Meinungsfreiheit ohne denken? Sind Tabus nötig? Wird die Gesellschaft wortkarg/arm?

Hmmm. Also ich glaube dir das mit deinen Bekannten - und beglückwünsche dich zu diesen. Meiner Erfahrung nach besteht ein Großteil der Menschen aus passiven Hohlkörpern, die meist gar keine Meinung haben - und wenn doch, dann ist sie sehr uninformiert. Dabei meine ich gar nicht mal komplizierte Sachen, sondern da geht es z.B. darum wie hoch ein Mindestlohn sein müßte. Die Leute wissen nicht wie es in anderen Ländern damit aussieht, aber brüllen sofort los "Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze". Da fass' ich mir an den Kopf.
Ich bilde mir meine Meinung durch den logischen Zusammenschluss von Fakten aus unterschiedlichen Quellen

Und genau da muss ich ansetzen. "Fakten" müssen nicht stimmen, nur weil sie in einer Fülle und in unterschiedlichen Quellen aufgeführt sind. Während der Diskussion hier haben wir auch festgestellt, dass man zu jeder Meinung sicherlich auch Belege und Fakten finden kann. Es gibt aber nunmal falsifizierbare Fakten und es gibt "Informationen", die aber wiederum nur Auslegungssache sind.

Dazu mehrere Beispiele:
Wenn jemand sagt: "Ich bin Gläubig, und ich bin laut der Bibel dazu verpflichtet, dass ich Ungläubige steinige." Dann mag dieser jemand durchaus Recht haben, wenn er einige Bibelstellen zitiert, die seine Meinung belegen. Es kann auch jemand anders geben, der sagt: "Aber du darfst niemanden töten." Das wiederum belegt dieser jemand seinerseits mit Zitaten aus der Bibel.
Es haben demnach beide Recht, was aber scheinbar keiner der beiden jemals sagen würde ist: Wenn wir beide Recht haben, dann stimmt die Bibel nicht!

Das lässt sich dann auf Vieles im Alltag übernehmen, auch hier kann man Quellen nennen, Zitate bringen, aber Fakten müssen das nicht sein.

Weiteres Beispiel: Die Evolutionstheorie. Sie ist ein belegter Fakt, nicht bloß eine Theorie. Ob es sie bei jedem Tier, in jedem Stadium (die Entwicklung des Einzellers) hin gab, das mag fraglich sein, wie weit man das definiert. Aber die Theorie als solche ist ein Fakt. Würde jemand eine Meinung gegen diesen Fakt aufzählen, kann das durchaus seine Meinung sein. Sie ist aber falsch. Nicht nur subjektiv, auch objektiv und inhaltlich. Das macht andere Meinungen nicht richtig, aber diese macht sie eindeutig falsch.

Daher ist die Frage: Woher bekommt man überhaupt Fakten? Nicht Informationen, welche wieder anders gedeutet werden können. Sondern Fakten. Da sind selbst Dokumentationen, Nachrichtensendungen, Radiomeldungen, Bücher und alle anderen Medien sowie Menschen gleich. Es ist zwar möglich nur Fakten mitzuteilen, aber sie werden zu Informationen gemacht und "verschönert". Dadurch verändert man aber den Fakt in ein "Auslegungssache". Es ist daher sehr schwierig überhaupt erst an Fakten zu kommen...

@Godde
Hitman ich mache das genauso wie du, wobei ich noch die moralisch/ethische Ebene dazu nehme. Die Moral hat durchaus großen Einfluß auf meine Meinung, selbst wenn sie Fakten gegenüber stünde, die nicht zu entkräften sind.
Die Moral und Ethikebene nehme ich nicht dazu, weil die sich im Laufe der Zeit verändert hat. Die, die wir jetzt in der Gesellschaft, ja schon im engeren Umkreis sehen ist nur ein verzerrtes Bild einer wahren Ethik und Moral. Du kannst demnach wollen, dass keine Menschen mehr wegen Hunger sterben, auch wenn es genug auf der Welt zu essen gibt, leugnen dass es so ist, kannst du aber nicht. Daher ist es dann eher ein "wollen" als ein "sein". Das ist zwar für eine Weltansicht gut, oder eine Zukunftsvorstellung, aber nicht für die Realität, die man betrachten, auswerten und dann erst einteilen kann in: Was würde anders "besser"(gerechter) sein?
 
Nicht ganz, Hitman. Ich nehme nur als Fakt an, was auch ein Fakt ist. Dazu gehören Naturgesetze und Unabänderliches, z.B. der Tod oder das Leben. Wenn ein Haus eingestürzt ist, dann das ist ein Fakt. Wenn dir jemand sagt "Ein Haus ist eingestürzt", dann ist das erst einmal nur eine Information. Habe ich also noch keine Trümmer gesehen, dann halt' ich meine Fresse. Sind die Trümmer aber definitiv da (z.B. 9/11), dann ist es ein Fakt. Ich differenziere da schon sehr deutlich.
 
Ich meine damit, wie man feststellt, ob etwas Fakt, Information oder Meinung ist. Du kannst ja nicht alles selber belegen. Wenn gesagt wird, dass sich die Erde um die Sonne dreht, dann gibt es dafür Erklärungen, die immer komplexer werden. Nicht alle davon kann man begreifen. Dennoch würden wir es als beweisbaren Fakt ansehen, es kann ja jeder nachprüfen.

Würde man demnach alles erst einmal als Information sehen und nicht als Fakten, würden wir uns ja den ganzen Tag über wundern. ;)

Wenn ein Haus eingestürzt ist, dann das ist ein Fakt. Wenn dir jemand sagt "Ein Haus ist eingestürzt", dann ist das erst einmal nur eine Information.
Das wäre ein Fakt, keine Information, da das Haus ja eingestürzt ist, keine Wertung vorgenommen wird, sowie nachweisbar ist. Stimmte das nicht, dann wars kein Fakt, sondern eine falsch Information. ;) Hier ist es schon wieder sprachlich schwierig zu differenzieren glaube ich.
 
Darauf wollte ich ja hinaus. Solange ich keine Beweise (Videos z.B.) habe sind das für mich nur Informationen und noch keine Fakten. Und selbst dann weiss ich noch immer nicht warum es einstürzte.

Generell ist doch die Frage wie man Informationen verarbeitet. Verlässt man sich auf reine Informationen kann man sehr schnell auf die Fresse fallen. Verarbeitet man hingegen nur Fakten (und ein Fakt ist immer wahr, sonst ist es kein Fakt) ergibt sich sehr oft ein völlig anderes Bild. Dieses Thema ist äußerst komplex.
 
@damocles

Das ist eben in der heutigen (Informations)-Gesellschaft schwierig. Meinungsbildung aufgrund von Fakten ist wünschenswert. Die Verfügbarkeit von Fakten ist jedoch beschränkt. Konsequenterweise müsste man also, wenn nur Informationen verfügbar sind, auch die eigene Meinung, in deren Abhängigkeit bilden.

Insbesondere bei komplexen Zusammenhängen, bei denen Fakten und Informationen zwar verfügbar sind, sich aber stark vermischen, wird auch die Meinungsbildung schwierig.

Man schafft sich dann Hilfsmodelle, die bei Erklärungen dieser Sachverhalte zu mehr Transparenz führen können. Der Klassiker: "Cui bono!"
 
Zuletzt bearbeitet:
Fakten sgaen nur aus, dass etwas ist wie es ist ... sie enthalten jedoch keinerlei Information dazu, warum dieses etwas ist, oder wieso es gerade so ist, wie beobachtet. Dadurch kann man mit Fakten alleine auch keine Ursachenforschung betreiben oder Maßnahmen überlegen.
Dazu wird eben eine Theorie benötigt, die diese Fakten erklärt ... ein Modell, welches die Fragen beantwortet, die von den Fakten nicht beantwortet werden können. Erst daraus kann man Prognosen erstellen, deren Zutreffen (oder auch nicht) man dann wiederum an Fakten ablesen kann, die vor dem Hintergrund der zu Grunde gelegten Theorien/Modelle weitere Prognosen ermöglichen usw ...

Allerdings scheinen die Fakten für die Meinungsbildung bei vielen Menschen keine besondere Rolle zu spielen. Die bilden sich trotzdem eine Meinung, die den Fakrten krass widerspricht (z.B. bei Politikern oder Managern).
 
Zuletzt bearbeitet:
@der olf
Stimmt, das habe ich nicht betrachtet. Nur Fakten ergeben noch keinen Kontext; erst ein Modell liefert Informationen oder Erklärungen und kann wiederum, anhand weiterer Fakten, überprüft werden.

Meinungsbildung, rein auf Faktenbasis (inkl. Modell), ist allerdings hoch rational. Pure Rationalität widerspricht aber auch in Teilen dem heutigen Ethikbegriff, obwohl es hier auch wieder auf die Prämissen ankommt.

Eine rein rationale Meinung wäre es z.B. globale Reproduktion einzudämmen unter der Prämisse, den Ressourcenverbrauch zu senken (das Thema hatten wir schonmal).
Dennoch kann die Meinung hier abweichen, wenn die Prämisse geändert wird und ethische Normen einbezogen werden.
Meinungsbildung ist m.E. primär interessengesteuert und dazu gehört auch, wenn man sich die hiesige Medienlandschaft anschaut, Meinungen zu steuern.

Der Effekt, den ich z.B. bei mir beobachte ist eine gewissen Unsicherheit, mir eine Meinung zu bilden, deren Grundlagen (prüfbare Fakten, Modelle, Prämissen) unklar sind und damit einen "Rückzug" auf eigene Interessen zur Folge hat.
 
Gedankenanstöße

Ich komm hier gedanklich nicht mehr mit. Worüber wird hier eigentlich noch geredet, so in konstruktiver Hinsicht? Ich lese hier viele interessante Gedanken, die letztlich aufgrund eines anderen Aspektes in dem Post mit in die "Vergessenheit" gerissen werden, weil jener andere Aspekt irgendwem aufstößt.

Onkelhitman schrieb:
Ich würde daher diesen Thread hier dermaßen gestalten wollen, wenn ihr erlaubt, dass wir uns darauf beschränken beim Menschen selbst zu bleiben. Dem gesellschaftlichen, sozialen Aspekt. Die Medien sind ein Thema für sich, Fallbeispiele wie man mit einzelnen Menschen umgeht in den Medien gehört dort hinein. Rassismus ist ein eigenes Thema. Politikverdrossenheit ebenso.

Meinungsbildung und die gesellschaftliche Auswirkung durch Meinungsunterdrückung

Ich denke hier ran kann man anknüpfen. Denn alles was geschrieben wird, basiert ja auf einer subjektiven Meinung, die sich entweder auf etwas stützt, oder sehr "schwammig" ist, porenhaft durchlässig. Bei einer Meinungsunterdrückung finden weniger tiefe Gespräche statt, weil etwas von Anfang an ausgeklammert wird.

Es lohnt sich die Konversation dieses Threads mit einer Portion Distanz zu beobachten. Und um ein Hinweis darauf zu geben, was ich meine, ahme ich das Verhalten jetzt beispielhaft nach...:

Werter Onkelhitman, ich habe mit mal erlaubt das Zitat von oben zu verkürzen...:

Onkelhitman schrieb:
Ich würde daher diesen Thread hier dermaßen gestalten wollen, wenn ihr erlaubt, dass wir uns darauf beschränken beim Menschen selbst zu bleiben. [..] Bei einer Meinungsunterdrückung finden weniger tiefe Gespräche statt, weil etwas von Anfang an ausgeklammert wird.

Das ist doch eine Farce. Ist es nicht widersprüchlich den Umfang der Thematik zu reduzieren um im gleichen Atemzug damit Meinungsunterdrückung zu entlarven?

/Beispiel ende

Meine Kritik könnte ich nun noch dramatischer, abwertender, distanzierter oder gar in fünfzig anderen Botschaften verstecken. Am Ende bleibt, das die Meinungsform Kritik schnell irrational begegnet wird. Um es bürgerlicher zu sagen, man fühlt sich schnell auf den Schlips getreten. Einige Anhaltspunkte warum dies so ist und warum das durchaus ein Stück weit natürlich ist, bringt das Vier-Seiten-Modell von Schulz von Thun näher. Ein Schlussfolgerung daraus ist, das vielerlei sachliche Informationen oftmals auf der Beziehungs- und Appellebene empfangen wird. Und es impliziert, das dies ein Stück weit menschliche Natur ist. Manchmal wollen wir einfach das hören, was wir hören wollen.

Was hat das mit dem Thema zu tun? Meineserachtens sehr, sehr viel im Kontext von "Meinungsbildung und die gesellschaftliche Auswirkung durch Meinungsunterdrückung" mit "gesellschaftlichen, sozialen Aspekt"! Denn jemand, der sich appellmäßig auf den Schlips getreten fühlt, reagiert dementsprechen meinungsunterdrückend, indem er den vermeintlich feindlichen Meinungträger denunziert. Und das ist ein extrem subtiler Prozess, der daher nicht gleich offensichtlich wird. Um dies mit ein Bild abzurunden... es ist, als würde ein paar Streihähne über einzelne Bäume diskutieren, und dabei nicht merken, das der Wald um sie brennt. (Man mögen den Appell in dieser Botschaft ignorieren.)

Daher, es lohnt sich wirklich diesen Thread oder nur einzelne Antworten einmal mit Distanz zu lesen, und ggf. die eigenen Reaktionen zu reflektieren. Ich finde thematisch Fakten und derlei Fallbeispiele in der Welt nicht konstruktiv, um dem Gedanken näher zu kommen. Es sind höchsten Behelfsbeispiele um eine Aussage ein reales Bild zu geben. Ich halte den psychologischen Aspekt und die (damit) wechselwirkende Gesellschaft viel interessanter, und tiefgreifender.

Hier noch ein kleines Wikizitat:

Unter einer Meinung wird in der Philosophie eine Art des Fürwahrhaltens verstanden, die nicht auf strenger Prüfung beruht und sich infolgedessen der Möglichkeit des Irrtums bewusst ist. Meinung ist dem Glauben verwandt und ein Gegenbegriff zu Wissen.
 
Zuletzt bearbeitet: (Edit PS: Ich fühlte mich hier auch schon auf den Schlips getreten, kann mich also (natürlicherweise) einreihen.)
Dann gehe ich noch einen Schritt weiter und frage: Was wissen wir eigentlich?

Das mag sich komisch anhören, aber wenn Fakten:
Fakten sagen nur aus, dass etwas ist wie es ist ...Dazu wird eben eine Theorie benötigt, die diese Fakten erklärt ... ein Modell, welches die Fragen beantwortet, die von den Fakten nicht beantwortet werden können. Erst daraus kann man Prognosen erstellen, deren Zutreffen (oder auch nicht) man dann wiederum an Fakten ablesen kann, die vor dem Hintergrund der zu Grunde gelegten Theorien/Modelle weitere Prognosen ermöglichen usw ...
auf jeden Fall ausgewertet werden müssen, setzt das voraus, dass...
Allerdings scheinen die Fakten für die Meinungsbildung bei vielen Menschen keine besondere Rolle zu spielen. Die bilden sich trotzdem eine Meinung, die den Fakrten krass widerspricht (z.B. bei Politikern oder Managern).
Fakten erkannt und auch genutzt werden. Wenn Keiner mehr Fakten benutzt, dann basiert alles nur auf Meinungen und Informationen, die irgendwoher kommen.

@Kokuswolf
Das ist doch eine Farce. Ist es nicht widersprüchlich den Umfang der Thematik zu reduzieren um im gleichen Atemzug damit Meinungsunterdrückung zu entlarven?
Ich wurde darauf hingewiesen, diesen Thread eine Richtung zu geben bevor er ausartet, das habe ich getan. Das ist eine Meinungsunterdrückung durch weglassen von bestimmten Richtungen, in die der Thread gehen könnte. Es ist aber dennoch möglich, mit einer ausreichenden Threadeinleitung, hier im PuG einen neuen Thread zu eröffnen, auf diesen hier zu verweisen. ;)

Ich finde thematisch Fakten und derlei Fallbeispiele in der Welt nicht konstruktiv, um dem Gedanken näher zu kommen. Es sind höchsten Behelfsbeispiele um eine Aussage ein reales Bild zu geben. Ich halte den psychologischen Aspekt und die (damit) wechselwirkende Gesellschaft viel interessanter, und tiefgreifender.
Sie basieren dann aber auf überhaupt keine Fakten mehr, oder müssen es nicht. Und das führt dann wiederum zu einer Meinung, die nur durch Zufall stimmen könnte, weil sie auf nicht beruht.

Um dein Wikizitat aufzugreifen:
....und sich infolgedessen der Möglichkeit des Irrtums bewusst ist.
Ich persönlich bezweifel sehr stark, dass der Vorgang der Meinungsbildung und anwendung bei Gesprächen überhaupt bewusst von statten geht. Und zwar im Bezug zu den Fakten. Es wird zwar die Meinung gesagt, es wird auch die eigene Meinung vertreten, auch Argumente für oder gegen sie zugelassen, aber das dahinter etwas passiert, dass die Meinung evtl. einfach nur erfunden ist, das wird, während wir es sagen, sicherlich nicht so wahrgenommen. Wie eine rosarote Brille. Würden wir sämtliche Sinneseindrücke um uns herum wahrnehmen, würde das Gehirn sicherlich an der Informationsflut zusammenbrechen. Darum nutzt das Gehirn Filter. Diese Filter merken wir gar nicht. Obwohl wir uns dessen bewusst sind, in bestimmten Situationen, blenden wir es doch aus. Man nehme das Blinzeln. Wir machen es, wir wissen es, aber wer denkt während des Tages ans Blinzeln? Automatismus. Wie eben eine Meinung aussprechen, aber keine Fakten dazu besitzen und anwenden.

Der Mensch als solcher sollte demnach mehr Wissen und Fakten erst einmal sammeln und dann anwenden. Wende ich aber permanent nur Meinungen oder Informationen an, und bekomme auch nur diese im Alltag von anderen Personen und den Medien mit, dann ist, letztlich gesehen, alles eine äußere Matrix, die für alle Sichtbar ist, die tatsächliche Wahrheit und die Fakten sind begraben in der Rationalität, die kaum angewandt wird.
 
Onkelhitman schrieb:
Ich wurde darauf hingewiesen, diesen Thread eine Richtung zu geben bevor er ausartet, das habe ich getan. Das ist eine Meinungsunterdrückung durch weglassen von bestimmten Richtungen, in die der Thread gehen könnte. Es ist aber dennoch möglich, mit einer ausreichenden Threadeinleitung, hier im PuG einen neuen Thread zu eröffnen, auf diesen hier zu verweisen. ;)

Dann weiße ich dich nochmal darauf hin, das besagte Reaktion bespielhaft für die danach folgende Argumentation von mir produziert wurde, und somit gar nicht so ernst gemeint war. ;) ... Deine Intention war mir also klar, obwohl ich es persönlich ein bisschen witzig finde. :lol:
(Nachtrag: Also wenn ich mich bemühe den letzten Satz mit nem Zaunpfahl zu versehen, könnte ich denken, ich werden quasi aus dem Thread geworfen. Jaja, so ist das mit der Kommunikation. Wenn einer einem sagt "Die Ampel ist grün", kann das in vielem enden.)

Onkelhitman schrieb:
Ich persönlich bezweifel sehr stark, dass der Vorgang der Meinungsbildung und anwendung bei Gesprächen überhaupt bewusst von statten geht. Und zwar im Bezug zu den Fakten. [..]

Naja, um das Wikizitat noch mal zu zitieren

....und sich infolgedessen der Möglichkeit des Irrtums bewusst ist.

Eine latente Haltung dahingehend, das man kein allwissender Gott ist, braucht nicht durch jede Meinungsbildung erneut bewusst erlebt werden. Es reicht einmal sich bewusst zu werden, das man hier und da ggf. und ganz vielleicht sogar dem Irrtum erliegt.

Onkelhitman schrieb:
Der Mensch als solcher sollte demnach mehr Wissen und Fakten erst einmal sammeln und dann anwenden. Wende ich aber permanent nur Meinungen oder Informationen an, und bekomme auch nur diese im Alltag von anderen Personen und den Medien mit, dann ist, letztlich gesehen, alles eine äußere Matrix, die für alle Sichtbar ist, die tatsächliche Wahrheit und die Fakten sind begraben in der Rationalität, die kaum angewandt wird.

Warum sollte? Ich möchte hier nocheinmal das Zitat nehmen:

Meinung ist dem Glauben verwandt und ein Gegenbegriff zu Wissen.

Genau dieser Unterschied ist relevant wenn von Meinungen, von Meinungsfreiheit und Meinungsunterdrückung geredet wird. Vielleicht könnte man auch eine Analogie zur Religion ziehen und sagen, das Meinungsfreiheit irgendwie wie Religionsfreiheit ist. Bitte beachtet das verwendete Konjunktiv im Satz.

Den Rest lasse ich mal auf mich wirken, wobei ich dir bei einigem ausnahmslos zustimme, bzw. es schon retrospektiv tat. :evillol:
 
Zuletzt bearbeitet: (Leserlichkeit + Nachtrag)
Eine latente Haltung dahingehend, das man kein allwissender Gott ist, braucht nicht durch jede Meinungsbildung erneut bewusst erlebt werden. Es reicht einmal sich bewusst zu werden, das man hier und da ggf. und ganz vielleicht sogar dem Irrtum erliegt.
Wenn die Meinung jedoch als Information verbreitet wird, wie eben durch ein Massenmedium, dann sollte ganz klar erkennbar sein, dass es sich eben um ein möglicherweise irrtümliches Stück Information handelt. Bei Einzelpersonen mag das ja noch zutreffen, wir sind Menschen und irren uns. Aber bei einem Medium, welches zur Meinungsbildung Meinungen ausstrahlt geht man eben nicht von einer Meinung aus, sondern von Fakten.

Wenn die Fakten jedoch fehlen.....

Vielleicht könnte man auch eine Analogie zur Religion ziehen und sagen, das Meinungsfreiheit irgendwie wie Religionsfreiheit ist. Bitte beachtet das verwendete Konjunktiv im Satz.
In dem Fall wäre jegliche Meinung falsch. Das muss sie aber zwangsläufig nicht sein wenn sie auf Fakten basieren würde. Dass man kaum eine Meinung auf Fakten aufbaut, das ist ein Problem.
 
@Onkelhitman

(Sollte der Thread nun nicht eigentlich die Medien, bzw. ein (beliebiges) Massenmedium (darunter) ausklammern?)

Wenn wir einer Einzelperson erlauben eine Meinung zu haben, die per Definition eben kein Wissen ist, dann kann man das auch einer Organisation zusprechen. Das diese ein neutralen und rein auf Fakten und somit nur Wissen vermittelndes Medium wäre, wäre zu begrüßen. Aber da hier nunmal auch all jene Einzelpersonen (auf beiden Seiten) involviert sind, und die Welt aus mehr als "Tierdokus" besteht, bleibt eben Meinungen in Massenmedien nicht aus. Und sobald eine Meinung kund getan wird, sei es durch ein großen Massenmedium, oder nur einer Anonymität wie mir, dann ist das Meinungsmache aus der Perspektive anderer, insbesondere dann in negativer Form, wenn es der eigenen widerspricht.

Gerade in deinem letzten Post erkenne ich wieder den Gerechtigkeitssinn:

[..] Aber bei einem Medium, welches zur Meinungsbildung Meinungen ausstrahlt geht man eben nicht von einer Meinung aus, sondern von Fakten. [..] Dass man kaum eine Meinung auf Fakten aufbaut, das ist ein Problem.

Wessen Problem? Meinungsfreiheit bedeutet, das sich jeder, ob wir es wollen oder nicht, sich seine so Meinung bilden kann, wie er/sie es möchte. Das bedeutet auch - überspitzt gesagt - das diese sich ihre Meinung durch die Bild bilden lassen können. Wobei das eine gewisse Bereitschaft dafür vorraussetzt.

Wenn es für dich, wie für manch andere (und mir), ein Problem ist, das viele ihre Meinung auf Fehlinformationen bilden, dann ist es letztlich nicht mehr als ein subjektives Bedürfniss, diejenigen mögen sich sachlicher informieren, oder es ist ein Schutzempfinden für die Fehlgeleiteten vor den Massenmedien. Das ist berechtigt, aber auch nicht mehr als eine Sichtweise/Meinung. Dieser Zustand hat jedoch nichts mit fehlender Meinungsfreiheit zu tun, oder das Meinungen unterdrückt werden.

Um es bildhaft zu umschreiben. Wir Menschen sind wie Nachtfalter, die nun mal gerne auf das helle Licht zufliegen, selbst wenn es unser (informativer) Tod bedeutet. Aber wir sind ja nicht alle total gleich, daher gibt es immer wieder welche, die sagen: "Hey, pass auf, dort verbrennst du!" oder auch "Hey, das Licht dort ist gefährlich, wir müssen es ausschalten!". Doch am Ende liegt es an jedem einzelnen von uns, ob wir nun ins Licht fliegen, oder nochmal drüber nachdenken. Diese Freiheit kannst du nicht verwehren um dadurch eine vermeintlich neue zu generieren.

/Plädoye ende

Ergänzung: Ich möchte eigentlich gar nicht so viel "du" und "deine" verwenden. Es geht mir nicht darum deine Sichtweise zu unterwandern. Ich teile sie sogar. Jedoch ist sie keine sachliche, sondern vielmehr eine politische.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe das wohl wiedermal etwas Holzhammerig.
Restlos jede Information, die mich erreicht, wird von mir zunächst nur als Information behandelt (als solche ist sie zunächt weder Meinung noch Wissen/Fakt). Sodann beginnt ein Prozess in dem die Information mit anderen Informationen (bereits vorhandene oder noch zu sammelnde) in Relation gesetzt wird. Im Rahmen dieses Prozesses verschiebt sich die Information dann entweder in Richtung Wissen/Fakt oder in Richtung Meinung/Glaube. Das Maßgebliche dabei ist die subjektive (oder auch intersubjektive - ich bin ja keine träumende Monade) Nachvollziehbarkeit auf Basis der zugänglichen Informationen. Dennoch halte ich diesen Prozess für höchst subjektiv.
Auch etwas, das mir zunächst völlig unsinnig erscheint, hat eine Prüfung verdient - auch wenn die vielleicht sehr schnell abbricht, weil ich kein Konstrukt für möglich halte, auf dessen Hintergrund sich ein Sinn ergeben könnte. Das ist dann für mich zwar kein Wissen sondern eher Meinung, aber die Tatsache, dass es Menschen gibt, die das für bare Münze nehmen zeigt mir doch, dass es Konstrukte geben muss, vor denen dieser "Unsinn" eben keiner ist. An dem Punkt beginnt für mich meist die Nachvolluzugs-Arbeit, denn ich möchte gerne verstehen - nicht die Welt oder die Wahrheit (zumindest an letzteres kann ich nicht mehr so recht glauben), aber doch wenigstens den Standpunkt meines Gesprächspartners.

Schulz von Thun ist sehr interessant, wenn es darum geht, unbewusste Kommunikationssteuerung (oder daraus erwachsende Kommunikationsprobleme) zu verstehen. Ich würde hier als Ergänzung dazu auch gerne noch das Habitus-Konzept von Pierre Bourdieu einstreuen.

Vor allem in einem Forum besitzt das Modell von Schulz von Thun Brisanz, da wir es hier nicht mit "face to face" Interaktionen zu tun haben, sondern mit schriftlicher und daher zerdehnter Kommunikation. Vieles, woran man sich in einer face to face Interaktion bei der Interpretatioon der Beiträge des Gegenüber noch orientieren kann (Körpersprache, Rahmenumstände, Stimmungen usw.) fehlt hier.
Es hilft hier, jeden Beitrag zunächst nur auf der Informations-Ebene zu betrachten - dazu muss man sich leider zwingen, denn die Wahrnehmung auf diesem Kanal läuft leider nicht automatisch ohne die anderen 3, aber man kann lernen, die anderen "Ohren" nicht wie üblich fast ausschließlich zu nutzen (oft genug sind wir auf diesem Ohr geradezu taub.
Das erklärt wohl viel der Anfeindungen, denen man in Foren immer wieder begegnet (aber zumindest hier (PuG) ist das nicht so Standard, wie anderswo).
 
Zuletzt bearbeitet:
DerOlf schrieb:
Es hilft hier, jeden Beitrag zunächst nur auf der Informations-Ebene zu betrachten - dazu muss man sich leider zwingen, denn die Wahrnehmung auf diesem Kanal läuft leider nicht automatisch ohne die anderen 3, aber man kann lernen, die anderen "Ohren" nicht wie üblich fast ausschließlich zu nutzen.

Das ist für mich wohl der wesentliche Aspekt Deiner Rede.

Für mich steht soziologisch vor Deinem Verarbeitungsmodell noch die Wahrnehmung an sich, also wie von Dir beschrieben, "die Informationen, die (Dich) erreichen". Bereits hier unterliegen wir subjektiven Filtermechanismen, die verhindern, dass man sich überhaupt Objektiv mit einem gesellschaftlichen Phänomen auseinandersetzen kann. Darüber hinaus ist es auch dann noch völlig unvorstellbar, dass JEDE empfangene Information gleichwertig und vor allem ohne Prädisposition behandelt wird.

Auf Herrn Sarrazins Publikationen bezogen bedeutet dies aber auch, dass per se keine sachliche Diskussion auf gesellschaftlicher Ebene möglich ist. Man kann versuchen, entsprechend geschulte und vorinformierte Personen in einer zielgerichtet, sachlichen Diskussion auf (ich sag das mal so) wissenschaftlicher Metaebene diskutieren zu lassen. Letztlich war es dann aber nur ein "nettes Gespräch" ohne gesellschaftliche Relevanz. Quasi eine Diskussion in wissenschaftlicher Isolation.

Denn eine (wie wir sie haben "plurale") Gesellschaft hat meiner Meinung nach Vorurteile, ist unfair, möchte bestimmte Dinge einfach nicht so oder so wahrhaben usw. Die Idee einer rein sachlichen Diskussion auf theoretischer Ebene entfremdet daher die Diskussion von der Gesellschaft oder sie setzt ein Menschenbild voraus, das so nicht existiert.

Onkelhitman schrieb:
Gibt es also in Deutschland eine Meinungsfreiheit? Kann man sich überhaupt noch eine Meinung bilden? Sind Tabus wirklich so fest verankert, dass wir sie nicht durchbrechen können? Werden Tabus nun von der Gesellschaft aufgestellt, oder von den Menschen, die denken dass die Gesellschaft es als Tabu sehen soll? Können Themen so heikel sein, dass man sie nicht veröffentlichen soll/darf?

Eine Meinung bildet der Mensch sich unweigerlich, sonst wäre er in einem Status der ständigen Unsicherheit. Man darf nur nicht dem Irrtum unterliegen, die Meinungsfreiheit als absolut subjektiv anzunehmen. Als gesellschaftliches Wesen unterliegen wir immer Korellationen zu anderen Gesellschaftsmitglieder. Die Interaktionen bilden dabei Grundlage für Meinungen, die entweder adaptiert oder neu zusammengesetzt eine Mischmenge ergeben, die aber auch endlich ist.

Was Tabus anbetrifft, so muss ich dabei an die Kirche denken. Tabus wurden in einer Zeit von der Kirche den Menschen auferlegt, als diese noch die "Deutungsmacht" in der Gesellschaft hatte. Heute ist das nicht mehr so, dass man sich also fragen muss, wohin sich diese Deutungsmacht verschoben hat. Ich könnte mir vorstellen, dass die Medien in der Zeit zwischen dem Bedeutungsverlust der Kirche und dem Informationszeitalter die Deutungsmacht hatten. Im Informationszeitalter ist es eher eine gefilterte Informationsflut aus eben den Geräten, die uns tagtäglich für etliche Stunden damit versorgen. Gefilter wird dann im Wesentlichen auch über die Verlässlichkeit des Informationsursprungs.

"Peer Groups" funktionieren auch empirisch bezüglich Tabus und Meinungsbildung besonders gut, weil man z.B. bezüglich Herrn Sarrazin verschiedene Gruppen befragen und innerhalb der Gruppe homogene, zwischen den Gruppen aber heterogene, ja diametral unterschiedliche Meinungen präsentiert bekommt.

Von individueller Meinungsfreiheit im Sinne einer unabhängigen Meinungsbildung und -darstellung ist da nicht viel zu sehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Deliberation:
Dein Beitrag ist weit umfangreicher und manche Schlüsse muss ich erstmal sacken lassen. An einem komme ich jedoch noch nicht weiter...:

Deliberation schrieb:
Eine Meinung bildet der Mensch sich unweigerlich, sonst wäre er in einem Status der ständigen Unsicherheit. Man darf nur nicht dem Irrtum unterliegen, die Meinungsfreiheit als absolut subjektiv anzunehmen. Als gesellschaftliches Wesen unterliegen wir immer Korellationen zu anderen Gesellschaftsmitglieder. Die Interaktionen bilden dabei Grundlage für Meinungen, die entweder adaptiert oder neu zusammengesetzt eine Mischmenge ergeben, die aber auch endlich ist.

Die Meinungsbildung bleibt dennoch subjektiv und sie ist es doch gerade deshalb, weil sie mit anderen Gesellschaftsmitglieder korreliert. Gäbe es diese Korrelation nicht, wäre das Subjekt nicht unterscheibar (und vielleicht auch in der genannten ständigen Unsicherheit). Darüber hinaus bleibt es eine subjektive Handlung, auch wenn eine Meinung adaptiert wird, oder gar imitiert wird. Die Beweggründe ändern sich höchstens. (Und diese Beweggründe sind wiederum Antrieb für die Generierung oder Einhaltung von Tabus.) Jedenfalls halte ich Meinungsfreiheit für absolut subjektiv, und das nicht obwohl wir korrelieren, sondern gerade weil wir das tun.

@DerOlf:
Dein Beschreibung zu Schulz von Thun finde ich sehr schön. Da möchte ich gern hinzufügen, das die Selbstansicht oftmals sehr verzerrt ist. Damit mein ich, das wir selbst gewissen kognitiven Mechaniken unterliegen, die uns manchmal so sehr beeinflussen, das wir schwer bis gar nicht fähig sind korrekt zu interpretieren, auf welchem Ohr wir hören, und auf welche Art kommuniziert wurde. Dafür braucht es überhaupt keine geistige Erkrankung, es reicht das Selbstbild, bzw. die Selbstbildverzerrung einerseits, und das Wissen um Interpretation von Gestik und Mimik andereseits, um völlig von der "Wahrheit" abzudriften.

So habe ich Pädagogen erleben können, die sich damit auseinandersetzen Kinder zu erklären und zeigen, wann ein Mensch bspw. sauer ist, oder traurig. Das sind keine Grundlagen, die wir genetisch mitbekommen, sondern erlernbare Sozialkompetenzen. (<- mag das Wort nicht) Jedenfalls bringt der Gedanke mit sich, das es durchaus einige Erwachsene geben kann, denen diese Sozialkompetenzen fehlen, bzw. diese nur schwer beherrschen. Die Interpretation einer Aussage kann auch im echten Leben durchaus schwer sein.

Das Selbstbild ist wiederum noch viel tückischer. Die Verzerrung der Wahrnehmung, die es anstrengt, kann man gut an sich oder anderem bemerken, wenn man ihnen ein Kompliment macht. Erkennbar ist dies hier, wenn sie das in Verlegenheit bringt oder sie es gar runterspielen. Dabei ist ein kognitiver Prozess im Gange, der eine wahrgenommene Aussage solange relativiert oder unglaubwürdig darstellt, bis sie dem eigenen Selbstbild einigermaßen entspricht. Aber das ist ein echt komplexes Thema, wie ich finde. (wem es interessiert, der Film Revolver schneidet das gut an) Jedenfalls ist auch dies ein extremer Einfluss auf die Wahrnehmungen von Meinungen, egal ob digital oder "analog".

PS: Das mit Pierre Bourdieu schau ich mir mal an...
 
Vielleicht hängt das mit meinem Studienschwerpunkt (Methoden der qualitativen Sozialforschung) zusammen, der mich zwang, einzelne Aussagen immer und immer wieder auf verschiedene Arten zu interpretieren - nicht unbedingt auf der suche nach der Wahrheit in/über der/die Aussage sondern nur auf der Suche nach möglichst vielen möglichen Interpretationen.
Ich bilde mir ein, Aussagen bewusst auf bestimmten, relativ isolierten Kanälen empfangen zu können, ohne dabei meine Interpretation von anderen Ohren beeinflussen zu lassen - wie gesagt, ich bilde es mir zumindest ein.

Es mag sein, dass ich durch mein Studium ein bisschen Training im quasi "isolierten Abhören" der verschieden Ohren nach Schulz von Thun bekam (obwohl ich glaube, dass man das nicht wirklich hinbekommt, sondern immer wieder nur mit sich selbst darum kämpfen kann. Im Studium fehlt auch grundsätzlich der konkrete soziale Rahmen zu den Interpretationstexten, den bringt ein Transscript einfach nicht mit).

@Deliberation
Mein Verarbeitungsmodell verbleibt bewusst in rationalen Bahnen, Wahrnehmung wird dabei jedoch im Begriff der Information mit-kodiert. Ohne Wahrnehmung dieser, gibt es keine zu verarbeitende Information - egal wie diese aussieht oder wo sie herkommt. Das gesamte Verarbeitungsmodell bekommt also erst Sinn, wenn Wahrnehmung vorrausgesetzt wird. Natürlich verbirgt sich hinter Wahrnehmung/Information ein ganzes Bündel sozialpsychologischer und soziologischer Theorien und Forschungen - ich denke aber, dass wir uns mit deren Diskussion zu weit von Thema entfernen würden.

PS:
Ich versuche gerade, diesen Thread, bzw. sein Thema zu reinterpretieren, ohne dabei in die üblichen Täter-Opfer-Schemata zu verfallen. Vielleicht bekomme ich dabei ja was interessantes raus.
 
Zuletzt bearbeitet:
DerOlf schrieb:
Vielleicht hängt das mit meinem Studienschwerpunkt (Methoden der qualitativen Sozialforschung) zusammen, der mich zwang, einzelne Aussagen immer und immer wieder auf verschiedene Arten zu interpretieren

Nicht eher "empirische Sozialforschung"? Hier geht es doch um solche Dinge wie Konstruktivismus, Schleier des Nichtwissens usw. Aber wahrscheinlich ist es einfach auch Deine wissenschaftliche Vorbildung, durch die Du es trainiert hast, Phänomene aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Gerade in den Sozialwissenschaften, in denen es leider keine Gesetze gibt, ist man auf einen solchen methodischen Approach angewiesen.

Wie Du eben geschrieben hast, wegen fehlender Gesetze ist "Wahrheit" eher philosphisch und nicht empirisch zu fassen. ;)

DerOlf schrieb:
Ich bilde mir ein, Aussagen bewusst auf bestimmten, relativ isolierten Kanälen empfangen zu können, ohne dabei meine Interpretation von anderen Ohren beeinflussen zu lassen - wie gesagt, ich bilde es mir zumindest ein.

Ich bin der Überzeugung, dass Einbildung hier eben die entscheidende Rolle spielt. NIEMAND kann sich isoliert von "anderen Ohren" eine Meinung bilden. Das meinte ich damit, als ich schrieb, wie seien soziale Wesen. Unsere Identitätsbildung, Werte, Meinungen, ja sogar entfernte Ahnungen von irgend etwas, bilden wir uns aus der Summe der verarbeiteten Informationen.

DerOlf schrieb:
Es mag sein, dass ich durch mein Studium ein bisschen Training im quasi "isolierten Abhören" der verschieden Ohren nach Schulz von Thun bekam (obwohl ich glaube, dass man das nicht wirklich hinbekommt, sondern immer wieder nur mit sich selbst darum kämpfen kann.

Aber auch der Kampf ist einer, der auf sozial erlernten Informationen beruht. Wie gesagt, vollständige Meinungsfreiheit oder Meinungsbildung ist höchstens eine Illusion.

DerOlf schrieb:
Mein Verarbeitungsmodell verbleibt bewusst in rationalen Bahnen, Wahrnehmung wird dabei jedoch im Begriff der Information mit-kodiert.

Mir geht es im Wesentlichen darum, dass die Wahrnehmung selektiv und damit subjektiv und gesellschaftlich geprägt ist. Und ich halte es für unmöglich (mal vom menschlichen Wesen abgesehen), dass man subjektiv erlangte Informationen per Ratio nachbearbeiten kann.

Außer wir definieren "rational" nicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, sondern nach dem wissenschaftlichen. Dann sind wir wieder beieinander, denn "rational" bedeutet dann in diesem Fall auch die Interpretation "Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg" eines Neonazis, der von sinkenden Arbeitszahlen auf dem Arbeitsmarkt liest. Das ist eine so genannte "axiomatische Ratio", bei der die subjektive, durch die Gesellschaft und Peer Groups gefestigte Meinung aus Werten und Normen die Basis für eine rationale Deduktion aus dem unbewiesenen Grundsatz "Ausländer nehmen grundsätzlich Arbeitsplätze weg" ist.

Wie Kokuswolf ausgeführt hat, "fehlt" hier etwas. Ich nenne es aber nicht "Sozialkompetenzen", auch wenn es in seinem Beispiel passt. Da ich das Thema verallgemeinern möchte, spreche ich lieber von unterschiedlicher Prägung. Und auf der Basis dieser Prägung bilden wir uns unsere Meinung, fassen Dinge als Tabu auf usw.
 
@Deliberation
Ich denke, auch für dich wäre Bourdieu recht lohnende Lektüre - bei dem läuft es im Endeffekt auf etwas ganz ähnliches hinaus.
Da ich den Thread nicht überfrachten möchte, gebe ich hier einfach zwei Wiki-Links, die vielleicht Lust auf Bourdieu machen.
Bei ihm ist es nicht Prägung, auch nicht Sozialisation sondern eben Habitus - ein Begriff der mMn beides in sich vereint. Weitere interessante Konzepte in diesem Zusammenhang wären symbolische Gewalt sowie Verkennung (wird in den Artikeln näher erläutert).

Mit Rationalität meine ich wahrscheinlich doch eher die (sozial-)wissenschaftliche Variante - vor allem weil sie ohne Wahrheit auskommen kann und statt dessen nur nach dem rationalisierenden Individuum bzw. seiner Gruppe, seinem Milieu logisch erscheinenden Schlussfolgerungen aus Informationen ungeachtet ihres Wahrheitsgehaltes fragt.

Mit empirischer Sozialforschung liegts du nicht ganz falsch, allerdings vereint dieser Begriff für mich quantitative und qualitative Methoden. Erstere zeichnen sich durch große Stichproben, gute Übertragbarkeit, und relativ wenig Interpretationspielraum aus, dafür erfüllen sie die ganz klassischen Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität, Validität nochwasvergessen?). Mein schwerpunkt lag eben im qualitativen Bereich, hier geht es vor allem darum, einzellfälle möglichst genau zu beschreiben, und darüber zu einem Verständnis der besonderen Struktur dieser einzelnen Fälle zu gelangen.
Meine Instrumente sind nicht Fragebögen oder Experimente, sondern Interviews, Beobachtungsprotokolle, Gruppendiskussionen, Zeitungsartikel oder gar die Verpackungen von Frühstücksflocken (wenns denn zum vorliegenden Fall passt), sowie ein wahrer Bauskasten an Interpretations- und Auswertungsmethoden.

Im quanti-Schwerpunkt ist die Arbeit mit der Erhebung fast schon getan (das aufwändigste findet tatsächlich vor der ersten Befragung statt), im quali-Schwerpunkt hingegen, ist die Datenerhebung fast der Beginn der Forschung - dem ist eigentlich nur die Entscheidung für eine Forschungsfrage und ein Forschungsfeld vorgelagert.
 
Drei Gründe für die zunehmende Einseitigkeit in den deutschen Medien sehe ich als vorrangig an:

1. Zunehmende Konzentration der Medien auf wenige Nachrichtenquellen wie dpa und Abbau an Recherchestellen bei den Medien wegen Kosteneinsparungen, auch und nicht zuletzt wegen der massiv zugenommen Bedeutung des Internets.
2. Zunehmende Konsensbildung über wichtige Themen in der Politik, weniger Kontroverse als noch 60er/70er Jahre, u.a. durch erneute große Koalition, dies färbt auch Medien und veröffentlichte Meinungen ab.
3. Ausbildung und Zustrom der Journalisten entspringt bestimmten politischen Lagern überproportional. Folgende ältere Grafik verdeutlicht das. In der Studie wurde auch betont, dass die Journalisten selbst wiederum bestimmte Medien sehr überproportional deutlich nutzen, allen voran steht die "Süddeutsche". Auch das passt ins Bild:

2005parteineigungvonjyqy5w.png


Und das erklärt meiner Meinung nach wiederum Phänomene wie diese hier: http://abload.de/img/2014pegida-brgerundmee6ueo.png
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit sich selbst auferlegten Denkblockaden will man sich anpassen, um nicht laufend anzuecken,
was zu Erschöpfungs-Syndromen führt.
Sich möglichst geschmeidig ducken, um noch halbwegs vernünftig privat leben zu können,
ist sozusagen Bürgerpflicht geworden.
Hinzu kommt dann noch der hoffentlich immer besser beschleunigte technische Wandel,
womit den Duckmäusern schwummerig wird,
wie man das lustig in ihrem Pegida-Wahn erkennen konnte.
High tech kann uns erlösen oder zu Erfüllungsgehilfen von Maschinen machen.
Eher Letzteres ist momentan allenthalben politisch gewollt.
 
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