ascer schrieb:
Das finde ich überaus bedenklich. Deine Argumentationsweise überschneidet sich ja ziemlich stark mit derer der Grünen: es wird über die Moralschiene argumentiert. Sowas finde ich empörend, wenn es um unsere Verfassung geht...
Gesetzestexte also aus einer moralischen Ideologie heraus selektiv zu lesen ... finde ich für eine Politikerin unhaltbar.
Ja, ich verstehe natürlich Deinen Einwand, sehe hier aber keinen Widerspruch. Eine Verfassung ist ein Dokument, das als Basis für das gemeinsame Leben verbindlich Rechtsnormen kodifiziert. Dieses Recht gilt für alle und sollte deshalb möglichst frei von moralischer Färbung angewandt werden. Nicht ohne Grund werden Richter auch mal als befangen abgelehnt. Hier wird ihnen unterstellt, dass sie die Rechtssprechung eben nicht neutral durchführen können.
Über diesen Teil sind wir uns einig und auch ich halte es für unabdingbar, dass Recht ausgleichend wirkt und damit nicht durch moralische Moden Schieflagen entstehen, sodass Recht nicht mehr für alle Menschen gleichermaßen gilt.
Eine Verfassung ist aber auch immer Ausdruck gesellschaftlicher Normen, die durch Werte, Moral und Co. entstanden sind. Deshalb ist auch erst möglich, was ich oben erwähnt habe: Verfassung als gemeinsame Basis für das gesellschaftliche Zusammenleben.
Und bezüglich des Asylrechts ist es eben so, dass Art. 16a des GG politisch Verfolgten ein Asylrecht in Deutschland gewährt. Das ist dort hineingeschrieben worden, weil wir es für moralisch richtig erachten, verfolgten Menschen Asyl zu gewähren. Ebenso wie es in der UN Menschenrechtscharta festgeschrieben ist:
Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.
Quelle:
http://www.menschenrechtserklaerung.de/asylrecht-3625/
Dass dann im Grundgesetz Absatz 2 dieses Recht an Bedingungen geknüpft wird, halte ich für einen Skandal. Denn diese Gründe stützen nicht das Asylrecht, sondern die Interessen der Bundesländer, die im Bundesrat darüber entscheiden, wer nun tatsächlich politisch verfolgt ist und wer nicht. Wohin das führt, können wir aktuell beobachten.
Wir haben in dem Video nun also zwei Typen gesehen, die stur darauf bestehen, dass das Gesetz halt so ist. Und eine unglücklich agierende Frau Roth, die rhetorisch nicht sehr clever darauf hinzuweisen versucht, dass man eine Pflicht zur Aufnahme von politisch Verfolgten Menschen habe. Ob sie das macht, weil sie den Zusatz 2 wie ich ebenso unsäglich findet oder ob sie aus Unkenntnis argumentiert, kann ich dem Video nicht entnehmen.
Sich auf selbstgebastelte Verfassungszusätze zu berufen, die selbst Angela Merkel nicht mehr schick findet und "wir müssen die Grenzen dicht machen" zu postulieren, ist jedenfalls auch nicht weise. Denn es ändert an der Sache nichts, es verschiebt die Symptome nur an andere Stellen.
Zu dem zweiten Video: ihre komplette Art und Weise kommt einem einfach - Entschuldigung - dümmlich vor.
Da stimme ich Dir zu, das ist auf jeden Fall so. Ich versuche halt stets, durch die Fassade zu schauen. Dass es nicht ideal ist, wenn man bei einem Politiker erst raten muss, was er oder sie wohl meinen könnte, das steht außer Frage.
ascer schrieb:
Das ist zwar richtig, aber nur weil es bei den anderen auch - auf gut Deutsch - Idioten gibt, ist das noch lange keine Legitimierung die eigene Partei ebenfalls mit welchen zu füllen.
Ich denke, das geht von ganz alleine und ist kein aktiver Akt.
ascer schrieb:
wer 10 Nasen Koks am Tag konsumiert, sich über Jahre nicht erwischen lässt und trotzdem noch den Eindruck eines seriösen Politikers macht...durch äußere Seriosität, durch Kompetenz, durch Gesetzesfestigkeit, ... ja, dem würde ich durchaus eine gewisse Kompetenz zusprechen.
Schon. Ich bewundere auch Drogenbosse, die aus jedem Gefängnis irgendwie immer frei kommen. Hinter Gitter gehört der Typ meines Erachtens dennoch und als Politiker, der für mich und meine Mitmenschen verpflichtende Regeln des Zusammenlebens festlegt, möchte ich so einen auch nicht haben.
ascer schrieb:
Und ohne jetzt die FDP anpreisen zu wollen: da sucht man vergleichsweise recht lange, bevor man Nicht-Akademiker findet.
Nur weil jemand Akademiker ist, bedeutet das doch noch lange nicht, dass derjenige etwas von der Sache versteht. Sicher, im Idealfall haben Akademiker gewisse Schlüsselqualifikationen. Ich halte es dennoch für unabdingbar, dass z.B. ein Agrarminister etwas von Landwirtschaft versteht.
ascer schrieb:
Westerwelle studierte Rechtswissenschaft, hat einige Politikvorlesungen in seiner Zeit als Student mitgenommen
Auch wenn es sich so anhört, Politikwissenschaft lehrt nicht, wie man Politiker wird. Und wenn man mal ins Auswärtige Amt geht und sich dort die Diplomatenausbildung ansieht, dann wird man schnell feststellen, dass diese nichts aber auch gar nichts mit Rechts- oder Politikwissenschaften zu tun hat.
ascer schrieb:
Brüderle (Vorsitzender Bundestagsfraktion 2011-2013) studierte Rechtswissenschaft, Publizistik und Politikwissenschaft
Ja, und wurde dann Minister für Wirtschaft und Technologie...
ascer schrieb:
Homburger (Vorsitzende Bundestagsfraktion 2009-2011) hat Verwaltungswissenschaften studiert
War nie Ministerin.
ascer schrieb:
Kinkel (stellv. des Bundeskanzlers 1993-1998) hat Rechtswissenschaft studiert
Guter Mann. Und einer der wenigen Minister, der tatsächlich Sachkenntnis hatte. Jedenfalls finde ich es praktisch, wenn der Justizminister Rechtswissenschaftler ist.
ascer schrieb:
Wolfgang Gerhardt (orsitzender Bundestagsfraktion 1998-2006): Germanistik und Politik
Was sollte man denn mit der Ausbildung werden, Bildungsminister? Nein, er wurde Minister für Wissenschaft und Kunst und hat weder in der Wissenschaft gearbeitet, noch hatte er einen Draht zur Kunst. Seine Bilder im Parteibüro hat er nach der Wandfarbe ausgesucht...
ascer schrieb:
Christian Lindner: Politikwissenschaften und Philosophie
Armer Kerl... mehr fällt mir zum Christian nicht ein. Hat eine zerstörte Partei zum Verwalten bekommen. Das erinnert ihn wahrscheinlich an seine Tage als Unternehmensberater.
ascer schrieb:
Patrick Döring: Wirtschaftswissenschaften
Wie kommst Du denn ausgerechnet auf den? Ein Wirtschaftswissenschaftler, der es persönlich wirtschaftlich geschafft hat, das beste aus seiner Politikerkarriere zu machen, indem er in so vielen Wirtschaftspöstchen sitzt, dass ich mich mindestens acht Mal klonen müsste?
Na dann lieber verrückte Grünenpolitiker!
ascer schrieb:
Rösler ist der einzige, der mit Medizin fernab der Hauptströmungen studiert hat. War dafür ja aber auch im Kabinett Merkel II für Gesundheit zuständig, zusammen mit Daniel Bahr (VWL).
Hör mir auf mit Rösler! Der Typ hat nur Mist fabriziert und ist viel zu lange Zeit immer nur die Treppe raufgefallen. Sein Meisterstück war die "Lösung" der Krise bei den Krankenversicherungen, indem er in einer "Reform" den Zusatzbeitrag eingeführt hat. Und zur Belohnung dafür wurde er dann auch noch Vizekanzler.
ascer schrieb:
Um wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kümmerte sich Dirk Niebel, der, oh Wunder, Verwaltungswissenschaften studiert hatte.
Braucht man das für den Job?
Ich denke, es ist klar geworden, was ich meine und ich denke auch, dass ich verstehe, was Du mit Deinen Ausführungen sagen wolltest. Ich halte es jedoch für seltsam, dass Politiker für sachkundig gehalten werden, wenn sie irgendetwas studiert haben. So würde man doch in der freien Wirtschaft niemanden einstellen: "Ich suche einen Marketingleiter." - "Ich habe Rechtswissenschaften studiert." - "Prima! Sie sind eingestellt und können dann gleich noch die Maschinenwartung in Halle 3c übernehmen!".
ascer schrieb:
Wollen wir das Spielchen mal bei den Grünen machen?
Gerne:
Renate Künast: Rechtswissenschaften und Sozialarbeit
Andrea Fischer: VWL
Jürgen Trittin: Sozialwissenschaften (gehört auch Politikwissenschaft dazu...)
Wolfgang Wieland: Rechtswissenschaften
Juliane von Friesen: Rechtswissenschaften
Reinhard Loske: VWL und Politikwissenschaft
Joachim Lohse: Meeresgeothermie (und der ist sogar für Umwelt zuständig!)
Anja Stahmann: Sozialwissenschaften
Christian Meyer: Volkswirtschaftslehre, Öffentliches Recht, Politik- und Medienwissenschaften
Dieter Lauinger: Rechtswissenschaften
Das "Spiel" funktioniert also so nicht.
ascer schrieb:
Viel zu viele Politiker schwingen z.B. die Moralkeule - absolut unangemessen. Viele Politiker lassen sich immer und immer wieder aus persönlicher Motivation oder Emotionalität leiten, anstatt nach "bestem Wissen und Gewissen" zu handeln.
Das ist wahr. Und das fällt natürlich bei den Grünen stärker auf, als bei anderen Parteien, bei denen die Politiker bereits "auf Linie" sind. Irgendwie ist beides suboptimal. Der Politiker, der nur nach Parteigunst arschkriecht und derjenige, der mit der Moralkeule möglichst schrill auf sich aufmerksam machen will.
ascer schrieb:
Ich würde es aber definitiv als Faktum ansehen, dass eher deutlich konservativer als die grüne Parteilinie ist.
Auf jeden Fall! Deshalb wird BW auch bedingt als Experimentierschale für die Bundespolitik gesehen. Einerseits schaut man immer interessiert nach BW, andererseits kann man das dort Gesehene oftmals nicht so einfach auf die Bundesebene übertragen. Jedenfalls nicht sofort. Vielleicht dauert das konservativ Werden der Grünen im Bund einfach ein paar Jahre länger.