Kapitalismus, was ist denn das?
Ein gutes und gesundes Neujahr allerseits!
Kapitalismus - erstmal Grundsätzliches, bevor ich abgeleitete Themen angehe: Der Mensch und der Staat.
Der Mensch ist vom Staat definiert als Person oder Bürger und als solcher bekommt er einige 'Merkmale' geschenkt (oder muss man sagen 'aufgedonnert'?):
1. Seine Würde ist unantastbar und wird vom Staat geschützt. Hmm, ja, Menschenwürde, schön. Was ist das eigentlich? Meine Würde muss der Staat nicht schützen, liegt es vielleicht daran, dass ich gut verdiene? Mich beschleicht bereits ein komisches Gefühl: Von der Würde der Menschen reden wir, wenn sie nicht mehr selbständig für sich sorgen können und auf Hilfe angewiesen sind - sonst nicht.
Der Staat schützt nicht nur die Würde des Menschen: er ist dazu verpflichtet. Eine schöne Umkehrung der Tatsache: Der Staat kann oder will dem Menschen nicht sagen, dass er nur Untertanen ist. Wie kommt eigentlich der Mensch dazu, nach Menschenwürde zu verlangen und Staatsgewalt zu akzeptieren? Aus der tausend Jahre alten aus Herrschaft gewonnenen Überzeugung, dass der Mensch eine Herrschaft braucht, um an sein Glück zu kommen? Fakt ist: Jetzt werden wir die Staatsgewalt nicht mehr los.
Für mich ist das: Menschenwürde durch Herrschaft, Glück durch Unterwerfung. Natürlich nicht ohne 'liberté, egalité, fraternité!'
2. Der Mensch ist frei. Alle Bürger sind frei, sie können alles tun und lassen, was sie lustig sind.
Hauptsächlich machen die Bürger das Eine: Die einen, die genug Geld haben steigen in die Konkurrenz der Kapitale ein und versuchen in diese Konkurrenz zu bestehen, indem sie ihr Geld vermehren. Dazu brauchen und verbrauchen sie die anderen, die das Geld täglich verdienen müssen, weil sie sonst ihr Leben nicht bestreiten könnten. Dabei konkurrieren die Lohnabhängigen unter sich, wie auch mit den Selbständigen darum, sich dem Kapital billig genug anzubieten, weil es sonst keinen Lohn oder Auftrag gibt.
Für mich ist das: Freiheit durch Konkurrenz, keine Alternative.
Jetzt werden ein Paar freiheitsliebende Leute hier sagen: Freiheit ist mehr als das. Dann verweise ich nochmal auf das Wort 'hauptsächlich'.
3. Alle Menschen sind gleich: als Besitzer von irgendwas (Kapital oder Arbeitsvermögen) unter sich und vor dem Gesetz (Staat) gleich.
Die Verträge und Absprachen zwischen Kapitalbesitzer und Lohnabhängiger/Selbständiger, Vermieter und Mieter, Kreditor und Debitor, etc., sind zwischen gleiche Menschen abgeschlossen. Und hier wieder die Staatsgewalt mit seinem Recht, die darüber wacht. Ihm gegenüber sind dann alle nur Untertanen, alle gleichermaßen.
4. Und was ist jetzt mit der Brüderlichkeit? Wird jetzt alles 'brüderlich' unter allen verteilt (höhere Löhne, "Reichtum für alle!" wie manche Linken sagen)?
Nein, die Brüderlichkeit zerfällt in zwei Teilen: Erstens wird das Eigentum 'der Brüder' untereinander abgesichert, das Eigentum wird vom Staat geschützt. Das ist die Versicherung des Staates, dass der geschaffene Reichtum unantastbar ist, weil seine Bestimmung ist, nicht irgendwie verteilt zu werden, sondern mehr und immer mehr Reichtum zu produzieren. Und zweitens, werden alle - von ihren besonderen Art von Eigentum und damit festgeschriebenen Zwecken abstrahierend - an ihre Zugehörigkeit erinnert und auf ihre Pflicht festgelegt: die abstrakte Nation und automatisch an deren konkreten Repräsentanten - den Staat.
Fassen wir nochmal kurz zusammen:
- Der Staat definiert seine Gewalt und verspricht den Untertanen Würde(!).
- Die Menschen nehmen die Herrschaft hin und begreifen sie als "ihre", die gute Herrschaft, die für das Gelingen ihrer Interessen steht.
- Der Staat definiert die Gesellschaft als Konkurrenz und setzt den Untertanen die Regeln für ihr Überleben und für die Reichtumsvermehrung der Nation.
- Die Menschen nehmen diese Konkurrenz und die dazu gehörenden Regeln als faire Grenze ihres Treibens hin und halten sich daran. Da sind ja Interessen im Spiel, die sich ohne Weiteres nicht vertragen: Der eine mit viel Geld und Sorgen um seine Vermehrung und seinen Bestand in der Konkurrenz der Kapitale, der andere als armer Schlucker, vom Kapital 'abhängig', immer darum bettelnd, "fair" behandelt zu werden. Der Reichtum der Nation ist eben das Ergebnis der als Konkurrenz funktionierenden Gesellschaft. Und das ist auf keinen Fall negativ oder sogar kritisch gemeint, das ist nur Kapitalismus, wo das Kapital vermehrt werden muss, damit die Leute etwas zum Leben bekommen. Alles 100% korrekt, mit gültigem Vertrag und klaren Regeln, ohne Raub und ohne Mord (das passiert anderswo!).
Die in der Gesellschaft so zusammengefassten Bürger sind "das Volk". Das Volk übt sich in Verantwortung und schaut sich alle Paar Jahre die führenden Personen an, befindet über ihre Frisur, Standhaftigkeit und Chancen sich in der Konkurrenz zu behaupten und wählt die neue Führungsmannschaft.
Besonders für die Leute, die jeder Kritik mit dem Hinweis auf die Wahlen glauben abschmettern zu können, muss man hier sagen: Mit der Verantwortung ist es dann schon vorbei, mehr als über das Personal darf der gute Bürger nicht entscheiden. Warum auch? Die Ziele des Staates sind schon festgelegt und die Parteien sind daran gebunden. Wo kämen wir denn hin, wenn ein jeder seinen Staat neu machen würde, ausnahmsweise ohne die schöne Konkurrenz?
So, jetzt passiert erstmal nichts anderes als gerade mal oben in der Zusammenfassung dargelegt: Die Pflege der als Konkurrenz definierten Gesellschaft zwecks der Reichtumsvermehrung.
Es bleibt nur noch die Frage: Wozu diese Reichtumsvermehrung? Es muss doch ein Sinn haben.
Man muss nur in die weite Welt schauen, um gleich zu verstehen: Der Staat übersetzt dieses Reichtum in Macht, um in der Konkurrenz der Staaten zu bestehen. Dann wiederum aus der Macht und Einflussnahme in der Welt vermehrt der Staat sein Reichtum, die er in Macht übersetzt, und so weiter, und so weiter...
Das ist aber eine ganz ernste Sache: In dieser Konkurrenz zu verlieren, heißt nicht nur, nicht in G8 zu sitzen, sondern gleich Uganda oder Albanien zu sein, kein ICE zu fahren sondern niedergemetzelt zu werden. Mann kann an dieser Stelle nicht genug betonen, dass der brave Bürger einen starken und in der Welt respektierten Staat haben will, einen Staat, der sich durchsetzt und gefürchtet wird. Etwas anderes bleibt dem braven Bürger auch nicht übrig: Wenn er Zuhause mit der vom Staat als Freiheit definierte Konkurrenz, die nicht wenige seiner Mitbürger in den Ruin treibt, einverstanden ist, kann er die Konkurrenz der Weltstaaten mit Gewinnern und Verlierern nur als selbstverständlich finden. Den Grund für das immer größere Reichtum und die immer tiefere Armut findet er aber nicht in dieser Weltwirtschaftsordnung, die keine Philanthropen-Veranstaltung ist, sondern bei den Verlierern. Sie sind selber schuld! Denn für unsere braven Bürger ist die Logik eine ziemlich unentwickelte Fähigkeit: Die Konkurrenz geht auch ohne Verlierer und wenn sich alle richtig anstrengen würden, würden alle gewinnen.
Demokratie ist ein Verhältnis zwischen Menschen und Staat, dem er die Treue hält. Denn - was kann der Mensch sonst machen, als das Gegebene (die Staatsgewalt) als Naturgegebenes hinzunehmen und sich der Herrschaft unterzuordnen? Jawohl, er kann noch mehr: In seinen Überlegungen um sein eigenes materielles Auskommen diese Herrschaft gut finden, ergo ihre Zwecke und Sorgen zu Eigen machen.
Und genau das macht der Mensch und damit wird er Untertan und der Staat - sein Staat.