Def. Komplexität

Wader22

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Hey,

ich habe hier die Definition von Komplexität in der Wikipedia, werde aber nicht ganz schlau draus:

Komplexität bezeichnet allgemein die Eigenschaft eines Systems oder Modells, dessen Gesamtverhalten man selbst dann nicht eindeutig beschreiben kann, wenn man vollständige Informationen über seine Einzelkomponenten und ihre Wechselwirkungen besitzt.

Wie passt das damit zusammen, dass wir grundsätzlich davon ausgehen, dass wir in einer deterministischen Welt leben, bzw. Determinismus als Methode postulieren, um Wissenschaft überhaupt betreiben zu können? Eindeutig sind beispielsweise manche biologischen Systeme oder Programme in der Informatik komplex, aber stets doch deterministisch und nicht zufällig oder willkürlich. Warum besagt die Definition dann, dass keine Eindeutigkeit möglich ist? Soweit ich weiß, ist in einem deterministischen System jeder Folgezustand vorhersagbar, sofern man alle bisherigen Zustände kennt. Retrospektiv stimmt das nicht, aber das spielt für die Definition hier keine Rolle.

Würde mich über Auflärung freuen! Danke.
 
OK, die Quantenmechanik habe ich jetzt mal außen vor gelassen. Meine nächste Frage wäre gewesen, ob nun Zerfallsprozesse objektiv zufällig sind. Ich beziehe mich in meiner Frage eher auf makroskopische komplexe Systeme. Ich denke nicht, dass die Quantenmechanik in der alltäglichen Informatik eine Rolle spielt. Auch das Wetter, das ja ein komplexes System ist, werden wir nicht als quantenmechanisch irgendwie abhängig ansehen, oder?

Und zum Münzwurf: das ist kein Beispiel für die Frage, da ein Münzwurf laut der klassischen Physik streng deterministisch ist. Wenn ich sämtliche Kräfte kenne, die während des Münzwurfes auf die Münze einwirken, kann ich immer korrekt vorhersagen, ob Kopf oder Zahl erscheint. Theoretisch zumindest.
 
Wader22 schrieb:

Dann erweitere mal den Münzwurf um den Faktor Umwelt. In einer sterilen Umgebung ist alles möglich. Interessant wird es, wenn Einflußfaktoren mit Störfaktoren interagieren.

Nimm zwei Elektroden. Versorge diese mit einer hohen Spannung. Sorge für einen Überschlag. Spannung, Strom, ja selbst die Beschaffenheit der Umgebungsluft kannst Du messen. Dennoch wirst Du nicht vorhersagen können, welche Form/welchen Weg der Überschlag nimmt. In diesem Falle ist es eine Frage der Übersicht. Du kannst zwar alle möglichen Formen, Farben und Wege vorab berechnen, der tatsächliche Verlauf jedoch erscheint schlichtweg als zufällig: Ein kleines Staubkorn vielleicht, das plötzlich im Weg war und von den Messinstrumenten nicht erfasst wurde, ein Molekül, das leicht abdriftete, ein winziger Temperaturunterschied, und schon sieht das Ergebnis anders aus als die Wahrscheinlichkeit.

Auch Deine Münze kann herunterfallen und in den nächsten Graben rollen, dort im Schlamm versinken und somit sowohl Kopf als auch Zahl und doch keines von beiden oben liegen.

Komplexe Systeme sind interaktive, sich ändernde Systeme mit mehr als einer Störgröße und mehr als einer Rückführgröße.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator: (überflüssiges Zitat entfernt!)
Natürlich ist dein Einwand in der Realität völlig richtig, wir können nicht alles beliebig genau messen. Aber dennoch ist mir die Definition nicht klar, denn diese postuliert ja, dass das Ergebnis auch dann nicht eindeutig ist, falls man vollständige Informationen besitzt. Insofern scheint es andere Faktoren zu geben, die eben in komplexen Systemen wirksam sind. Oder ist die Definition schlichtweg schlecht? Zu dem Thema ist es sehr viele Definitionen und die Wikipedia weist auch darauf hin, dass es eigentlich keine mustergültige Definition gibt.
 
Die Definition ist schlichtweg menschlich. Ich bin mir ziemlich sicher, daß Du bei unserem Lichtbogenexperiment schlichtweg das Staubkörnchen übersehen hast und auch das Eichhörnchen nicht bemerkt hast, was sich spontan entschlossen hat, zwischen die Elektroden zu hüpfen.
Der Faktor Mensch ebenso wie Kollege Zufall haben beide einen entscheidenden Einfluß auf die Vorhersagbarkeit eines Ergebnisses. Wenn Du alle Faktoren kannst und sie uneingeschränkt regelst, erst dann hast Du eine eindeutige Vorhersagbarkeit.
Allerdings hast Du dann auch kein komplexes System mehr, sondern ein vollständig bestimmtes, man könnte sogar sagen, binäres System: Jede Veränderung nur eines Faktors hat auch nur ein bestimmtes Ergebnis zur Folge.
Vollständige Kontrolle kannst Du aber nur mit sehr viel Disziplin in Deiner eigenen Gedankenwelt schaffen, realistisch hast Du stets Faktoren, die Du nicht kontrollieren kannst oder die Dir nicht bekannt sind, oder die Du schlichtweg übersehen hast.
Deswegen ist bei Messungen z.B. auch immer eine Fehlerbetrachtung eines der wichtigsten Teile der Messreihe.

Wie viele Leute fahren bei Glatteis immer noch mit Sommerreifen, obwohl sie wissen, daß das eine weniger gute Idee ist?

Bedenke, daß meine Beispiele so simpel wie möglich und stets aus dem Alltag gegriffen sind, um besseres Verständnis zu fördern. Da aber auch ich ein Mensch und die Beispiele nur Vergleiche sind, mußt Du weit über diese Beispiele hinaus denken und mit Hilfe Deiner Kristallkugel den Sinn hinter meinen Aussagen selber finden, was nicht immer ganz leicht ist. Wenn ich von meinem Küchentisch rede, sieht das Bild, das sich vor Deinem geistigen Auge bildet, weit anders aus, als das, was ich vor Augen habe. Das reale Wesen "Twostones Küchentisch" ist noch umfangreicher und mag auch meinem eigenen, geistigen Bilde widersprechen in manchem Punkte.

Ersetze "Komplexität" mit den Begriffen "Umfang", "Menge", "Störgröße", "Messgröße", "Rückführgröße" und logischen Verknüpfungen zwischen den Worten, und vielleicht erahnst Du eine mögliche Deutung Wikipedias Aussage. Nichts ist eindeutig, Worte erst recht nicht. Es gibt schon einen Grund, warum Einführungen in die höhere Mathematik mit dem Beweis von "1+1=2" beginnen.
 
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