gaunt schrieb:
Ein einzelner Mensch ist intelligent. Die Masse nicht. Kannst du also einem Individuum deine (durchaus nachvollziehbare!) Argumentation präsentieren stehen die Chancen recht gut ihn zu überzeugen. Bringst du die selben Argumente in einer TV Sendung schauen aber nur die zu, die eh schon überzeugt sind. Wer sowas aber ablehnt wird schlicht und ergreifend umschalten.
Und gerade deswegen muss die Politik hier lenken und klar machen wie die Sache wirklich ist. Und Politiker sind vielelicht manchmal dumm, haben aber ihre Berater, Staatssekretäre, usw. die ihren Dienstherrn ausführlich informieren könnten. Nehmen wir mal die Anhörung zum Cannabiskontrollgesetz, wer diese aufmerksam verfolgt hat wird sehr schnell feststellen, dass die Fachwelt mehrheitlich in eine Richtung geht. Auf totale Repression und Verfolgung setzen auch die Experten der CDU nicht, und was kommt da am Ende rüber?
Von Bürgern kann man nicht erwarten sich mit dieser Thematik vertraut zu machen, von Politikern die über Gesetze entscheiden schon. Ich hatte letztens eine Diskussion mit unserer Landtagsabgeordneten aus unserem Wahlkreis von der SPD. Viel bla bla, SPD ist noch in der Entscheidungsfindung, und außerdem gibt es ja einzelne Landesverbände die eine Regulierung befürworten. Auf meine Frage warum der Landesverband der SPD geschlossen gegen Modellprojekte in NRW gestimmt hat, kam die Antwort dies wäre so abgesprochen gewesen und selbst der Koalitionspartner (die Grünen) hätten ja auch dagegen gestimmt.
Dann fragte ich ob sie eine eigene Meinung hat, dies wurde verneint da angeblich zu wenig mit der Materie vertraut.
Und ich wette beim Cannabiskontrollgesetz im Bund wird genau das gleiche passieren. Irgendwelche Politiker in der Hirachie ganz oben bestimmen "nein is nich" und die ganze Koalition stimmt geschlossen dagegen. Hat man Ahnung oder nicht, egal jeder hat ja schon mal was schlimmes über Cannabis gehört, also kann das nicht so schlecht sein dagegen zu stimmen.
Nur zu welchem Zweck veranstalten die Politiker Anhörungen wenn diese nicht berücksichtigt werden? Diese ganze Show ist Volksverdummung und Verarsche zu gleich!
Nun kann man argumentieren, ja das sind ja nur Menschen wie wir alle, das ist richtig, allerdings kann man bei mindestens 10000 Euro Gehalt im Monat auch erwarten, dass diese Politiker auch etwas tun für ihr Geld und sich umfassend über Gesetze über die sie abstimmen müssen informieren.
Und da dies nicht gemacht wird, liegt die Vermutung nahe, dass Milton Friedman mit seinem Zitat aus meinem vorherigen Post nicht Unrecht hat.
Das ist das Dilemma, und nie trat dies deutlicher zutage wie aktuell. Unsere Drogenpolitik ist auf den Stand der neunziger Jahre stehen geblieben.
Die Diskussion hatten wir schon mal, aber eine de facto entkriminalisierung für manche Drogen in bestimmten Situationen hilft wem?
Wenn Menschen harte Drogen auf dem Schwarzmarkt erwerben und diese in Drogenkonsumräume konsumieren dürfen, dann ist dies eine Subventionierung der Drogenmafia.
Oder wenn Menschen wegen Cannabis angezeigt werden, dies aber keine Auswirkungen auf das Konsumverhalten hat, dann ist das eben eine weitere Subventionierung für die illegalen Kartelle. Denn wenn nur 3% sagen, dass die Strafbarkeit sie vom Konsum abhält, aber über 90% sich nur Gedanken macht das Zeug beim nächsten mal noch besser zu verstecken, dann läuft da einiges schief.
Natürlich kann man den schwarzen Peter nicht der Bevölkerung zuschanzen, denn diese weiß es in der Regel nicht besser.
Ich kann dir ein anderes Beispiel sagen:
Ich habe in den neunziger Jahren in der Schweiz gearbeitet, mein Opa der auch dort lebte hatte ein großes Haus und zwei Zimmer an einen Österreicher vermietet. Dieser rauchte regelmäßig Joints und wurde erwischt von meinem Opa. Auf die Frage was er machte sagte er ehrlich ich rauche Marihuana. Mein Opa flippte aus, und schmiss ihn raus.
Als ich Abends nach Hause kam erzählte er mir das und ich sagte "ach so er hat Hanf geraucht", darauf sagte mein Opa "wie Hanf das war kein Hanf sondern Marihuana". Ich erklärte ihm damals, dass er Hanfblüten geraucht hatte und man das nur Marihuana nennt.
Und wie mein Opa so war fing er direkt an mit den Geschichten von früher, Hanf (auf italienisch "Cannapa) kenne er gut, seine Eltern hatten das angebaut wie die meisten damals in Norditalien, daraus wurde Leinen, etc. gemacht und manchmal rauchte sein Opa das auch in einer Pfeife wenn kein Tabak da war.
Am nächsten Tag durfte der Österreicher wieder einziehen und von da an auch seine Joints ungestört genießen.
Das sind Beispiele die zeigen wie es läuft: Es wird ein Wort genommen das böse klingt, in dem Fall Marihuana aus dem mexikanischen Wortschatz, und schon suggeriert man etwas böses, fremdes das auf jeden fall bekämpft werden muss. Man weiß zwar nicht was das genau ist , aber wenn die Politiker oder präferierten Parteien sagen das ist böse, dann stimmt das schon.
Mein Opa hatte aber eigene Erfahrung mit Hanf und schon war die Ablehnung verschwunden. Viele Menschen würden das bei ehrlicher Darstellungsweise auch verstehen, und natürlich darf auch jeder weiterhin bei einer Ablehnung für den eigenen Konsum bleiben.
Eine globale Ablehnung ist wie erwähnt nur eine Subvention für die Drogenmafia. Gibt es keine Drogen oder wären sie wirksam bekämpft wäre ich der erste der Ruhig ist, aber das gegenteil ist der Fall, dazu ganz aktuell mal wieder ein Artikel aus der Zeit, die ich hier ausdrücklich loben muss, denn diese Zeitung versucht seit längerem mit ehrlichen Artikeln die Leserschaft zum Umdenken zu bewegen.
http://www.zeit.de/feature/drogenpolitik-drogengesetz-drogenhandel-jugendschutz-praevention
gaunt schrieb:
Ich befürchte: Besser garnicht! Bzw. es einfach als Basis betrachten und garnicht diskutieren.
Vielversprechender für die Masse ist es vermutlich eine andere Schiene zu fahren. In der Wahrnehmung vieler Menschen sind Kiffer faule Leistungsverweigerer die nur breit in der Ecke liegen wollen. Deshalb würde vermutlich eine Kampagne mit Leistungsbringern die Kiffen die Wahrnehmung stärker beeinflussen, als deine vermutlich zwar korrekten Fakten, denen aber niemand zuhört. Ich weiß das widerstrebt dir womöglich (und das zurecht!) aber manchmal muss man sich eben anpassen. Marketing funktioniert leider selten über Fakten sondern über Emotionen.
Aber ohne diskutieren ändert sich nichts, nur muss man halt die Fakten berücksichtigen und ehrlich diskutieren. Eine Diskussion auf falschen Annahmen gestützt, ist sinnlos und führt zu nichts!
Kiffer sind genauso wie andere Drogenkonsumenten, der eine kommt damit prima klar, der andere wird zum Couchpotato und bekommt nichts mehr auf die Reihe und wieder andere müssen ernsthaft Hilfe anfordern.
Wer natürlich nur die negativen Effekte propagiert, verfolgt vielleicht ein Ziel das gar nichts mit der Gesundheit der Bürger zu tun hat(siehe oben bezüglich Subventionierung der Drogenmafia).
Das wäre anders gelagert wenn die "Fachwelt sich bezüglich Repression einig wäre, ist sie aber nicht und in der Mehrheit pro Legalisierung.
gaunt schrieb:
Ich glaube wenn man Ärzte, Anwälte, Manager, Handwerker, Lehrer, Polizisten , Krankenschwestern... also ganz normale Menschen die mit beiden Beinen im Leben stehen, dazu bringen könnte sich wie selbstverständlich zum Kiffen zu bekennen würde das 1000 mal mehr bringen als alle Fakten dieser Welt.
Allerdings wirst du bei einigen Berufsgruppen Probleme bekommen. Ein Bulle der zugibt zu kiffen (und auch die gibt es) würde nunmal seinen Job verlieren.
Ich könnte mir eine Kampagne vorstellen in dem Stil:
Hallo, ich bin Heinz. Ich habe als Arzt schon 200 Menschen das Leben gerettet, aber ich bin kriminell, deswegen muss ich mich vertecken!
Hallo, ich bin Anne. Als Anwältin vertrete ich meinen Mandanten gegenüber zahlungsunwilligen Versicherungen. Aber ich bin kriminell...
Hallo, ich bin der Herbert. Auf der von mir installierten Toilette sitzt du jeden Tag. Doch ich bin kriminell...
...
Eine zweite Kampagne könnte so aussehen:
Hallo ich bin Opa Hubert. Bei mir wurde gestern eingebrochen, aber die Polizei kann nicht kommen. Sie muss deinen Sohn in den Knast stecken wil er gekifft hat.
Hallo ich bin Gabi, ausgebildete aber arbeitslose Kindergärtnerin. Deine Tochter bekommt keinen Kita Platz weil das Geld für meine Stelle gebraucht wird um deinem Brudern einen Knastplatz wegen Kiffens zu finanzieren.
Hallo ich bin Wolfgang und habe MS. Ich spare dem Gesundheitssystem jedes Jahr X Tausend € weil ich meine Medizin selber anbaue. Deshalb bin ich kriminell.
...
Verstehst du was ich meine?
Fakten sind gut und schön. Aber sie schmecken vielen einfach nicht...
Der Hanfverband hatte so etwas ähnliches schon mal gestartet, doch seien wir ehrlich: Der Hanfverband hat zwar redliche Ziele, wird aber in der Fachwelt und auch in der Bevölkerung nicht wirklich ernst genommen. Teilweise auch zurecht, denn während in Berlin alles noch recht seriös zu geht, gibt es in anderen Städten Ortsgruppen mit Sprechern die die Bürger eher abschrecken als anzusprechen.
Das Dilemma ist aber ganz klar die aktuelle Gesetzeslage, denn wie soll ein Polizist seinen Konsum zugeben wenn er seinen Job verlieren kann. Auch andere Branchen und Chefs gehen rigoros gegen Drogenkonsum vor, warum soll sich jemand in Gefahr bringen? Der Olf hat es ja geschrieben, für einen Kiffer ändert sich nicht viel, denn das Zeug ist ja flächendeckend mehr oder weniger verfügbar. Also warum outen?
Man muss bei so einer Kampagne auch Gesicht zeigen können, aber wer wird sich freiwillig dahinstellen und sagen ja wohl ich habe gekifft und habe 200 Menschen das Leben gerettet (um bei deinem Beispiel zu bleiben), wenn er dann vom Krankenhauschef rausgeschmissen wird da er nicht mehr tragbar und eine Gefahr für die Patienten ist.
Kommt der gleiche Arzt besoffen in die Klinik oder es kommt raus das er ein Alkoholproblem hat, dann darf er noch nicht mal entlassen werden und muss sich nur in Therapie begeben.
Solange die Strafverfolgung wie ein Damoklesschwert über die Handlungen die im BTMG festgelegt sind schwebt, solange wirst du auch niemanden finden der sich öffentlich hinsetzt und so eine Kampagne mitmacht.
Die meisten die sich nun öffentlich trauen, sind mehrheitlich Alternative,etc. die aber bei der bürgerlichen Bevölkerung nicht wirklich gut ankommen. Das ist das Problem an der ganzen Sache