Die Moral beim Verzichten

Verliert bitte das ursprüngliche Thema nicht aus dem Fokus. Und zu einigen, der von euch diskutierten Aspekte, existieren bereits eigene Threads - s.o.
 
Danke @diRam. Genau das habe ich jetzt auch vor! :) (Wird etwas länger, knüpft aber denke ich an den OP an)

Und zwar bezugnehmend auf einen Post von e-Ding, der etwas Wichtiges aus der Soziologie benannt hat:

e-ding schrieb:
Eine andere Frage ist auch die Kausalität zwischen Biologismus und System; also welches System bietet das größte Potenzial, menschliche Bedürfnisse, bis hin zur Selbstverwirklichung, zu befriedigen. Das wirft wiederum die Frage auf, welche dieser Bedürfnisse natürlich und welche systemgeneriert/sozialisiert (Stichwort: Selbsterhaltung des Systems) sind.
Nach Maslow gehören, neben den Grundbedürfnissen, auch soziale bzw. individuelle Bedürfnisse dazu. "Soziale Anerkennung" ist natürlich, die Ausprägung, sie z.B. durch Kapitalakkumulation und damit, Konsum, Status, etc. zu erzielen, wiederum systembezogen.

Was hier als Bewertung der "sozialen Anerkennung durch Kapitalakkumulation", die im derzeitigen Zustand das Gegenstandsobjekt der Diskussion sein muss, noch fehlt, ist das Prinzip der Ungleichheit. Genau dieses greift bei der eigenen Ablehnung des "Veggie-Day", "dem Afrikaner" aber vorschreiben zu wollen, der soll mal weniger Kinder machen.

Die Einordnung in einer Hierarchie, und die daraus folgende Ungleichbehandlung vorgeblich niedriger Eingestufter, ist für den Menschen per se erstrebenswert.

Der sozialisierte Mensch, also jemand, der nicht in einer Box unter Laborbedingungen aufwuchs, ist sich des Faktums bewusst, dass es sich weiter oben in der Hierarchie besser lebt. Mehr verfügbare Zeit, mehr Sicherheit, mehr Optionen. Mal davon abgesehen, dass Hierachien sich gegen flache Organisationsstrukturen üblicherweise durchsetzen.

Das kompetitive System gewinnt schlußendlich gegen das Sozialere. Das sich alle Menschen am selben Konsumbegriff messen, ergibt sich dann aus dem von mir gern bemühten Techno-Koeffizienten. Denn der "arme Afrikaner", wie auch der "mittelständische Deutsche" sehen das identische iPhone im Prospekt und den erstrebenswerten amerikanischen Lebensstil auf Plakat oder Film. Von daher ist das Afrikaner-Bashing hier im Thread unfair. Denn die leben in derselben Welt wie wir. Die wollen de fakto das selbe wie wir auch.

Und jetzt wird es interessant, weil man, auch hier im Thread, zwei Gruppen identifizieren kann. Beide Gruppen sind sich de fakto in der Ungleichbehandlung des Afrikaners einig.

Die einen tun so, als wären sie dies nicht. Ich nennen diese Gruppe mal die "Guten". Führt man ihnen die Faktenlage vor Augen und käme es zur tatsächlichen Prüfung der eigenen Leidensfähigkeit, würden sie jederzeit vom eigenen utopischen Idealbild abweichen und "den Afrikaner" wieder seines Platzes verweisen.

Die Position "der Guten" funktioniert solange man sie nicht ihrer Utopien beraubt (Überbevölkerung alles kein Problem, wir stellen einfach auf Gas um, wir brauchen nur Stromspeicher, die Technologie wird es schon richten)

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Die Schlechten, als Gegensatz zu "den Guten", haben das die identischen Handlungsmuster. Konsum, Energiebedarf, Ressourcenaufwendungen pro Person, etc. Beide Gruppen sind schließlich vollwertige Mitglieder einer Erste-Welt-Gesellschaft.
Die Distinktion, man kann es sich schon denken, ist, dass die Schlechten um ihre Position wissen. Sie sind die reichen Erben, die keine Wohlstandsverteilung haben wollen weil "darum". Das das Zahlenmaterial ihnen recht gibt, wissen sie entweder aus gelebtem Interesse oder aus dem Klasseninstinkt, den man ihnen schon in die Wiege gelegt hat.

Ich möchte konkretisieren, dass Menschen, die sich z.B. bei "Ärzte ohne Grenzen" engagieren, mMm nach auch den Schlechten zugeordnet werden können. Sie tun es einfach, weil sie ihrem Gewissen genügen wollen. Trotz realistischem Blick auf die Dinge. Ethisch und von der Ratio her ist hier vieles denkbar und absolut verständlich aus meiner Warte.
 
Schöner Post, Checkup. Daumen hoch. Ich wollte etwas sehr Ähnliches schreiben, das hast du jetzt für mich erledigt :).
 
@Checkup
Was mir bei deinem Post auffällt, ist dass du es gekonnt vermeidest, dich zu positionieren. Ich kann mir vorstellen, dass das aus einer wisenschaftlich geprägten Sozialisation und Habituierung heraus entsteht, die von der utopischen Möglichkeit des "externen" Beobachters ausgehen muss, um die eigene Macht-Stellung zu sichern (das ist nicht Meinung, das ist objektive Wissenschaft).

Ich sehe diese Möglichkeit als nicht gegeben. Und dadurch verliert dein Post für mich jeden tieferen Sinn.

Zu welcher der Gruppen möchtest du dich selbst rechnen? Oder nimmst du die neutrrale Beobachter-Rolle unhinterfragt an?

Ich selbst kann mich bspw. zu beiden Gruppen solidarisch erklären. Schon beim Ex-Yugoslavien-Konflikt dachte ich, "baut doch einfach ne Mauer drum, und werft genügend Waffen und Munition rüber, das Problem erledigt sich dann ja von selbst".
Auf der anderen Seite habe ich jedoch genug Menschen erlebt, die für Ausgleich im eigenen direkten Umfeld sorgen - natürlich waren das nur sehr selten Wohlhabende. Menschen, die ihre letzten 5 Mark mit jemandem teilen, einfach damit BEIDE essen können - ungeachtet der Frage, wo das Geld für das morgige Frühstück dann herkommt (die 5 Mark hätten dafür auch noch gereicht). Am nächsten Tag wird sich dann eventuell revangiert, oder jemand anders kann und will weiterhelfen.
Daraus habe ich für meinen Teil gelernt, dass die Möglchkeit , teilen zu können (also genug Geld für die Ernährung, Unterkunft, Bekleidung gleich einer ganzen Sippe zu besitzen) gerade zu als Hindernis wirkt, wenn es darum geht, andere am eigenen Reichtum teilhaben zu lassen.
Wer eigentlich nicht teilen kann, der tut es manchmal sogar ungeachtet individueller Bedürfnisse, Wünsche oder Zu- bzw. Abneigungen.
Wer sowieso genug hat, lebt hingegen oft genug streng nach dem Grundsatz "sebstfressen macht fett".
Ist ja auch verständlich, bedingungsloses Teilen führt schließlich nur selten zu Wohlstand, und ab einem gewissen Standard reichen eben auch 10.000 im Monat nicht für ein angemessenes Leben aus.
das Verhältnis zwiischen Besitz und Gier ist wohl so ähnlich, wie das zwischen Masse und Gravitation. Zumindest legen mir das meine individuellen und daher höchst subjektiven Beobachtungen nahe.

Es ist zwar echt uuralt, und ich mag es mittlerweile schon fast nichtmehr schreiben, aber es geht noch immer um ein Thema der altgriechischen Philosophie - das rechte Maß - der Blick für das Notwendige, der nicht nur die persönlichen Wünsche in den Vordergrund rückt.

Edit:
Mit Verzicht hat das rechte Maß in der art zu tun, dass natürlich nicht nur westliche Wohlstandbürger mit dem Maßhalten so ihre Probleme haben, auch anderswo, auch da wo es nicht genug gibt, konsumieren die, die das wenige Vorhandene bezahlen können oft ohne vernünftiges Maß.
Die Bedürfnisse Vieler müssen hinter den Wünschen Einzelner zurückstehen, und das scheint überall auf der Welt normal - zumindest aus einer medial geprägten Sicht der westlichen Konsumkultur heraus.
Immerhin wäre es möglich, dass diese Wahrnehmung gesellschaftlich so gewollt ist (sozialisiert, konditioniert, habituiert), um auch ja keine annehmbare Alternative zu dieser Normalität sichtbar werden zu lassen, damit man sein eigenes Verhalten als normal, vielleicht sogar als natürlich begreifen kann.

Bevor es falsch verstanden wird - ich bin kein Anti-Hedonist, aber ich denke, dass man viel mehr Wünsche und Bedürfnisse erfüllen könnte (auch langfristig), wenn sich nicht jedes Individuum nur um den eigenen Fettwanst sorgen macht.
Natürlich erfülle ich mir selbst auch gerne Wünsche (ich bilde da sicher keine Ausnahme), aber neben die Fragen "kann ich mir das leisten?" und "will ich das haben?" tritt bei mir noch die Frage "brauche ich das wirklich?".
Und ich glaube, genau DIESE Frage ist nicht nur unglaublich wichtig, sondern wird auch viel zu selten gestellt. Die Wirtschaft freuts, denn Menschen, die sich diese Fragen nicht stellen, kaufen sicher etwas häufiger auch eigentlich völlig unnötigen Schnickschnack.
 
Zuletzt bearbeitet:
DerOlf schrieb:
Die Bedürfnisse Vieler müssen hinter den Wünschen Einzelner zurückstehen, und das scheint überall auf der Welt normal - zumindest aus einer medial geprägten Sicht der westlichen Konsumkultur heraus.
Immerhin wäre es möglich, dass diese Wahrnehmung gesellschaftlich so gewollt ist (sozialisiert, konditioniert, habituiert), um auch ja keine annehmbare Alternative zu dieser Normalität sichtbar werden zu lassen, damit man sein eigenes Verhalten als normal, vielleicht sogar als natürlich begreifen kann.

Ich glaube es ist schwierig, zwischen sozialisierten (künstlicher) und natürlichen Bedürfnissen so einfach zu unterscheiden. Wie ich schon einmal schrieb, halte ich das Bedürfnis nach "Übermaß" für natürlich, die Form der Ausprägung aber sozialisiert und gesellschaftlich beeinflusst.
Ich denke auch nicht, dass man natürliche Bedürfnisse so einfach aus einem gesellschaftlichen Kontext reißen kann. Gesellschaften, in welcher Form auch immer, entstanden aufgrund menschlichen Handelns und menschliches Handeln basiert primär auf Bedürfnissen.
Diskutieren müsste man, ab wann ein System selbsterhaltende Funktionen entwickelt, sodass z.T. Verhalten, als normal oder natürlich empfunden wird aber im Grunde systemisch sozialisiert wurde.

Im Kontext "Verzicht auf Verzicht" müsste man also schauen, ob dieses Verhalten natürliche Wurzeln hat oder eben auf bestimmten Gesellschaftsfunktionen beruht. Zumindest scheint hier "Kapitalismus gegen den Rest" nicht zu funktionieren. Wirklicher Altruismus scheint eher eine soziopsychologische Komponente in unserem Verhalten zu sein, die einen Bezug zum "Empfänger" vorraussetzt.
 
Es gibt dann auch noch die Grundbedürfnisse und den Luxus.

Die Bedürfnisse Vieler müssen hinter den Wünschen Einzelner zurückstehen, und das scheint überall auf der Welt normal - zumindest aus einer medial geprägten Sicht der westlichen Konsumkultur heraus.
Das ist im übrigen immer nur Evolutionsmäßig so. Die mit guten Genen (oder den Vorfahren die reich waren) werden mehr zur Verfügung haben als Andere. Das hat noch nichtmals mit Konsum zu tun, sondern mit Besitz.

Gesellschaften, in welcher Form auch immer, entstanden aufgrund menschlichen Handelns und menschliches Handeln basiert primär auf Bedürfnissen. Diskutieren müsste man, ab wann ein System selbsterhaltende Funktionen entwickelt, sodass z.T. Verhalten, als normal oder natürlich empfunden wird aber im Grunde systemisch sozialisiert wurde.
Nein, Gesellschaften entstanden als Symbiose von Menschen, die sich gegenseitig geholfen haben, um nicht gefressen zu werden. Wenn jeder die Möglichkeit gehabt hätte, selber keinem Tier oder einer anderen Menschengruppe zum Opfer zu fallen, wäre der Mensch wie ein Tier geblieben und hätte kein großes soziales Verhalten inkl. einer Gesellschaft entwickelt. Dabei gibt es kein Bedürfnis nach Gesellschaft ansich.

Das System ist auch nicht selbsterhaltend, es ist ja nur wichtig für die nächsten 4 Jahre, bis die neue Regierung wiederum gewählt ist, um den Blödsinn der letzten Regierung weiter zu führen. Man wechselt nur die Bannerfarben aus. Die Struktur dahinter bleibt dieselbe, und die ist keinesfalls Bürgernah oder im entferntesten gut für die Menschen in einer Gesellschaft.

Den Altruismus fördern wird NIE funktionieren. Das liegt einfach an den Genen und dem "Survival of the fittest". Es wird immer einen geben, der es ausnutzt.

Ums aufs Thema hier zu legen: Nehmen wir an, wir haben ein Brot. Und das Brot teilen wir mit 2 anderen Menschen, der eine ist unverschuldet nicht in der Lage, für sein Brot etwas zu tun. Der Andere hat KEINE LUST etwas für das Brot zu tun. Und mit denen teilen wir ein Brot, dann ist das zwar sozial für den, der nichts tun kann (Sozialstaat und -leistungen), es ist aber unsozial von dem, der nichts tun WILL (Sozialschmarotzer). Ein großer Teil wird dann schmarotzen, weil es der Vorteil für sie selbst ist, nichts zu tun, und dennoch etwas zu bekommen.

Was fehlt ist das WIR. Was fehlt ist der Zusammenhalt der Menschen, der Gesellschaft, der Menschen in einem Land, der Menschen auf der Erde. Solange es kein WIR gibt, wird nichts klappen. Dabei kann der Staat regulierend eintreten.

Würden wir z.B. jeden fragen in Deutschland, ob eine Krankenkasse in Deutschland für jeden gut ist, ich denke, dass die meisten sagen würden: Ja. Wenn wir fragen, ob die Renten für das Alter sicher sein sollen, dann sagen die Leute: Ja. Wenn wir fragen, ob man bei Arbeitslosigkeit Geld bekommen soll, dann sagen die Leute: Ja. Wenn wir fragen, ob die Steuern erhöht werden sollen, sagen die Leute: Nein.

Es fehlen dem "normalen Bürger" Zusammenhänge. Es fehlt dem Bürger die unsagbare Leistung des Staatsapparats vor Augen geführt. Die Komplexität und dennoch die darin enthaltenen Ungerechtigkeiten. Gegen die muss man was tun, nicht gegen die Leistungen, die jeder Bürger einem anderen Bürger bezahlt.

Und nur wenn man im eigenen Land gute Verhältnisse schafft, kann man das auch in Anderen. Was dafür zu tun ist, ist jedoch sehr viel....
 
Onkelhitman schrieb:
Nein, Gesellschaften entstanden als Symbiose von Menschen, die sich gegenseitig geholfen haben, um nicht gefressen zu werden. Wenn jeder die Möglichkeit gehabt hätte, selber keinem Tier oder einer anderen Menschengruppe zum Opfer zu fallen, wäre der Mensch wie ein Tier geblieben und hätte kein großes soziales Verhalten inkl. einer Gesellschaft entwickelt. Dabei gibt es kein Bedürfnis nach Gesellschaft ansich.

Doch! ;)
Nichts anderes habe ich geschrieben. Du hast nur ein vereinfachtes Beispiel für Gesellschaft beschrieben. Vereinfacht gesagt: Bedürfnis ist Sicherheit und der soziale Zusammenschluss (menschliche Handlung / Verhalten) die "Gesellschaftsform", die das Bedürfnis am besten gewährleistete. Die Sache ist natürlich etwas komplexer, wenn man alle Elemente betrachtet.

Die Selbsterhaltung eines Systems hat erstmal wenig mit Wahlperioden oder Gesellschaftsformen zu tun. An dieser Stelle nur der Verweis auf "Strukturfunktionalismus", da dies nicht direkt etwas mit dem Thema zu tun hat. Du hast ja schon auf die Struktur verwiesen; genau darum geht es. Innerhalb von Strukturen (von Familie bis Gesellschaft, Religion, Idologie) existieren Rollen, die bestimmte Funktionen erfüllen. Diese Funktionen sind notwendig, die Struktur "am Laufen" zu halten. Die Struktur muss also Rahmen besitzen, die die Akteure dazu bringt, diese Rollen wahrzunehmen. Das verstht man unter "Selbsterhaltung".

War jetzt n bisschen abstrakt, also einfach mal "Strukturfunktionalismus" oder "Parsons" googeln.
 
Das Problem ist auch, dass die Größe der Welt bzw die Anzahl der Menschen zu Abstrakt ist für unseren evolutionären "Rudel/Herden Trieb".
Ich denke innerhalb der Familie (ich rede jetzt von einer "normalen" Familie, die nicht zerrüttet ist oder so) hat niemand ein Problem wirklich auf etwas zu verzichten um einem Familienmitglied zu helfen. Wir sind eben evolutionär gesehen Familien/Gruppentiere.
Im Freundeskreis wären sicher auch fast alle dazu bereit. Die Gruppen wurden in unserer Geschichte größer und größer.
Klar würde man seinem Nachbarn helfen wenn ihm beim Sturm ein Baum das Haus zerstört. Irgendwann ist die Entfernung zu der Person, für die wir auf etwas verzichten müssten so groß, dass dies zu Abstrakt für das ist, was uns die Evolution mitgegeben hat. Die hat nie vorgesehen dass wir mal Staaten mit Millionen von Menschen gründen. Diese Gebilde haben wir gebildet weil wir uns sonst zerfleischen würden.
Dazu kommt dann, dass wir von wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Seite doch eher zur Gier getrieben werden. Gier, Neid, das Bedürfnis besser zu sein als andere. Das funktioniert bei der abstrakten Bevölkerungsgröße, in einer Familie nur bedingt.
Und sobald eine große Katastrophe kommt fallen wir wieder in die Barbarei zurück (außer vllt die Japaner ;))

Für Menschen die wir kennen und lieben tun wir eben mehr als für irgendwelche Unbekannten 10000km weit weg...
 
Slobad schrieb:
Das Problem ist auch, dass die Größe der Welt bzw die Anzahl der Menschen zu Abstrakt ist für unseren evolutionären "Rudel/Herden Trieb".

Wir haben aber quantitative Systeme und Empirie, mittels derer wir solche Systeme greifbar machen. Die Vereinten Nationen sind supranational und können Sachverhalte in Zahlen ausdrücken. Dem intelligenten Individium kann sich so jederzeit erschließen, in wieweit z.B. Ungleichheit zwischen den Staaten herrscht.

Ob dies die individuellen Entscheidungen beeinflussen wird, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Dafür ist dieser Thread das beste Beispiel. Hier argumentieren auch intelligente Individuen gegen globale Solidarität.


Slobad schrieb:
Ich denke innerhalb der Familie (ich rede jetzt von einer "normalen" Familie, die nicht zerrüttet ist oder so) hat niemand ein Problem wirklich auf etwas zu verzichten um einem Familienmitglied zu helfen. Wir sind eben evolutionär gesehen Familien/Gruppentiere.

Der Grund ist das Weitertragen des eigenen Genmaterials. Das funktioniert erfahrungsgemäß gut, wenn man in der eigenen Sippe am selben Strang zieht. Das Wohl der Familie ist synonym zu meinem eigenen. Dieser Motivator scheitert aber schon an der Blutgrenze. Mein Nachbar ist mir schon viel weniger wichtig als meine Kinder.

Damit kann man keine Gesellschaften bilden und betreiben. Da braucht es höherwertiger Mechanismen, wie von e-ding hier sehr gut dargelegt.

Ebenso ist dieser Trieb nicht linear skalierbar. Von daher hier nicht relevant.

Sprich:

Mein Nachbar ist mir um fünf Größenordnungen weniger wichtig als meine Kinder, mein Landsman um Faktor 100 und ein Miteuropäer um Faktor 1000. Das ist dann aber immer noch genug, dass ich sechs Monate meiner Lebenszeit in das Schaffen von Kaufkraft stecke, die ich dann "dem Griechen" schenke.


So ist dies aber nicht, denn der Grieche ist mir hinsichtlich der Herdentriebs völlig egal. Daher muss hier ein andere Mechanismus greifen, warum ich ihm letztendlich sechs Monate Kaufkraft übereignen muss und sie nicht in ein schönes Auto oder meine Kinder stecke.
 
ich habe gelernt, dass materieller wohlstand bzw konsum nur für kurze Zeit glücklich macht und einem nicht wirklich ausfüllt. Seitdem ich den Konsum eingeschränkt habe und mehr für meine Seele tue (sich von der doofen Masse / Herde abspalten, mehr rausgehen in die Natur, alles gelassener sehen, froh sein, dass es einem eigentlich so gut geht, auch mal über Dinge, die einem sonst aufrege lächeln, mehr mit der Familie unternehmen usw) geht es mir generell viel besser und ich bin fröhlicher.

Wir beschäftigen uns mit Dingen und regen uns über Sachen auf die objektiv betrachtet sowas von unwichtig und trivial sind.

Das hat nix mit Esoterik zu tun.

Ich denke viele Menschen in armen Ländern sind fröhlicher und haben mehr zusammenhalt als wir mit unseren Wohlstandsproblemen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir haben aber quantitative Systeme und Empirie, mittels derer wir solche Systeme greifbar machen.
Dass jemand weiss, in Afrika hungern Millionen Menschen, heisst aber nicht, dass er bereit ist, auf etwas zu verzichten um denen zu helfen. Das meinte ich mit der Abstrakten Entfernung. Das Leid der Menschen da ist trotz Bilder etc nicht greifbar genug, um jeden Menschen hierzulande dazu zu bewegen z.B. mehr fuer sein Brot zu bezahlen.

Ebenso ist dieser Trieb nicht linear skalierbar. Von daher hier nicht relevant.
Ich verstehe nicht warum das nicht relevant sein soll. Es geht doch darum warum gerade das so schwer faellt. Und unter anderem eben weil es uns gut geht, waehrend die, denen es schlecht geht weit weg sind. Also warum sollte ich auf mein billiges Smartphone oder Brot verzichten, wenn die denen es schadet so weit weg sind, das das Leid zu abstrakt ist um mich ernsthaft zu beruehren? (mit mich meine ich nicht mich persoenlich ;))
 
Das ist usus und hatten wir im Thread schonmal. Selbst wenn wir was tun würden, auf Lange Sicht ändert das gar nichts. Selbst bei nem Nachbarn um die Ecke. Und "hier" geht es auch nicht allen gut. Wofür man sorgen muss ist Stabilität und Vergrößerung (Macht, Geld) des eigenen Landes, denn ansonsten saufen alle Länder der Welt, und alle Menschen der Welt ab, dadurch, dass gespendet wird und Geld abgezweigt wird für etwas, was niemals besser wird.

Das hat dann auch nichts mit der Entfernung zu tun, sondern daran, dass man schon im eigenen Land kaum was bestimmen kann. Wie soll man dann in anderen Ländern was ändern? (siehe Türkei, dort hätten auch viele Menschen aus dem Ausland die Wahl, einen Kandidaten zu wählen der "besser" für Gleichberechtigung etc. ist. Dennoch wird Herr Erdogan gewählt; Was sollen also die anderen Länder tun, um die Türkei zu ändern, damit sie in die EU könnten, wenn "die Türken" [Wählerschaft] das nicht will?)
 
Ich kapere das Thema mal :cool_alt:

Und möchte meine Argumentation hinsichtlich Umweltschutz, Gerechtigkeit und Konsum hiermit unterstreichen:

http://youtu.be/UaEqyyotENQ


Achtung, das macht schlechte Laune. Die Serie "Utopia" von channel 4 kann ich trotzdem bedingungslos empfehlen. Passt wirklich wie angegossen zu diesem Thread.

PS: Die anschließenden Drohungen des Darstellers sind natürlich nicht Teil der Argumentation. Die gehören dramaturgisch zur Serie.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kultur versus Natur - Henne vs. Ei.

Da wir in einem System leben, welches die Grenze zwischen natürlichen und künstlichen Bedürfnissen verwischen MUSSTE - um Profit zu generieren und auch zum Selbsterhalt - halte ich eine genaue Beantwortung der Frage nach "genetisch bedingt" bzw. "natürlich" und "sozialisiert" bzw. "künstlich" für nicht zu klären.
Wir können nur sehr grob umreissen, was natürliche Bedürfnisse sind. Bei Ernährung (Essen und Trinken), Kleidung und Wohnung (Schutz vor der Natur) können sir uns einig sein, dass dies Bedürfnisse sind, die wir mit jedem anderen Tier teilen - das muss man wohl natürlich nennen. Jede Ausprägung der Bedürfnisbefriedigung hingegen ist kulturell überfrachtet - und setzt eher an den Rahmenbedingungen an, die unsere Gesellschaftsform für die Befriedigung der wenigen tatsächlich natürlichen Bedürfnisse setzt. Ich kann das nicht ohne weiteres "naturlich" nennen, aber rein künstlich ist es eben auch nicht.

Soziale Anerkennung ist ein Bedürfnis, sehr wahrscheinlich ein für soziale Wesen natürliches. Aber wie in aller Welt soll man jemandem von einem anderen Stern bitte klar machen, dass auf desem Planeten zwar Milliarden Menschen mit diesem Bedürfnis leben, sich auf dem selben Planeten jedoch "Sozialsysteme" entwickeln konnten, die mehr darauf ausgerichtet sind, Anerkennung zu versagen. Wir alle haben das gleiche Bedürfnis nach Anerkennung, und dennoch haben wir ein System geschaffen, welches nicht um die Bedürfnisbefriedigung vieler organisiert ist, sondern vielmehr sich darin erschöpft, Ungleichheiten zu finden, zu intensivieren und in möglichst großen Individualprofit in Form exklusiver Annerkennung umzumünzen.
In meiner pespektive hat das fast etwas perverses, wenn die Funktion einer Gemeinschaft sich darin erschöpft, Bedürfnisbefriedigung zu verweigern, damit diese für die wenigen, die sie bekommen - weil sie besonders toll oder wichtig, schön oder klug sind oder einfach eine Masse Kohle haben, und daher all diese Eigenschaften erwerben können - etwas besser schmeckt.
Um die Perversion dieses Systems zu erkennen, muss ich nichtmal meine direkte Nachbarschaft verlassen, ich sehe und spüre das sogar teilweise innerhalb angeblich solidarischer Gemeinschaften oder innerhalb der "Blutgrenzen" meiner Familie.
Was wir da tun, ist nicht Gemeinschaft, das ist nichts weter als Konkurenzkampf.
Wenn ich wie Platon Staat und Körper vergleiche und das "Funktionieren" unserer Gesellschaft dabei stark überzeichne, ist das so, als würden sich Magen und Leber drum streiten, wer nun für das funktionieren des Körpers wichtiger ist - und vor lauter unwichtigkeitszuschreibungen dabei ganrnicht erkennen, dass jeder Teil fürs funktionieren des ganzen von essentieller Bedeutung ist, ganz egal wie "unwichtig" der Beitrag erscheinen mag.

Eine solche Gesellschaft könnte tatsächlich kurz nach der Verbannung der angeblich unwichtigen Gruppe der Telefonsterilisateure an einer über Telefone übertragenen Epidemie aussterben.

Ich entschuldige mich mal für meine doch ziemlich fatalistische Einstellung ... ich kann grad nicht anders.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Checkup
Das bedeutet, auf Kinder zu verzichten, wäre eine Lösung für die Welt?

Da stellt sich die Frage, für welche Welt? Soll jeder für sich entscheiden, welches Leben wichtig ist und welches nicht? Wir können es ja überspitzen, was ist mit Menschen, die einen Job ausüben, den eigentlich heutzutage jeder 0815 Staubsaugerroboter ausführen kann? Sollen sich diese Menschen nun aufgrund der Gemeinschaft selbst opfern und suizid begehen, weil sie damit der Gesellschaft weniger zur Last fallen? Oder weil ihr Genmaterial scheinbar nicht für mehr geeignet ist? Wer entscheidet es? Was lebenswert ist und was nicht?

@DerOlf
Die Anerkennung, die du erwähnst, wurde verlagert. Ich mache es mal anhand von Computerspielen deutlich, denn ich habe da selber Erfahrungen gemacht als junger Mensch.

Vor ca. 20 Jahren haben wir mit mehreren Personen Amiga gespielt und uns dabei abgewechselt. Oder wir haben gespielt und uns gemessen. Wir haben uns gefreut, wenn wir selbst gewonnen haben, wir waren aber niemals gehässig, sondern das Spielen animierte uns nur, besser zu sein als jemand anders. Wenn jemand besser war, gaben wir das zu und er hat eine Art von Anerkennung bekommen.

Vor ca. 13 Jahren haben wir im Internet Computer gespielt und zusammen konnten wir mehr erreichen, als einzeln. Die Gruppenleistung war entscheidend, jeder trug seinen Beitrag zum Spiel und zum Weiterkommen, dabei war die eigene Punktzahl nicht so wichtig, wie die Punktzahl der Gruppe. Denn die Gruppe WAR DER SPIELER. Er war Mitglied.

Ein paar Jahre später konnte derjenige, mit der besten Computerhardware mehr erreichen, als jemand mit einer schlechteren Computerhardware. Daraufhin haben sich sehr viele Menschen neue Computerhardware gekauft, ob sie nun fähig waren, diese zu benutzen oder nicht. Diejenigen, die noch nie gut spielen konnten wurden zwar besser, konnten aber immer noch nicht von ihrer "Leistung" sprechen. Sie gingen direkt über in den Konsum und fanden dort ihre Bestätigung der Person in ihrer Computerhardware. In Besitztümern. Aber nicht mehr in ihrer tatsächlichen Leistung.

Ein paar Jahre später konnte derjenige mehr erreichen, der entweder tausende Stunden spielte oder aber seine virtuellen Gegenstände für Geld einkaufte. War es früher noch in Spielen möglich, Gegenstände selber zu finden, so musste nun ein ungeheuer großer Aufwand an Spielstunden her. Wer dies nicht investieren wollte hatte nur 2 Wahlmöglichkeiten. Entweder er musste auf das Spielen verzichten. Oder wenn jemand des Hobbys wegen spielte, musste er zwangsläufig Geld ausgeben. So trennte sich dann wiederum eine Spielergruppe. Eine wurde intensiver Spieler, mit sehr hoher Spielzeit. Die andere Gruppe kaufte sich nun ihre Gegenstände, da sie diese Zeit nicht hatten.

Später konnte nur derjenige mehr erreichen, wenn er tausende Stunden spielt UND Gegenstände für Geld einkauft. Somit ist der Spieler direkt an das Spiel gebunden, muss sich auch jegliche Erweiterungen kaufen und sich registrieren, seine Daten offen legen und und und.

Natürlich gibt es dann noch als letzte Gruppe diejenigen, die bei irgend einem dieser Punkte aufgehört haben zu spielen, weil sie das nicht mehr als Spielen anerkannt haben. Es war kein Erfolg mehr für die Menschen, für Gruppen oder für Einzelpersonen um sich zu messen nach der Fähigkeit des Computerspielens. Sondern eine unsinnige Material- und Zeitschlacht. Sie zerstörte dann auch die Fähigkeit im richtigen Leben etwas neues auszuprobieren, die Routine soll es ablösen. Die Routine, Geld zu verdienen und das Geld dann für sein Hobby, dem Computerspielen, auszugeben.

Dieses, Phänomen, hat sich dann auch im richtigen Leben in zahllosen Beispielen herausgebildet. Dabei ist vor allem das eigene Prestige wichtig. Ich für meinen Teil erfreue mich der eigenen Fähig- und Fertigkeiten, meine das noch nicht einmal überheblich oder narzistisch. Aber etwas neues zu backen z.B. ist auch mit wenigen Zutaten möglich, kleine Veränderungen haben exponentiale Auswirkungen auf den Geschmack. Wenn mir etwas nicht gelingt, versuche ich es so lange, bis es klappt. Dabei gehe ich niemals davon aus, dass etwas auf Anhieb klappt. Tut es das, ist das wunderbar. Tut es das nicht, mache ich weiter. Aber habe ich es geschafft, schmeckt das Ergebnis mir und evtl. meinen Gästen, dann hat es sich gelohnt, dann fühle ich mich gut, und das ist ein Gefühl, welches man mit egoistischer Einstellung niemals erfahren wird. Nämlich nicht nur, dass man sich gut fühlt, weil man etwas erreicht hat, sondern man fühlt sich gut, weil man etwas für andere erreicht hat. Wenn mehr Menschen so denken würden, und damit meine ich nicht meine Freude am backen, sondern Freude als Gefühl, wenn man für die Gemeinschaft etwas erreicht hat. Ich freue mich im übrigen auch genauso, wenn mein Onkel etwas gebacken hat, was wundervoll schmeckt. Wenn es gelingt schreibe ich das Rezept auf, ich kopiere es. "Nachahmung ist die höchste Form der Anerkennung". Denn es erfreut ihn, es erfreut mich.

Das ist in großen Teilen einfach verloren gegangen. Weil die einzige Freude, die viele empfinden die ist, mehr zu besitzen, Geld, Macht, aber dahinter sind sie nur leere Hüllen ohne Inhalt.

PS: Ups, fast vergessen. Und daher ist der Verzicht, auch ein Verzicht dessen, was man kann und was man nicht kann. Ich werde niemals gut Bilder malen können. Ich habe es so oft versucht, in mehreren Stilen, mit verschiedenen Medien, es hilft nichts. Ich bin in der Hinsicht nicht fähig, es zu tun. Es gibt aber genug Menschen, die es können, und die haben meine Anerkennung dafür. Man sollte jeden Menschen schätzen. Vielleicht lernt man so generell das zu schätzen was man hat, konsumiert deswegen weniger und trägt somit seinen Teil bei.
 
@Onkelhitman
Ich habe mich über deine Reaktion auf meinen doch sehr schwarzmalerischen Beitrag sehr gefreut. Deine haltung zu Anerkennung ehrt dich, denn darin steckt eine Ansicht, die ich teile - man sollte Leute dafür anerkennen, was sie können oder tun (auch wenn sie es eigentlich nicht gut können). Ich gebe mir Mühe das genauso zu machen.

Die momentan etwas sehr pessimistische Sicht darauf, hängt wahrscheinlich damit uzusammen, dass ich mich in letzter Zeit sehr viel mit einem bestimmten soziologischen Konzept beschäftigt habe. Pierre Bourdieus Konzept der symbolischen Gewalt.
Kern dieses Konzeptes ist das unbewusste Reagieren auf Symbolsysteme - wie z.B. akad. Titel, die unter Umständen einen Vorschuß an Authorität gewähren können. Herr Professoor wird das schon wissen und auch wenn ich persönlich seine Meinung für absoluten Blödsinn halte, den ich auf keinen Fall in meinen Erfahrungen wiederfinde, kann es passieren, dass ich betont NICHT widerspreche, weil mir - so die an Symbolik, die der Titel impliziert - die nötige Fachkompetenz fehlt. Das führt oft sogar dazu, dass Expertenurteile erst garnicht richtig hinterfragt werden.
Oft genug entbehrt das allerdings jeglicher Grundlage. Ich bin kein Musik-Professor, habe nichtmal einen Abschluss in Musik gemacht, und dennoch verstehe ich Musik auf einer analytischen Ebene die mMn viele mit solchen Titeln Ausgezeichnete nicht erreicht haben.
Nach Bourdeu, wird durch den Verzicht (da haben wir ihn) auf eine Gegenargumentation die Willkür des Berechtigungssystems, aus dem der Titel stammt, praktisch verkannt, damit wird das System als solches Anerrkannt und bestätigt, und die betont nicht wirklich an Kompetenzen orientierte Interaktion zwischen Titellosen und Titelträgern reproduziert.

Momentan sehe ich leider an jeder Ecke diese Mechanismen, die letztlich mit Macht zu tun haben, in dem sie sie auch dort legitimieren, wo es eigentlich keine logische Legitimation gibt, was allerdings nicht auffällt, weil das "Nicht-sehen-können-wollen" eben integraler Bestandteil des Systems ist.

Demnach sehe ich ähnliche Mechanismen auch bei Anerkennung.
In einem persöönlichen bereich - auf den du dich nun bezogen hast - sieht das wohl etwas anders aus.
Noch ein Beispiel aus der Musik: Ich erfahre Anerkennung, weil ich kreativ mit Musik arbeite, mich damit ausdrücke, auch wenn das handwerkliche Können dafür zunächst nicht ausreicht - der Gitarist in meiner Band bekommt meine Anerkennung, weil er fast mechanisch seine Lines und Riffs immer gleich spielt, wenn er sie dann gelernt hat (was manchmal etwas schneller gehen könnte).
Ich bekomme also seine Anerkennung, weil ich unerwartetes tue, er hingegen bekommt meine, weil er genau das tut, was zu erwarten war, in einer handwerklichen Perfektion, die ich zwar beherrsche, aber nicht anstrebe. Meiner Meinung nach entspricht das, was er tut nicht meinem Anspruch an Musik als Kunstform - und das anzuerkennen ist für mich manchmal einigermaßen schwer, aber ich muss mMn eben anerkennen, dass er tut was er kann, obwohl er weiß, dass es meinen Ansprüchen eigentlich nicht genügt - ich bewundere ihn schlicht dafür, dass er das so robotich kann.
Bei Konzerten sind im Publikum allerdings immer mehr Menschen, die ihn "anhimmeln", während meine Arbeit oft nicht viel mehr als Erstaunen oder vielleicht Interesse weckt - mir wird im öffentlichen Raum also die Anerkennung für etwas versagt, an dem ich lange gearbeitet habe. Im Prinzip weil Musik für mich eben mehr ist, als Beschallung zum Abzappeln.
Ich erfahre Anerkennung von "Kollegen", die ein ähnliches musikalisches Verständnis haben - er hingegen erfährt Anerkennung von der breiten Masse.

PS:
PC-Spiele müssen nicht unbedingt teuer sein, und die besten Folgen ohnehin nicht dem pay2win-Prinzip.
Ich spiele z.B. gerne GT-Legends, grafisch ist das nicht der Brüller, aber die Community hat mittlerweile ein extrem umfangreiches Spiel daraus gemacht (der Test ist von 2005, bei Youtube kann man sehen, das das mittlerweile eigentlich ein anderes Spiel ist). Zusätzlicher Content ist gratis (naja, man muss sich schon registrieren), und sogar die Kostenbeteiligung an den Servern ist rein freiwillig. Seit 2006 habe ich dafür knapp €50,- ausgegeben, und das meiste davon floss in die Steuergeräte, die man ja auch für andere Spiele nutzt - Das Spiel selbst war bisher nicht teurer als €10,-.
Spass oder "Skill" kann man eben nicht kaufen - jedenfalls nicht bei einem tragfähigen Spielkonzept.
 
Zuletzt bearbeitet:
Momentan sehe ich leider an jeder Ecke diese Mechanismen, die letztlich mit Macht zu tun haben, in dem sie sie auch dort legitimieren, wo es eigentlich keine logische Legitimation gibt, was allerdings nicht auffällt, weil das "Nicht-sehen-können-wollen" eben integraler Bestandteil des Systems ist.
Nicht nur das, kleine Veränderungen werden erst gar nicht wahrgenommen. Wenn heute eine neue Steuer eingeführt würde, dann würden die Menschen nur noch sagen: "Achja, bei den vielen Steuern macht eine unsinnige den Braten nicht mehr fett." Damit wird die Ungerechtigkeit legitimiert, und zwar nicht nur die Neue, sondern die alte wird einfach akzeptiert. So etwas lässt die Wurzel faulen, und zwar die Wurzel der Demokratie. Das heißt, man sieht die Ungerechtigkeit sogar, aber man resigniert weil man meint, nichts ändern zu können.

Bei Konzerten sind im Publikum allerdings immer mehr Menschen, die ihn "anhimmeln", während meine Arbeit oft nicht viel mehr als Erstaunen oder vielleicht Interesse weckt - mir wird im öffentlichen Raum also die Anerkennung für etwas versagt, an dem ich lange gearbeitet habe..... Ich erfahre Anerkennung von "Kollegen", die ein ähnliches musikalisches Verständnis haben - er hingegen erfährt Anerkennung von der breiten Masse.
Nunja, wen willst du erreichen? Wichtig ist doch zuerst einmal, dass dir selber die Musik Spaß und Erfüllung bringt. Was nützt es, wenn du deine Musik nur für andere machen/spielen würdest und dabei kein Gefühl selbst erlebst? Es dient also in erster Linie dir selbst. Wenn "die Masse" das nicht gut findet: Nun, was solls? Um da mal jemand einzubringen: Nehm mal Helge Schneider. Der hat (in meinen Augen) nur ein Konzept: Er macht, was er will, wenn er es will. Die Leute mögen ihn so, es gibt aber augenscheinlich überhaupt kein Konzept hinter dem, was er macht. Das muss es aber auch nicht, denn es muss ihm ja gefallen in erster Linie.
Anstatt also um die Massen zu buhlen sollte man erst einmal selber zufrieden sein. Schrieb ich ja schon. Zufrieden mit dem sein, wer man ist, und was man hat.

Spass oder "Skill" kann man eben nicht kaufen - jedenfalls nicht bei einem tragfähigen Spielkonzept.
Wenn du ein Spiel jahrelang gespielt hast, dessen Nachfolger und dann den letzten Teil spielen möchtest, es aber nicht kannst, dann gehts wohl nicht anders als: Entweder, oder.

Um dein Professor-Beispiel zu nehmen: Es ist mir letztlich völlig egal, wenn ich Belege habe, die gegen einen Professor, Doktor oder Bundeskanzler sprechen, dann ist das so. Was einem nunmal wurscht sein sollte, ist die Gesellschaft. Man muss eben nicht bei allem und jedem hinterherlaufen. Es sind nicht alles gute Ideen. Manche sind schlecht. Abwägen, auswerten, und dann für seine Meinung eintreten.
 
Das Musikbeispiel ist für mich ziemlich schwer zu beschreiben, daher ist wohl auch nicht so richtig rübergekommen, was mich daran eigentlich stört.

Die Band buhlt um die Massen - sie muss es tun, um überhaupt Auftritte zu bekommen (klicks bei Facebook oder downloads bei Bandcamp sind mittlerweile den Veranstaltern wichtiger, als die Musik selbst). Ohne Auftritte macht man allerdings die Musik nur für sich, und de engen Wände des Proberaumes - was auf dauer nicht sehr befriedigend ist. Daher entwickelt sich meine Band momentan in Richtung Massentauglichkeit, was allerdings meinem Anspruch diametral entgegensteht. Ich möchte Musik machen, nicht nur musikalische formen reproduzieren, von denen ich aufgrund meiner musikalischen Ausbildung weiß, dass sie den meisten Menschen seit Jahrhunderten gefallen.
Leider scheint mich dieser Anspruch ins Abseits zu stellen. Mir geht es dabei schlicht um meine musikalische Weterentwicklung, und die Imitation von Bekanntem und seit Jahrhunderten Wiedergekäutem bringt einen da nicht besonders weiter.
Der Rest meiner Band sieht Musik hingegen scheinbar eher als Transportmittel für Texte, fast ausschließlich. Die Entwicklungen sind hier doch eher literarischer Natur, während die Musik in Harmonien und Formstrukturen verharrt, die schon für J.S. Bach ein alter Hut gewesen sein dürften (als Beispiel: Die "schönsten Jazz-Klassiker" hätte auch der schon schreiben können, und hat es eigentlich sogar getan).
Ich möchte im Prinzip sogar ähnliche Effekte erzielen, aber eben nicht mit den immer gleichen Stilmitteln, sondern auf meine ganz eigene art und weise.

So langsam reift in mir die Erkenntnis, dass ich meine eigene Musik wohl entweder auf dem Papier, oder am PC weiterentwickeln kann, was jedoch mit meiner Sicht auf das Musizieren als soziales Event kollidiert. Musik ist im Verein noch viel schöner als Sport, um mal einen flachen Werbeslogan zu paraphasieren. Und ich möchte nicht zuhause sitzen, und Musik produzieren die sehr wahrscheinlich nie jemand hören oder spielen wird.

Leider scheint das europäische Kunstverständnis nicht besonders vom klassisch asiatischen Abzuweichen, wo Kunst vorallem bedeutete, möglichst genaue Stilkopien anfertigen zu können.
Mir reicht das eben nicht.

Natürlich ist es auch für mich ein schönes Gefühl, wenn die Leute tanzen, während ich Töne produziere oder wenn die Leute applaudieren - ich kann mich aber eben nur schwer gegen das "was fürn scheiß"-Gefühl wehren, wenn es denn wiedermal herkömmliche Harmonien, Melodien und Rhythmen gewesen sind, die das erreicht haben. Es geht auch anders - das weiß ich und habe es erlebt.
Aber der Bauer frisst eben nichts, das er nicht schon kennt - der will Musik als seichte Unterhaltung zur Entspannung - streng nach Adorno, der aus meiner Perspejktive nichtmal wirklich verstanden hat, was das ist, das da entspannend wirkt - von Musik hatte der Mann mMn nicht die geringste Ahnung.

Ist allerdings ziemlich OT, es sei denn man bezieht es darauf, dass ich auf meine musikalischen Eigenarten nicht verzichten möchte, und dabei ja eigentlich fast von meinen Bandkollegen erwarte, auf einen gewissen Bekanntheitsgrad zu verzichten - nur weil ich mich über DIESE art von Bekanntheit wohl nicht so richtig freuen könnte.
 
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Nein, das Beispiel ist wirklich perfekt. Denn es zeigt den eigenen Wiederspruch.

Du hast nämlich nur folgende Möglichkeiten:
Entweder du verzichtest auf deine eigenen, persönlichen Eigenarten/Stilmittel und machst deine Musik für den Mainstream, wobei der Mainstream, wie wir wissen, Mediengesteuert ist. Du musst dich also ständig den Medien und dem Hype, dem, ich schreibs mal abwertend, Mob, anpassen um die Musik nur unter den Mann zu bringen.
Oder:
Du verzichtest auf den Ruhm und das Geld und machst das, was du möchtest, so wie du es möchtest. Das geht nur insoweit, indem der finanzielle Rahmen es aushält. Es ist ein prinzipientreuer Weg, indem nur das wirklich gespielt wird, was du möchtest, wie du es möchtest, wann du es möchtest.

Du hast also nur die Wahl des Verzichtes auf irgend etwas. Für was man sich dann entscheidet, das ist natürlich abhängig von den Gegebenheiten. Für mich wäre wichtig: Ich gucke morgens in den Spiegel und bin keine Marionette von Anderen. Ich kann in einem beschränkten Umfang so leben wie ich es möchte und muss mich nicht ständig mit der Gesellschaft, die mir in großen Teilen sowieso schon zuwider ist, anpassen um zu etwas zu werden, was dem Großteil der Menschen gefällt. Eine wandelnde Littfassäule, die sich verkauft für alles und jeden.

Wenn deine Band mit dir, oder du mit deiner Band nicht klarkommst, musst du auf sie verzichten, und sie auf dich. Oder eben du auf deine Eigenheiten, sie auf ihre Eigenheiten.

Legen wir das auf den normalen Konsum um:
Ich kann entweder Fleisch kaufen, dessen Herkunft fragwürdig ist (Pferdefleisch im Gehackten) weil die Kontrollen nicht derart exzessiv sein können. Dann verzichte ich auf Fisch. Ich kann Gemüse einkaufen und auf Fleisch verzichten, weiss aber nicht wo das Gemüse herkommt. Ich kann Gemüse vom Bauern um die Ecke kaufen, dann verzichte ich auf Geld. Verzicht ist also immer unerlässlich, die Frage ist demnach, auf was will man verzichten und auf was nicht.
 
Ich gehe momentan im Bezug auf Musik/Band einen Mittelweg, der es mir ermöglicht "lebendige" Musik zu produzieren. Lebendig in der Art, dass ein Musikstück einmalig bleibt (solange es nicht als Aufnahme fixiert ist), da es zumindest einen Instrumelnatlisten gibt, der sich schlicht weigert, immer wieder die exakt selben Lines zu spielen. In gewisser Weise bieten mir die Anderen mit ihrer Stabilität sogar den Rahmen in dem ich das so machen kann (und ich verwehre ihnen damit ein Stück weit die Möglichkeit es genauso zu machen - ist schon ein etwas paradoxer Gedankengang).
Dabei bleibe ich hinter meinen Möglichkeiten natürlich zurück - es ist also ein Teilverzicht auf beiden Seiten. Meine Bandkollegen verzichten auf ein Stück Stabilität in unseren Songs, profitieren jedoch gleichzeitig auch von den kreativen Impulsen, die durch mich einfließen.

Ich kann mich dadurch durchaus der Illusion oder dem Gefühl hingeben, dass sich die Band durch mich weiterentwickelt - ein wichtiger Aspekt meines Musikverständnisses. Denn nichts ist mMn unmusikalischer, als eine Band, die seit 40 Jahren mit ein und der selben Musik erfolgreich ist, sich nur entwickelt weil die Bandmitglieder langsam wegsterben, und die Austauschmusiker eben wieder einen etwas anderen Stil in die alten Lines bringen (wodurch sich mMn nur der Sound verändert, nicht aber die Musik - ähnliches erreicht man mit einem Equalizer genauso).

Diese Art von Stabilität (immer die selbe Leier) ist im Zeitalter der uneingeschränkten Reproduzierbarkeit (durch digitale Medien) mMn unzeitgemäß.
Stark überzeiichnet: Für Stabilität brauchen wir keine Musiker mehr, nur eine große Festplatte mit terabyteweise Musikkonserven.
Im Prinzip ist das sogar ein Segen, denn es schafft letztlich auch Platz für Kreativität. Song geschrieben, aufgenommen, abgemischt und hochgeladen? Weiter zum nächsten Projekt - wer Bock auf die ollen Kamellen hat, kann sie sich ja anhören, oder sie covern.
Schon seit Beginn meiner Musik-Geschichte bin ich kein Freund der exakten Kopie gewesen, vielleicht weil das für mich in den meisten Fällen kein Herausforderung darstellt. Ich bin Musiker im Hier und Jetzt, jede Note die Ich produziere gibt es kein zweites Mal (jedenfalls nicht von mir), und das ist meine Art zu musizieren - nur so kann ich mit Musik meine Gefühle Ausdrücken, die sind ja heute auch nicht so wie Gestern oder vor 10 Jahren. Mit ein und dem selben Set jahrelang durch die Welt zu touren, würde mich nicht befriedigen - und das soigar unabhängig von meiner subjektiven Wahrnehmung der musikalischen Qualität.

Es ist (wie eigentlich überall) der Teilverzicht, der Kompromissen inhärent ist. Ohne Kompromisse hingegen ist das Leben in der Gemneinschaft nicht möglich.
Also sind die Möglichkeiten eben der Verzicht auf totale Zufriedenheit, oder der Verzicht auf Gemeinschaft - letzteres ist aber für soziale Wesen eigentlich keine Alternative.
Also haben wir genaugenommen keine Wahl, denn die Befriedigung unserer sozialen Triebe ist ohne Teilverzicht unmöglich. Und das gilt für alle Lebensbereiche, in denen wir mit anderen in Interaktion treten.
 
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