA keine illegalen Suchbegriffe übermittelt. Dieses Vertrauen stammt aus der Anfangszeit der Zusammenarbeit. So erklärt ein weiterer BND-Zeuge, der bis 2014 für die technische Aufklärung verantwortlich war: In der Anfangszeit der Zusammenarbeit habe es längere Diskussionen mit der NSA gegeben, um zu klären, welche Suchbegriffe rechtlich zulässig sind. Diese Absprachen dauerten demnach solange, dass die ersten Selektoren von der NSA erst im Jahr 2005 übermittelt wurden.

Ende 2005 entdeckte ein BND-Mitarbeiter aber bereits, dass einige der Suchbegriffe nicht dem eigentlichen Überwachungsauftrag entsprachen, sondern auf die französischen Luftfahrtkonzerne EADS und Eurocopter abzielten. Beim BND hat man das aber offenkundig als Lappalie abgetan und die entsprechenden Suchbegriffe einfach deaktiviert. Es sei ein Versehen der NSA gewesen, das sich auf einen „Fehler in deren Prozess“ zurückführen lasse, so der BND-Zeuge. Zumal er diesen Fund auch als Ausnahme beschreibt, danach sei nichts Vergleichbares mehr aufgefallen. Der Haken an der Sache: Der BND hat „aber auch nicht danach gesucht“.

Wie groß das Vertrauen war, zeigt sich an der Tiefe der Kooperation. Bis 2012 waren NSA-Mitarbeiter in Bad Aibling stationiert. Und in dieser Zeit hatten diese auch direkten Zugang zu den BND-Systemen. Allerdings geht der für die Selektoren zuständige BND-Techniker nicht davon aus, dass NSA-Mitarbeiter im Nachhinein nochmals die Einstufung einzelner Selektoren korrigiert haben. Das wäre bei nachträglichen Überprüfungen im BND-Hauptquartier in Pullach aufgefallen.

Warum ist dann der BND auf zahlreiche fragwürdige Suchbegriffe gestoßen, als die Selektorenliste im August 2013 – unter dem Eindruck der Snowden-Enthüllungen – nochmals genauer geprüft wurde?

Eine interessante Erklärung liefert der für die Technische Aufklärung verantwortliche BND-Zeuge: Das liege am Abzug der NSA aus Bad Aibling im Jahr 2012. Danach hätten die Kontrollen der Selektorenliste „möglicherweise an Effizienz“ eingebüßt. Dennoch gehe er nicht davon aus, dass BND-Spionage gegen europäische Ziele tatsächlich Erkenntnisse gebracht habe, die für die NSA relevant waren. Begründet wird das mit der Datenmenge, die von Bad Aibling aus überwacht wird – insgesamt gehe es um 200 Nachrichtensatelliten und 100.000 Kommunikationskanäle. Da müssten die Dienste dann Prioritäten setzen – und die Spionage gegen europäische Ziele zähle nicht dazu.