Das Ansehen der Bundeswehr in der Gesellschaft

Wie geschrieben, wäre die Bundeswehr kostendeckend, durch Fremdfinanzierung, wäre es für mich kein Problem, warum auch, wir alle müssten für sie nicht mehr zahlen. 2012 waren es knapp Offener Haushalt 2012 34,4 Milliarden Euro. 5,6 Milliarden waren militärische Beschaffungen. 1,2 Milliarden für den Eurofighter. Usw. usf.

dir ist aber schon klar, dass die kosten auch bei einer europa-armee bleiben werden? eine euro-armee kämpft schließlich auch nich mit papierfliegern ;)
und wer zahlt in europa traditionell den größten batzen? die deutschen. nur entscheiden wir deutschen dann nicht mehr über die größe der armee, sondern ganz europa. und wenn die mehr wollen, müssen wir tiefer in die taschen greifen. die usa haben deutschland ohnehin schon mehrfach dazu aufgefordert, ihren verteidigungsetat zu vergrößern um einen größeren beitrag bei nato-einsätzen leisten zu können.

glaub mal nicht, dass eine noch größere armee mit noch mehr köchen besser organisiert wären als unser kleiner haufen.

und zu den menschen in kriesengebieten: da sind nicht nur urlauber. auch helfer wie ärzte und ingeneure halten sich oft in kriesengebieten auf, um den menschen dort zu helfen und dann gibts noch die mitarbeiter von firmen, die aus berufsgründen in den ländern sind.

ich glaub wenn wir ganz ohne bundeswehr auskämen, hätten unsere politiker diesen "kostenpunkt" schon aus dem haushalt gestrichen und von dem geld lieber prestigeprojekte und wahlgeschenke finanziert.
 
Lübke schrieb:

Sag das mal nicht dem Merkel - nicht dass die noch auf (für BW-Befürworter) "dumme" Ideen kommt. ;)

Aber mal im Ernst. Eine Euro-Armee hätte einen Verwaltungsapparat, der zwar sicher größer und dadurch auch teurer wäre, als momentane nationale Armee-Verwaltungen. Allerdings sollte man diese Rechung sehr wohl europaweit vornehmen (gesamteuropäischer Militarhaushalt vs. die SUMME aller nationalen Militärhaushalte in Europa). Da kann man die Euro-Armee glatt mit 200Mrd. im Jahr ausstatten und das wäre u.U. immernoch billiger.
Momentan hat JEDER europäische Staat JEDES einzelne für die Verwaltung seiner Armee notwendige Verwaltungsorgan. Ich wette mit dir, dass ein guter Teil dieses Verwaltungsaufwandes in einer zentralen Armeeverwaltung (für eine Euro-Armee) eingespart werden könnte. Ein internationaler Führungsstab, eine Beschaffungsstelle usw. Der Verwaltungsaufwand für einzelne Standorte wäre NICHT größer, nur weil das ganze zentral verwaltet wird, allerdings könnten viele nationale Verwaltungsstrukturen auf eine europäische zusammengedampft werden, die sogar bei dem unterirdischen Organisationstalent unserer Europolitiker sehr wahrscheinlich um einiges schlanker und dadurch für alle Beteiligten billiger wäre.
 
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der springende punkt ist doch der: eine armee ist auch ein politisches instrument und da will jeder eu-staat dann seine eigene vertretung haben und an entscheidungsprozessen auf nationaler ebene mitentscheiden dürfen. der teil des "wasserkopfes" bleibt also wohl auch dann rendundant bestehen. und das bedeutet auch, dass die beschaffungen und truppenstärken etc., sprich auch die wirtschaftlichkeit von allen mitgliedsstaaten bestimmt werden und deutschland eben seinen anteil davon bezahlen muss, egal wie groß die armee wird oder was sie kostet. und der deutsche beitrag zum etat wird sicher nicht der kleinste von allen sein ;)

die kosten könnten europaweit möglicherweise sinken (aber ebensogut auch steigen um sämtliche staaten mitwirken zu lassen), aber die kosten für uns würden wohl ziemlich sicher steigen, da wir nunmal die wirtschaftlich stärkste nation sind und den größten anteil zu tragen hätten.

also ich erwarte hier für uns kein wirkliches einsparpotential. aber dafür wäre "unsere" armee wohl häufiger im auslandseinsatz und nicht nur wie bisher auf sicheren nebenschauplätzen. die briten und franzosen gehen da ganz anders zur sache (und geben auch zig milliarden mehr für ihre armeen aus). da heißt es für uns dann künftig: mitgehangen mitgefangen. ich finde wir mischen uns jetzt schon mehr als genug in fremde konflikte ein...
 
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DerOlf schrieb:
Ich denke viel eher, dass der eigentliche Ursprung gesellschaftlicher Veränderung immer im Geiste Einzelner liegt.

Und das ist genau der Punkt, wo wir beide und auch Onkelhitman und ich uns in unseren Grundannahmen unterscheiden - was somit Ursache für unseren Dissens ist (ein Dissens, den wir hier nicht auflösen werden; zuviele - vermutlich weitaus klügere Köpfe als wir drei es sind ;) - haben sich vor uns schon genau um dieses "Henne-Ei-Problem" gestritten). Um nur ganz kurz darauf einzugehen, da wir uns nun wirklich sehr weit vom eigentlichen Threadthema entfernt haben (mir diente diese Debatte bzw. meine Argumentation sowieso nur als Fundament für meine Frage aus Post #292 bzw. #313):
Es ist gerade nicht ein mystischer "Wunderglaube", der den eigenen Wesensgehalt von Gesellschaften, ein Kollektivbewusstsein (i.S. Durkheims) oder vllt konkreter: Wechselwirkungen (Simmel) bzw. Figurationen (Elias) soziologisch begründet. Vielmehr ist es die Annahme, dass die Dichotomie von der Gesellschaft als abstrakte Struktur auf der einen Seite und dem in ihr handelnden Individuum auf der anderen Seite aufzulösen ist. Denn über diese scheinbare Gegensätzlichkeit gelangt man m.E. in letzter Konsequenz nur zu absoluten Erklärungsansätzen, die jedoch der sozialen Komplexität von Gesellschaften nicht gerecht werden. Daher ist es erforderlich diese Gegensätzlichkeit nicht als solche zu betrachten, sondern als zwei Seiten ein und derselben Medaille. Sie gehören zusammen, sodass nicht das einzeln agierende, autarke, für sich denkende Individuum am Anfang steht, sondern die Beziehung zu anderen. Um erneut Elias zu zitieren, der diese Annahme in schönere Worte gekleidet hat:
Auch zum Verständnis einer Melodie gelangt man nicht, wenn man zunächst einmal jeden ihrer Töne für sich betrachtet, wie er unabhängig von seinen Beziehungen zu anderen Tönen ist. Auch ihr Aufbau ist nichts anderes als der Aufbau der Beziehungen zwischen verschiedenen Tönen.
Ich denke so wird deutlich, dass diese Theorie nicht das Individuum an sich in seiner Bedeutung für soziale Veränderungsprozesse eliminiert; stattdessen setzt sie einen anderen Fokus: auf Interdependenzen. (s. mein von Onkelhitman entliehenes, leicht abgewandeltes Konsumbeispiel aus #313) Durch diese weben Beziehungen zu anderen Individuuen letztlich ein Beziehungsgeflecht, dem sodann ein o.g. Kollektivbewusstsein entspringen kann, dass in dieser Form, keines der einzelnen Individuuen zuvor intendiert hatte. Es entsteht also ein Wesensgehalt von Gesellschaft, abseits subjektiver Intentionen. Und genau hierin sehe ich den Ursprung von sozialen Veränderungsprozessen.
Wie Du aufgezählt hast in Bezug auf die Sklaverei: Eine Person hat die Bibel neu interpretiert, eine Person Sklaven Bildung vermittelt, ein andere war von der Gleichheit aller Menschen überzeugt und die nächste verfolgte vllt nur ökonomische Interessen (zufriedenere Arbeitnehmer sind produktivere Arbeitnehmer). Am Anfang stand vermutlich bei niemanden das konkrete Ziel der Abschaffung der Sklaverei. Dies hat sich als Idee erst in Beziehung zu den anderen Personen und noch vielen weiteren sedimentiert. Und hier liegt der von dir hinterfragte "Ursprung" eines Kollektivgedankens. Dabei dürfte zudem klar werden, dass es sich nicht um einen Prozess mit Anfang und Ende handelt, sondern einen ständig perpetuierenden Wandel.

Aber jetzt genug dazu..


Auch, wenn Du meine Frage aufgrund der von dir dargelegten Gründe nicht bewantworten konntest, so hast Du sie in meinen Augen doch beantwortet. Denn Du negierst weder grundsätzlich die Polizei (deine Bedingung ist ja "nur" eine Organisation frei von Gewaltexzessen) noch das Militär (solange es (subjektiv) sinnvoll organisiert und eingesetzt wird). Conclusio: Zumindest auf einer Markoebene siehst Du durchaus Gründe für die Notwendigkeit staatlicher Gewaltausübung.
(allerdings muss ich zugeben, dass mich trotzdem deine Gedanken zum Gewaltmonopol im "Innern" interessiert hätten, denn die Zeit Platon zu lesen habe ich derzeit wirklich nicht ;))
 
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Die Einbettung in Institutionen und ihre Aufträge kann zu Gewaltanwendung zwingen. Z.B. muss ein Lehrer unpünktlichkeit sanktionieren, unabhängig davon, wie er zur Pünktlichkeit persönlich steht.
Ich unterscheide zwischen williger und unwilliger Gewaltausübung. Meine persönliche Ablehnung von Gewalt, bedeutet damit nichts weiter, als dass ich in der entsprechenden Situation, Gewalt nur widerwillig einsetzen werde - eben tatsächlich als letzten Ausweg.
Im Grunde wünsche ich mir Mitmenschen, die ein ähnliches Verhältnis zu Gewalt haben - Gewalt also wenn überhaupt nur widerwillig einsetzen.

Gewalt im Inneren eines Staates ist mMn deswegen unnötig, weil ein gut geführter Staat sowas eben nicht nötig hätte. Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich, dass es momentan keine gut geführten Staaten gibt, denn sie haben es restlos alle nötig, sich vor Teilen des eigenen Volkes zu schützen, die Befolgung der Gesetze per Gewaltandrohung zu forcieren uvm..

@diRAM:
Nun Zurück zu Platon: Die tatsächliche existierende Notwendigkeit (die kann nicht geleugnet werden) eines staatlichen Gewaltmonopols zeigt die mangelhafte Qualität von Gesetzgebung und Staatsorganisation. Denn diese erschließt sich offensichtlich großen Teilen der Bevölkerung nicht in ihrem Sinn, und muss daher aufgezwungen werden. Seinen größten Feind MUSS ein so schlecht gebauter Staat genauso im Äusseren wie im Inneren vermuten - Er muss stehts bereit sein, sich gegen alles und jeden gewaltsam zur Wehr zu setzen. Ein solcher Staat braucht ein Gewaltmonopol zum Selbstschutz - auch gegen die eigene Bevölkerung.
Aber Staat als Selbstzweck lehne ich pauschal ab.

Der Größte Fehler Platons war, schon vor knapp 2500 Jahre zu leben. Was er damals Staat nannte, bezeichnen wir heute maximal als "Dorf". Zu Platons Lebzeiten hatte es wohl eher die Bedeutung "Stadt".
Seine Ideen waren schon damals utopisch und sind es heute sicherlich nicht weniger. Allerdings steht Platons Utopie mMn in einer Reihe mit Orwells "1984" oder "Brave New World". Alles Gesellschaftsentwürfe, die einen vielleicht erschrecken mögen, bei denen man aber auch das Gefühl hat, dass das funktionieren könnte. Platon hat nur den Vorteil, dass es sich bei ihm NICHT um eine Distopie handelt.

Ein Problem hat aber auch Platons Idealstaat:

Leider haben Menschengruppen eine zentrale Eigenschaft, die Gewalt auf staatlicher Ebene notwenidg erscheinen lässt - Jede Gruppe weiß am besten, was für alle anderen das beste wäre, und da sie sich dabei alle so wunderbar (un)einig sind - gibt es eben regelmäßig Konflikte. Deswegen empfahl Platon die Beschäftigung mit Philosophie vor allem den Staatsmännern - nicht, weil man da denken, reden oder andere für Staatsmänner wichtige Dinge lernt, sondern weil nach Platon diese Beschäftigung zu einer Befragung des Eigenen Standpunktes anhält, einläd, den Gegenüber zu verstehen. Und weil die Philosophie für ihn einen Weg darstellt, das gesunde Maß zu finden - z.B. bei der Gesetzgebung, der Rechtsprechung oder bei der Staatsexpansion. Philosophie kann danach z.B. helfen, unnötige und aussichtslose Verteidigungskriege eines zu großen Staatsgebietes zu vermeiden. Etwas, woran bekanntlich einige antike Staaten gescheitert sind.

Ich kann's nur empfehlen: Durch die Dialogform liest es sich viel unproblematischer, als "moderne" Aufarbeitungen. Man ist praktisch Zuhörer in einer etwas zu tiefgründigen Radio-Soap.
Allerdings sollte man sich in der griechischen Mythologie etwas auskennen, da man sonst vieles einfach nicht verstehen kann (oder aus dem Blättern zwischen Text und Anmerkungen nicht rauskommt).
Viele der Probleme, die Platon behandelt, kommen zumindest mir noch immer sehr aktuell vor, die Größendimension hat sich geändert,aber das Problem an sich besteht noch genauso, wie vor 2500 Jahren.

Ein Gebilde wie die BW gibt es auch bei Platon. fast ein Drittel der Menschen seines Staates sind Hopliten - Berufssoldaten, die mit nichts anderem Beschäftigt sind, als der (auch in diesem Staat NOTWENDIGEN) Strafverfolgung, der Obhut über die Gesetze (zu allen geregelten Lebensbereichen) und der Landesverteidigung. Ihre Ausbildung beginnt in der Kindheit und endet erst mit ihrem Tod - sie Leben in Gütergemeinschaft und teilen auch sonst alle Dinge des Lebens. Die Staatsgemeinschaft kommt zu 100% für ihr Leben (und das der mit dem Staatswesen zwangsbefassten Philosophen) auf.
Platon meint: Egal welche Kunst man ausübt, man übt sie am besten aus, wenn man sich ganz auf sie konzentrieren kann und sein Leben ganz auf ihre Perfektion ausrichtet. Daher ist Platons Staat so aufgebaut, dass kein Bürger mehr als einen Beruf ausüben muss, und ein Leben unabhängig vom Beruf gesichert erscheint.

Eine Utopie ist das ganz sicher - aber ich finde sie doch schon ziemlich optimal, wenn man mal von der Rassenideologie absieht, die Platon zur funktionalen Verteilung auf die einzelnen Gruppen heranzieht und die Tatsache ignoriert, dass der Mann mit Demokratie als Aristokrat selbstverständlich nichts anzufangen wissen wollte und deshalb kein gutes Haar an "unserem" System lässt.
Sklaverei war für Platon Teil einer gottgegebenen Ordnung (war damals scheinbar common sense). Manche wurden eben frei geboren, ließen sich einfangen und verkaufen (Pech gehabt), oder eben nicht. Allerdings fehlt der antiken Sklaverei der Rassismus ihres späteren europäischen Pendants (es gab keine "Nation" zu der von Geburt her nicht auch "Sklaven" gehört hätten). Sklaven waren für Platon einfach "unfreie" Menschen.
Das passt natürlich auch nicht zu meinen Vorstellungen von Gesellschaft - allerdings haben wir das, wofür ursprünglich Sklaven eingesetzt wurden (kraftaufwendige niedere Arbeiten), mittlerweile durch Maschinen ersetzt. Sklaven spielen in unserer Gesellschaft keine so bedeutende Rolle, wie im alten Athen oder Rom.
Ich glaube, dass wir von Platon durchaus etwas über unsere heutige Gesellschaft lernen können - auch wenn ein paar Ebenen hinzugekommen sind. Platon konnte sich im Vgl. zu heute auf maximal "regionale" Strukturen beschränken, das meiste bleibt gar "kommunal".
Die Basis der Gesellschaftsorganisation bilden aber auch heute noch diese relativ überschaubaren Einheiten, die allerdings übergeordnet (Land, Bund, EU, UN) koordiniert und gesteuert werden.
 
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Danke für deine Ausführungen. In jedem Fall hast Du mich neugierig gemacht (leider ist meine must-read-List derart lang..). Denn auch, wenn man idealistisch denkt und als Ziel eine Utopie vor Augen hat (u.a. auch der Gewaltverzicht), so ist vllt deren absolute Umsetzung unrealistisch, aber sie bietet doch die Möglichkeit Veränderungspotenziale zu erkennen. Und hier sind wir uns einig: die gibt es, auch bei der Bundeswehr, zu Hauf!
 
Schönes Schlusswort dazu. ;) Da kann ich mich mal anschließen.

Ums Umsetzen geht es bei Utopien garnicht, der Versuch der Annäherung, oder die Suche nach Verwirklichungsmöglichkeiten ist schon fruchtbar genug.

Das letzte was ich will ist eine Welt in der alle so ticken wie ich ... wäre mir viel zu langweilig.
 
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@DerOlf: Du gibtst Platon ziemlich gut wieder. Einen wichtigen Punkt deutest du aber nur an. Platon ging davon aus, dass (1.) eine objektive Moral existiert und wir sie (2.) auch erkennen können. Falls diese zwei Punkte korrekt sind und Platon den idealen Staat erkannt hat, dann werden wir diesen Staat wollen, falls wir klug genug sind, dieser Argumentation zu folgen. Platon sah die einzige Möglichkeit für ein gutes Leben, indem alle Menschen durch Erziehung moralisch verständig gemacht werden.

Diese Lösung hat sich als nicht besonders praktikabel erwiesen. Im Allgemeinen gehen wir heute aber davon aus, dass eine objektive Moral nicht existiert oder wir sie zumindest nicht zuverlässig erkennen können. Das ist einer der Gründe, warum ein pluralistischer Staat wünschenswert ist. Ideologien wie den Kommunismus kann man als Beispiele für Systeme auffassen, in denen Menschen geglaubt haben, eine objektive Moral korrekt erfasst zu haben. Die Idee, dass Pluralismus vorteilhaft sein kann, konnte Platon zu seiner Zeit allerdings nur schwer erkennen.

Auf Platons Seite steht ein der Welt angemessener totalitärer Staat, auf der anderen Seite stehen moderne pluralistische Ideen, weil wir Platons Annahmen nicht mehr vollständig teilen. Ich denke daher, dass Platon zwar interessant, aber gerade für die moderne Diskussion nicht besonders relevant ist.
 
misu schrieb:
Auf Platons Seite steht ein der Welt angemessener totalitärer Staat, auf der anderen Seite stehen moderne pluralistische Ideen, weil wir Platons Annahmen nicht mehr vollständig teilen. Ich denke daher, dass Platon zwar interessant, aber gerade für die moderne Diskussion nicht besonders relevant ist.

Natürlich kann es nicht darum gehen, Platons Idealstaat 1:1 umzusetzen, allerdings glaube ich, dass der Kern der Staatenlehre bei Platon Ideologie-unabhängig ist. Das funktioniert auch in einer Demokratie, denn die funktionierende Weitergabe geeigneter Werte ist ein recht guter Weg, dem Staat innere Stabilität und Ruhe zu geben.

Objektiv muss die Moral dazu nichtmal sein. Auch eine komplette Konstruktion kann intersubjektiv nachvollziehbar sein, und zum Allgemeingut avancieren.

Leider hat bisher niemand herausgefunden, wie man gesellschaftliche Werte so formuliert und weitergibt, dass sie nicht ständigem Wandel unterwofen sind/sein müssen, oder die Gemeinschaft lähmen.
Wie @diRAM schon sagte. Gesellschaft ist ein Prozess - und daher ist es eigentlich logisch, dass sie nicht etwas "an sich" enthalten kann, denn Prozess ist Wandel - Platon hat sich aber gerade bemüht, etwas zu erkennen, das sich nicht wandelt.
Es geht aber auch nicht um das, was Platon erkannt hat, sondern um seine logische Herangehensweise an das Problem Gesellschaft/Staat und Individuum.

Selbst Platon-Leser?
 
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Ich bin Informatiker und Philosoph. :)

Gerade die Idee, dass man eine letzte Wahrheit erkennen kann, ist der Kern von praktisch jeder Ideologie und ein Sprungbrett in den Totalitarismus. Pluralismus ist das genaue Gegenteil.

Auch Platon würde dir widersprechen. Die letzte Wahrheit erkennt der Philosoph. Und weil bei Platon gilt, dass gutes Verhalten das Glück maximiert (deines und das der anderen), muss der Philosoph an der Spitze des Staates stehen, da er das Gute am besten erkennen und umsetzen kann (und auch tatsächlich umsetzt).
Das ist gerade die entgegengesetzte Idee einer Demokratie. Hier geht es um das balancieren der Interessen von einzelnen Gruppen, eben weil niemand einen letzten Trumpf spielen kann, mit denen er alle anderen Position stechen kann. Und weil niemand ernsthaft glaubt, dass die Kenntnis des guten auch zu guten Handlungen motiviert oder gar, dass der beste auch der glücklichste ist.

Platons Idealstaat ist eine totalitäre Ideologie.
 
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misu schrieb:
Die letzte Wahrheit erkennt der Philosoph.

Nein! Die letzte Wahrheit ist weniger ein Existenzproblem (die Frage ihrer Existenz wird von diesen Gedanken nichtmal berührt), denn ein Erkenntnisproblem.
Dazu eine kleine Frage: Wie Erkennen wir z.B. physische Dinge?

So wie ich das momentan (noch) auf dem Schirm habe, erkennen wir Dinge aufgrund einer Zuodrnung zu Kategorien sowie ihrer Ähnlichkeit oder zumindest Vergleichbarkeit mit den Dingen, die diese Kategorie bilden. Vorraussetzung für das "korrekte" Erkennen ist also eine art Muster, welches für das zu Erkennende genauso gilt, wie für die Gegenstände der Kategorie, der dieses zu Erkennende zugeordnet werden kann.
Wie sieht nun das Muster oder die Kategorie für "Wahrheit" aus?
Ist es die naturgemäß sinnlehre Formallogik? "Aus A folgt B" beinhaltet keinerlei verwertbare Aussage, solange A und B Variablen bleiben. Erst wenn es konkret wird bietet die Formallogik Anhaltspunkte - allerdings eher für die "Unwahrheit" einer Aussage.
Das Problem besteht nicht in der Frage, "wie erkenne ich die Wahrheit?", sondern eher in der Frage "Wie erkenne ich, dass ich die Wahrheit erkannt habe?".

Mit K. Popper halte ich diese sekundäre Erkenntnis der Wahrheit für unmöglich - sogar für Philosophen - und da widersreche ich Platon, Aristoteles und anderen, die diese Wahrheit suchten.
Menschen erkennen ständig "Wahrheit", aber eine "letzte Wahrheit" ist bisher wohl kaum dabei gewesen, solange nicht totalitäre Systeme bemüht wurden (die Axiomatik der Mathematik stellt z.B. einen Wahrheitsgaranten innerhalb dieses Erkenntnissystems dar - und eines ist dieses Subsystem ganz sicher: Totalitär). Das einzige Mittel zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes einer Aussage, ist ihre ständige Probe - erst wenn sich eine Aussage über ihre Hypothesen (Prognosen) in der Realität als brauchbar erweist, KANN sie Wahrheit beanspruchen. Leider ist die Welt ständigem Wandel unterworfen, und hat für die von Platon gesuchte letzte (unveränderliche, göttliche, dem Werden und Vergehen entrückten) Wahrheit daher kaum Platz. In der Mathematik erreichen wir das durch den willkürlichen Abbruch von Letztbegründungen (via Axiom), Logik hingegen erreicht einen ähnlichen Status durch die totale Sinnentlehrung. Etwas, das keine über sich selbst hinausgehende Aussage trifft (keinen Erkenntnisgewinn darstellt), kann nicht falsch sein, solange es den Gesetzen der Logik gehorcht.
Die reinste Erkenntnis haben wir bisher nur erlangt, in dem wir Aussagen in eine Umwelt gestellt haben, in der sie nicht falsch sein können, solange sie den Regeln (dem Konstruktionsprinzip dieser Umwelt) folgen. Ausserhalb dieser künstlichen Umwelten führt die Suche nach Letztbegründungen ziwngend in den infiniten Regreß - aus keinem Anderen Grund, als dass keine Ursache nur Ursache und keine Wirkung nur Wirkung ist, es genaugenommen also keine "letzte" oder "reine" Ursache geben kann, die keiner weiteren Begründung bedarf.

Mit den letzten Wahrheiten ist es mMn wie mit Utopien ... man kann sich ihnen annähern, aber bwusst erreichen wird man sie nicht.
Ich bin Konstruktivist, und das hat fatale Folgen für den Begriff der "Wahrheit", denn sie kann immer nur relativ sein - ist nie mehr als "Wahrheit im Bezug auf ein spezifisches Konstrukt".

Obwohl ich mit Platon an dieser Stelle uneinig bin (sein ganzes Konstrukt baut darauf auf, dass Philosophie zur Ideenschau befähigt - also zur Erkenntnis der letzten Wahrheit - eine Einschätzung, die ich nicht teile), halte ich einige seiner Ideen für Bemerkenswert und vor allem für auch heute noch fruchtbar einsetzbar. Vor allem einige der Tugenden sollten z.B. in BWL und Jura prominent gesetzt werden (ich denke dabei vor Allem an Besonnenheit, Bescheidenheit und das rechte Maß). Allein damit wäre mMn schon viel gewonnen, auch im Bezug auf die Verhältnismäßigkeit von militärischen Maßnahmen, den Bankensumpf oder allgemein in der Politik - und da gebe ich Platon uneingeschränkt recht, diese Tugenden SIND wichtig für das persönliche UND das staatliche Glück.
Mit Pluralismus vs. Totalitarismus hat das nur wenig zu tun. Ganz im Gegenteil, der Wert dieser Tugenden ist in einer pluralistischen Gesellschaft noch viel wichtiger, als in einer "guten" Totalmonarchie, wie sie Platon präferiert. Mehr noch, je weniger Repressiv ein Staat agieren soll, desto wichtiger werden die Tugenden der in ihm lebenden Bürger.
Platon fehlte das Vertrauen in die Massen, daher musste es bei ihm die totale Herrschaft weniger (durch ihre Beschäftigung mit Philosophie zwingend tugendbewehrter) Philosophen (Politeia) bzw. ewiger unveränderlicher Gesetze (Nomoi) sein.

Das ganze wimmelt von Fehleinschätzungen, die man allerdings heute leicht als solche erkennen kann, aber der Rest ist nicht schlecht.

Aber auch das hat mit dem Bild der Bundeswehr nur recht wenig zu tun, wenn man davon absieht, dass Platon einen Militär- und Polizeiapparat für unerlässlich erklärt - ein Umstand den Gesetze und Erziehung in seinem Idealstaat selbstverständlich hätten reflektieren müssen.
Das letzte, womit sich eine solche Armee (bei Platon) herumschlagen müsste, wäre ein Volk, das ihre Notwendigkeit nicht anerkennt, und ihm keine Dankbarkeit oder Bewunderung zubilligt. Da wären die Bürger in Platons Idealstaat genauso drauf gebürstet, wie heute die Amis (es zumindest medial präsentieren).

Zum Glück sind wir nicht Platons Idealbürger, sondern bilden uns eine von den Gesetzen weitestgehend unabhängige Meinung über die BW - da kommt dann auch mal was anderes bei raus, als Begeisterung.
Pluralismus eben - da kann auch die BW nicht NUR "gut" sein.

Gibts auf CB eigentlich noch mehr Philosophiebegeisterte? Seit StudiVZ tot und mein Studium zu ende ist, fehlt mir das ein wenig.
 
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DerOlf schrieb:
Nein! Die letzte Wahrheit ist weniger ein Existenzproblem (ihre Existenz wird von diesen Gedanken nichtmal berührt), denn ein Erkenntnisproblem.
Dazu eine kleine Frage: Wie Erkennen wir z.B. physische Dinge?
Dir ist schon klar, dass sich das nicht auf meine Meinung bezogen hat (die hier nicht mal geäußert habe), sondern dass das Platons These ist. Er(!) glaubt an die rationale Erkennbarkeit einer existierenden letzten Wahrheit.
Und da er den Idealstaat sogar beschreiben kann, scheint er sogar Zugang zu dieser Wahrheit zu haben. (Das ist bei Platon zugegebenermaßen nicht 100% deutlich.)

Mein Punkt war in erster Linie, dass dies aus heutiger Sicht ein Einstieg in den Totalitarismus darstellt.

Wenn du Interesse an einer weiteren Diskussion hast, von mir aus gerne (ich schreib auch gern noch mehr zu deiner letzten Antwort), aber nicht diesem Thread, da das doch recht weit vom Thema weg ist. Also entweder per PM oder mach einen anderen Thread auf.

Gruß!
 
misu schrieb:
Also entweder per PM oder mach einen anderen Thread auf.

Ich würde mich über eine weitere Diskussion freuen - hier passt das aber tatsächlich nicht hin, da es das Thema nur leicht tangiert.

Vielleicht kommen mir in der Diskussion (per PM) dann auch ein paar Ideen für einen anderen Thread - momentan fällt mir da nicht wirklich etwas ein, was nicht in bereits existierenden Threads eigentlich besser aufgehoben wäre (obwohl es da aufgrund des bisherigen Diskussionsverlaufs oft mehr nicht so reinpasst).
 
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