Ilsan schrieb:
Gegen welchen der 19 Punkte der Pegida sollte man sich denn ganz klar aussprechen?
Sehe da nur Sachen die ich unterstützen würde.
Dazu schon einmal zwei wichtige Dinge:
1 - Einer Bewegung, die an der Spitze und in der Breite so viele rechtsradikale Tendenzen aufweist, ist nur schwer zu glauben, das ihnen der Wohl der Flüchtlinge wirklich am Herzen liegt oder dass sie gut integrierte Zuwanderer wirklich willkommen heißen.
2 - Versteife dich nicht so auf das Positionspapier! Natürlich schreiben sie in dieses Papier nicht das rein, was sie im privatem Umfeld - oder auf ihren Kundgebungen - denken und sagen, weil sie das Positionspapier sofort entlarven würde. Wenn solche Forderungen von Personen kommen, die sich fortwährend am Rande der Volksverhetzung (oder jenseits davon) äußern, dann ist diesen Menschen nicht zu glauben, dass sie mit einer Forderung nach einer effizienteren Flüchtlingspolitik wirklich das Wohl der Flüchtlinge im Sinn haben. Wer Flüchtlinge als "Kamelwämser" und "Viehzeug" bezeichnet, meint es nicht gut mit diesen Menschen!
Eines noch Vorweg: Über viele Punkte der PEGIDA kann man sehr, sehr gut reden - was wie angedeutet in meinen Augen aber eher daran liegt, dass die Organisatoren klug genug waren, die Forderungen massenkompatibel zu formulieren. Allerdings sollten wir diese Diskussion nicht um Umfeld der PEGIDA und dieser Menschen führen. Das haben wir in diesem Thread immer wieder gesagt: Wir können über alles reden, aber nicht in diesem Ton und nicht mit diesen Mitteln!
Und jetzt zu den 19 Punkten der PEGIDA:
1. PEGIDA ist FÜR die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten. Das ist Menschenpflicht!
Schön!
2. PEGIDA ist FÜR die Aufnahme des Rechtes auf und die Pflicht zur Integration ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ...
Wir haben bereits eine Integrationspflicht für Einwanderer. Etwaige Probleme bei der Durchführung und Durchsetzung dieser Pflicht lassen sich aber nur in einer differenzierten Diskussion identifizieren. Die Forderung nach Aufnahme der Integrationspflicht ins Grundgesetz klingt nach einem populistischen Holzhammer, der die Probleme bei der Umsetzung der Integrationspflicht auch nicht lösen wird.
Im Übrigen sind die meisten Zuwanderer gut integriert. Ich denke, an der Stelle geht es den Menschen aber eher um soziale Brennpunkte, den berüchtigten verarmten Stadtteilen, in denen viele Zuwanderer leben. Das ist auch ein tatsächliches Problem, das viele Menschen verständlicherweise verstört. Aber mit dem "populistischen Holzhammer" ist das Problem nicht zu lösen. Die vielen Hindernisse und Umstände, die die Entwicklung soziale Brennpunkte fördert, verschwinden doch nicht einfach, nur weil im Grundgesetzt plötzlich eine Integrationspflicht steht, die bereits existiert.
3. PEGIDA ist FÜR dezentrale Unterbringung der Kriegsflüchtlinge und Verfolgten, anstatt in teilweise menschenunwürdigen Heimen!
Finde ich super! Bin ich voll dafür! Aber dieses Anliegen wird schwierig, wenn sich die Bürger allerortens gegen die Einrichtung von Flüchtlingsheimen wehren - oder mit Morddrohungen verhindern. An der Stelle fällt mir auf, dass die PEGIDA keine Anstalten macht, die Bevölkerung aufzuklären und ermutigt, Flüchtlinge nicht als Bedrohung wahrzunehmen. Eher das Gegenteil.
4. PEGIDA ist FÜR einen gesamteuropäischen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge und eine gerechte Verteilung auf die Schultern aller EU-Mitgliedsstaaten!
Einen solchen Mechanismus haben wir bereits. Allerdings halten sich nur viele nicht an diese Regeln. Kurzum: Problem erkannt, falsche Schlussfolgerung gezogen. Kein Beinbruch, wir können ja darüber reden, wo man auf europäischer Ebene ansetzen muss.
5. PEGIDA ist FÜR eine Senkung des Betreuungsschlüssels für Asylsuchende
Finde ich super! Gleichwohl sehe unsere ineffizienten Prozeduren im Umgang mit Asylbewerbern als das Hauptproblem. Wenn wir Flüchtlinge nicht zu Tausenden wochen- oder monatelang im Wartestand einkasernieren würden, dann kämen wir vielleicht auch mit dem vorhandenen Personal aus.
An der Stelle kann übrigens jeder von helfen. Die örtlichen karitativen Einrichtungen lassen sich gerne von der Bevölkerung unter die Arme greifen, von Sachspenden bis ehrenamtlichen Tätigkeiten. Und jetzt seid mal ganz ehrlich: Glaubt ihr wirklich, dass das Gros der PEGIDA-Anhänger einem Flüchtling so nah kommen möchte?
6. PEGIDA ist FÜR ein Asylantragsverfahren in Anlehnung an das holländische bzw. Schweizer Modell ... um die Verfahrensdauer der Antragstellung und Bearbeitung massiv zu kürzen und eine schnellere Integration zu ermöglichen!
Ein Straffung und Verkürzung der Verfahrensdauer für Asylsuchende ist sehr zu begrüßen. Ob da nun im Einzelnen das Modell der Niederländer oder der Schweizer angewandt werden muss, bin ich mir nicht sicher.
7. PEGIDA ist FÜR die Aufstockung der Mittel für die Polizei und GEGEN den Stellenabbau bei selbiger!
Das Thema hatten wir ja schon. Einen großer Stellenabbau bei der Polizei findet nicht statt, und Kriminalität gegen Personen ist auch seit Jahren rückläufig, trotz Einwanderungswelle. Aber Cyber-Kriminalität und Einbrüche mehren sich erheblich, und hier brauchen wir mehr Personal in der Ermittlungsarbeit.
8. PEGIDA ist FÜR die Ausschöpfung und Umsetzung der vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung!
Die Gesetze werden soweit ausgeschöpft, wie es möglich ist. Wahrscheinlich wollte die PEGIDA hier sagen "Wir sind für eine Untersuchung der Anwendung bestehender Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung und ggf. einer Lösung für Probleme, die die konsequentere Umsetzung dieser Gesetze erschweren!". Bestes Beispiel: Asylverfahren können häufig nicht im Zeitfenster der "schnellen Abschiebung" abgeschlossen werden.
9. PEGIDA ist FÜR eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten!
Schwieriges Thema, bei dem auch Menschen- und Völkerrechtliche Erwägungen berücksichtigt werden müssen. Grundsätzlich bin ich dafür, dass "abschiebungsfähige" Personen auch abgeschoben werden, wenn sie eine Straftat begehen, die andernfalls mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden würde. Aber auf viele Menschen mit Migrationshintergrund ist dieses Mittel nicht anwendbar, und ich wage mal Behauptung, dass sich viele PEGIDA-Anhänger dessen nicht bewusst sind (und dann fälschlicherweise annehmen, dass niemand abgeschoben wird).
10. PEGIDA ist FÜR den Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime!
Gut so! Nach allem, was wir bisher von der PEGIDA gehört haben, stufe ich diesen Satz als bloßes Lippenbekenntnis ein (damit man immer sagen kann "Ja, aber in unserem Positionspapier steht doch, dass wir nichts gegen Vie ... gegen integrierte Zuwanderer haben! Wir sind also nicht fremdenfeindlich!"). Das wird auch im gestrafften Positionspapier deutlich, wo PEGIDA plötzlich von Überfremdung spricht. Das hört sich doch sehr nach "Ich habe nichts Ausländer, solange sie im Ausland bleiben!" an.
11. PEGIDA ist FÜR eine Zuwanderung nach dem Vorbild der Schweiz, Australiens, Kanadas oder Südafrikas!
Wir haben bereits qualifizierte Vorrangszuwanderung - die die Integration von Zuwanderern erschwert. Davon mal ab ist große EU-Mitglied Deutschland nur schwerlich mit der Schweiz, Australien, Kanada oder Südafrika vergleichbar.
12. PEGIDA ist FÜR sexuelle Selbstbestimmung!
Schön! Was genau ist damit gemeint? Und ist sonst niemand dafür?
13. PEGIDA ist FÜR die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!
Und jetzt wird es wild! Was bitte ist diese christlich-jüdische Abendlandkultur, und wer definiert diese? PEGIDA? Ausgehend von dem, was wir derzeit in den Straßen sehen, hat das Volk offenbar eine ganz andere Meinung davon, was diese christlich-jüdische Abendlandkultur ist. Ich persönlich wünsche mit ja eine Kultur, die ohne Begriffe wie "Abendland", "Vaterland", "Lügenpresse", "Überfremdung" oder "PEGIDA" auskommt.
14. PEGIDA ist FÜR die Einführung von Bürgerentscheidungen nach dem Vorbild der Schweiz!
Ich auch - solange diese Form der Demokratie nicht in eine populistisch geführt Mehrheits-Diktatur mutiert. Ich glaube den vielen Anhängern der PEGIDA sogar, dass sie an der Stelle vor allem an die Möglichkeit denken, TTIP die rote Karte zu zeigen. Ist ja auch in Ordnung. Ich würde mein Kreuzchen auch bei "Nein!" machen. Aber bei allem, was wir bisher aus den Reihen der PEGIDA gehört haben, befürchte ich, dass es den Organisatoren und den rechtsradikalen Strömungen in der PEGIDA vor allem darum geht, in Zukunft über jedes geplante Flüchtlingsheim einen populistisch geführten Wahlkampf abzuhalten, in dem es zu keiner Zeit um das Wohl der Flüchtlinge und unsere Menschenpflicht geht.
15. PEGIDA ist GEGEN Waffenlieferungen an verfassungsfeindliche, verbotene Organisationen wie z.B. PKK
Schwieriges Thema. Generell stimme ich dem zu. Wir liefern u.A. Waffen nach Saudi-Arabien, und das finde ich unerträglich. Aber jede Krisensituation ist anders, und manchmal ist der Feind meines Feindes mein Freund. Im Einzelfall kann es also sinnvoll sein, den "Feind" zu unterstützen, um eine noch größere Bedrohung abzuwenden. Schwierig! Generell stimme ich diesem Standpunkt zu, aber es muss die Einzelfallentscheidung vorbehalten bleiben.
16. PEGIDA ist GEGEN das Zulassen von Parallelgesellschaften/Parallelgerichte in unserer Mitte, wie Sharia-Gerichte, Sharia-Polizei, Friedensrichter usw.
Niemand will Parallel-Gesellschaften (auch keine rechtsradikalen)! Wenn die breite Öffentlichkeit ein Meinungsbild hat, dass differenzierter ist als "Scheiß Ausländer! Lassen es sich hier gut gehen! Die wollen doch alle nur aus Bequemlichkeit in der Nähe ihres Halāl-Fleischers wohnen bleiben!", bedeutet dies nicht, dass Parallel-Gesellschaften nicht als Problem und Bedrohung wahr genommen werden.
17. PEGIDA ist GEGEN dieses wahnwitzige "Gender Mainstreaming”, auch oft "Genderisierung” genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache!
Mir hat noch keiner erklären können, was die PEGIDA damit konkret meint.
18. PEGIDA ist GEGEN Radikalismus egal ob religiös oder politisch motiviert!
19. PEGIDA ist GEGEN Hassprediger, egal welcher Religion zugehörig!
PEGIDA schafft sich ab!
Wer bitte soll an der Stelle PEGIDA glauben, wenn sie eng mit rechtsradikalen, teilweise verfassungsfeindlichen Kräften zusammen arbeiten? Die Abgrenzung zu LEGIDA hat ja auch nur ein paar Tage gehalten. Am Sonntag hat Oertel schon wieder den Schulterschluss mit LEGIDA verkündet und Silvio Rösler - Organisator von LEGIDA, Mitglied der rechtsradikalen Hooligan-Szene und bekannt mit dem Umfeld der NSU-Terrorzelle - die Bühne überlassen. Und heute erst wurde wieder ein Verfahren wegen Volksverhetzung gegen eine PEGIDA-Organisatorin eingeleitet.
Fazit: Einige Forderungen sind gegenstandslos da bereits umgesetzt. Andere Forderungen sind gut gemeint und richtig, in der Schlussfolgerung aber oft zu oberflächlich. Und einige Punkte sind bloße Lippenbekenntnisse, gegen die die PEGIDA teilweise selber verstößt.
Wer behauptet, gegen Radikalismus und Volksverhetzung zu sein, der darf sich nicht mit Radikalen und Volksverhetzern zusammen tun oder ihnen eine Bühne geben. Und das ist der Punkt, an dem sich die öffentliche Wahrnehmung entzündet. Auf dem Papier klingt das eine oder andere richtig gut. Aber das sind sich ja auch nicht die Gründe, warum die PEGIDA als rechtsradikal wahrgenommen wird. Die Anhänger der PEGIDA werden nicht als rechtsradikal dargestellt, weil sie Probleme in der Integrations- und Asylpoltik benennen, sondern weil sie sich mit Rechtsradikalen in eine Ecke stellen!