Berechnung der Temperaturleitfähigkeit von Bremsbelagmaterial - Fehler drin?

Müs Lee

Commodore
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Ahoi,

gleich an die Mods: Dies handelt sich nicht um eine Hausaufgabe! Ich möchte im Rahmen einer Ausarbeitung an der Uni über die Simulation der thermischen Belastung einer Mountainbikebremsscheibe mit Matlab (das Programm war nicht meine Idee) die Temperaturleitfähigkeit von Bremsbelagmaterial herausfinden, in diesem Falle von organischen Belägen. Das Ergebnis ist allerdings etwas höher als erwartet und es wäre nett, wenn einer meine Rechnungen gegenprüfen könnte bzw. mir sagt, ob es nicht doch hinkommt. Leider hüten sich die Hersteller natürlich, auch nur das kleinste Fitzelchen an Information rauszurücken.

Das Vorgehen ist an sich recht simpel. Ich habe mir ein Paar organische Beläge von EBC für Mopeds besorgt und mir ein Scheibchen abgeschnitten, Maße 21.35*22.45*4.3mm, Masse m1=9.6g, macht eine Dichte von 4.66g/cm^3. Das Stück wurde auf einer Heizplatte mit einer Leistung von 500W (etwa 470W Peak) eine Zeit lang erhitzt und anschließend in eine mit einem Schluck Wasser gefüllte Thermoskanne geschmissen, um nach 5min die sich einstellende Temperatur zu messen und die spezifische Wärmekapazität festzustellen. Die Temperaturen wurden mit einem Pyrometer gemessen mit einer Abweichung von +-2% des Messwertes, glaube ich.

Benutzte Formeln und ggf. Quelle:

deltaQ = m*c*deltaT ist gleichzusetzen mit P*t [J]
http://www.frustfrei-lernen.de/thermodynamik/waermeuebertragung.html


Wärmekapazität für Mischtemperaturen: Quelle ident


Temperaturleitfähigkeit alpha = lambda/(rho*c) [m^2/s]
https://de.wikipedia.org/wiki/Temperaturleitfähigkeit


Wärmestrom Qpunkt = lambda/s*A*deltaT [W]
Umgestellt nach der Wärmeleitfähigkeit lambda = s*Qpunkt/(A*deltaT)
https://de.wikibooks.org/wiki/Formelsammlung_Physik:_Wärmelehre


Versuchablauf wie folgt:

Belagtemp gemessen, T0=20.6°C
Auf die Heizplatte gelegt und eingeschaltet, nach t=48s ist die Temperatur des Belags 110°C auf der Oberseite, die Heizplatte ist 150°C warm, macht mit dem Temperaturgradienten T1=130°C
Wasser in Thermoskanne gefüllt, abgewogen m2=49.1g, Temperatur T2=19.8°C, spezifische Wärmekapazität Wasser c2=4.182kJ/(kgK)
Sich einstellende Temperatur Tm=21.7°C nach 5min

Formel: Tm= (m1*c1*T1+m2*c2*T2)/(m1*c1+m2*c2)
Umgestellt nach c1 mit WolframAlpha: c1= (m2*c2*(Tm-T2)) / (m1*(T1-Tm))

Macht 0.375kJ/(kgK)

Die aufgenommene Leistung ist m1*c1*deltaT/t, macht 0.0096kg*0.375kJ/(kgK)*110K/48s = 396J/48s = 8.25W
Damit folgt lambda = (4.3mm*8.25W)/(21.35*22.45mm^2*110K) = 0.673 W/(mK)

Und für die Temperaturleitfähigkeit alpha = lambda/(rho*c1) = 0.673W/mK / (4660kg/m^3 *0.375kJ/kgK) = 385.1-10^-6 m^2/s und damit viel zu hoch. Bei Wikipedia unter Temperaturleitfähigkeit findet man ja ein paar Beispiele, das wäre wesentlich leitender als sämtliche Metalle, was Quatsch ist - organische Beläge isolieren nämlich eigentlich recht gut.


Das Seltsame ist, dass die einzelnen Werte für lambda und c1 wohl hinkommen könnten. Die Wärmeleitfähigkeit ist eigentlich im Bereich der Nichtmetalle bei Wikipedia, die spezifische Wärmekapazität liegt eher im Bereich der Metalle. Mit dem Temperaturleitkoeffizienten müsste es allerdings leiten wie blöde, was ja nicht stimmen kann. Vielleicht stehe ich aber auch nur auf dem Schlauch...
 
Zuletzt bearbeitet:
Müs Lee schrieb:
Und für die Temperaturleitfähigkeit alpha = lambda/(rho*c1) = 0.673W/mK / (4660kg/m^3 *0.375kJ/kgK) = 385.1-10^-6 m^2/s und damit viel zu hoch.
Zur Durchführung sag ich mal nichts aber ich glaube du hast einen Fehler bei der Umrechnung von Watt zu kJ/s gemacht. Wegen 1 Watt = 1 J/s stimmt die letzte Rechnung meiner Meinung nach nicht. Der Wert ist um den Faktor 1000 zu hoch.

Außerdem benutzt du für die Temperaturdifferenz 110 K, dabei entspricht das der Absoluttemperatur.
 
Naja, die Durchführung war eben im Rahmen des Möglichen. Ein voll ausgestattetes Labor wäre mir auch lieber gewesen, aber was solls ;). Übrigens hast du recht, die thermische Kapazität muss hier in J/kgK angegeben werden, damit kommen dann 0.3851*10^-6 m^2/s raus. Zu Temperatur:

Temperatur des Belags 110°C auf der Oberseite, die Heizplatte ist 150°C warm, macht mit dem Temperaturgradienten T1=130°C

Also 130°C mittlere Temperatur. Macht ein deltaT des Belags von 110K.
 
Achja, dann hatte ich deine Temperaturangabe nur missverstanden...
Wie dem auch sei, der Wert für Leitfähigkeit sieht jedenfalls ganz plausibel aus.
 
Ja, das dachte ich mir auch, ganz abwegig ist das nicht. In Anbetracht der Umstände jedenfalls ganz OK.
 
Ich krame den Thread mal wieder raus. Weiß jemand, wo ich eine Formel für die Wärmeentwicklung beim Reibvorgang zweier unterschiedlicher Materialien finde? Die Formel nach Archard berücksichtigt nur zwei Körper gleichen Materials, und alle Werte mitteln möchte ich nicht unbedingt.
 
Bist du sicher, dass eine existiert? Wie genau sieht denn die Formel nach Archard aus?
 
Sicher bin ich mir nicht, denn ich finde nichts dergleichen. Google spuckt nur wenig über Archard raus, hauptsächlich scheint er sich mit Abrasion beschäftigt zu haben. Ich bin dabei ein paar englische Bücher über Tribologie zu durchstöbern, da finde ich eventuell mehr. Der Auszug unten ist aus dem Tribologie-Handbuch von Czichos und Habig, aber da scheint sich wohl ein Fehler eingeschlichen zu haben. Der Parameter N soll dimensionslos und L in [°C] sein, beides stimmt allerdings nicht. Für N kommt [K] raus, für L tatsächlich dimensionslos.

Bei dieser Formel soll man die Härtewerte des weicheren Kontaktpartners verwenden. Wenn ich zB die Werte von 1.4034-Stahl (Bremsscheibe) nehme, dh

v = 2m/s
rho = 7700 kg/m^3
c= 0.460 kJ/kgK (da es in der Formel auch in kJ/kgK eingesetzt wird)
k=30 W/mK
HV = 4*10^8 N/m^2 (ungefähre Härte der Scheibe)
f = 0.5 (Reibwert)
Fn = 2000N (kann durchaus vorkommen bei einer hydraulischen Scheibenbremse)

ist

N = 177300K
L = 0.14989

damit

beta = 0.937
Tr = 6225.3 K, und das ist gut eine Zehnerpotenz zu viel. Selbst wenn es nur 622.53K wären, so erscheint mir das für diese niedrige Geschwindigkeit eigentlich viel zu hoch.

archard.JPG




Hiermit http://darwin.bth.rwth-aachen.de/opus/volltexte/2002/341/pdf/html/node56.html kommt für die Pecletzahl wegen der sehr kleinen Temperaturleitfähigkeit ein viel zu hoher Wert raus, im Buch Engineering Tribology von Stachowiak und Batchelor finde ich es so ähnlich. Dabei ist das absoluter Käse, zB kommt mit obigen Werten für L ein Resultat von 826.46 raus! Dabei soll der zwischen 0,x und 100 liegen.

engtrib.JPG
 
Weiß nicht ob du schon mit dem Thema durch bist oder nicht, aber bist du sicher dich beim Wert für N nicht geirrt zu haben? Mir leuchtet die Begründung "da es in der Formel auch in kJ/kgK eingesetzt wird" nicht recht ein.
Ich werd' nochmal im ausgeschlafenen Zustand einen Blick auf die Sache werfen falls erwünscht, vielleicht fällt mir dann was hilfreiches dazu ein. :D
 
Ein Irrtum ist nicht ausgeschlossen, ich bin weit entfernt von fehlerfrei, eher chaotisch ;). Ich hänge mal weitere Auszüge aus dem Buch Engineering Tribology an.

entrib1.JPGentrib2.JPGentrib3.JPG

Benötigte Werte wie oben, mit der Änderung von Fn auf 1000N. Die Kontaktfläche beträgt 0.036*0.013m^2. So langsam kriege ich aber das Gefühl, dass diese Formel nur für sehr kleine Kontaktflächen gilt, es wurde im Beispiel im Buch eine halbe Kontaktbreite von 1.82*10^(-4)m angenommen. Mit den 0.0065 kommt schon ein L von 767,4 raus, N ist damit 0.947K und für Tf kommt ein verdammt kleiner Wert raus, Tfmax = 18.86K mit der ersten Formel für L>5. Ich werde nicht so recht schlau aus dem Ganzen.
 
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