misu schrieb:
Die letzte Wahrheit erkennt der Philosoph.
Nein! Die letzte Wahrheit ist weniger ein Existenzproblem (die Frage ihrer Existenz wird von diesen Gedanken nichtmal berührt), denn ein Erkenntnisproblem.
Dazu eine kleine Frage: Wie Erkennen wir z.B. physische Dinge?
So wie ich das momentan (noch) auf dem Schirm habe, erkennen wir Dinge aufgrund einer Zuodrnung zu Kategorien sowie ihrer Ähnlichkeit oder zumindest Vergleichbarkeit mit den Dingen, die diese Kategorie bilden. Vorraussetzung für das "korrekte" Erkennen ist also eine art Muster, welches für das zu Erkennende genauso gilt, wie für die Gegenstände der Kategorie, der dieses zu Erkennende zugeordnet werden kann.
Wie sieht nun das Muster oder die Kategorie für "Wahrheit" aus?
Ist es die naturgemäß sinnlehre Formallogik? "Aus A folgt B" beinhaltet keinerlei verwertbare Aussage, solange A und B Variablen bleiben. Erst wenn es konkret wird bietet die Formallogik Anhaltspunkte - allerdings eher für die "Unwahrheit" einer Aussage.
Das Problem besteht nicht in der Frage, "wie erkenne ich die Wahrheit?", sondern eher in der Frage "Wie erkenne ich, dass ich die Wahrheit erkannt habe?".
Mit K. Popper halte ich diese sekundäre Erkenntnis der Wahrheit für unmöglich - sogar für Philosophen - und da widersreche ich Platon, Aristoteles und anderen, die diese Wahrheit suchten.
Menschen erkennen ständig "Wahrheit", aber eine "letzte Wahrheit" ist bisher wohl kaum dabei gewesen, solange nicht totalitäre Systeme bemüht wurden (die Axiomatik der Mathematik stellt z.B. einen Wahrheitsgaranten innerhalb dieses Erkenntnissystems dar - und eines ist dieses Subsystem ganz sicher: Totalitär). Das einzige Mittel zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes einer Aussage, ist ihre ständige Probe - erst wenn sich eine Aussage über ihre Hypothesen (Prognosen) in der Realität als brauchbar erweist, KANN sie Wahrheit beanspruchen. Leider ist die Welt ständigem Wandel unterworfen, und hat für die von Platon gesuchte letzte (unveränderliche, göttliche, dem Werden und Vergehen entrückten) Wahrheit daher kaum Platz. In der Mathematik erreichen wir das durch den willkürlichen Abbruch von Letztbegründungen (via Axiom), Logik hingegen erreicht einen ähnlichen Status durch die totale Sinnentlehrung. Etwas, das keine über sich selbst hinausgehende Aussage trifft (keinen Erkenntnisgewinn darstellt), kann nicht falsch sein, solange es den Gesetzen der Logik gehorcht.
Die reinste Erkenntnis haben wir bisher nur erlangt, in dem wir Aussagen in eine Umwelt gestellt haben, in der sie nicht falsch sein können, solange sie den Regeln (dem Konstruktionsprinzip dieser Umwelt) folgen. Ausserhalb dieser künstlichen Umwelten führt die Suche nach Letztbegründungen ziwngend in den infiniten Regreß - aus keinem Anderen Grund, als dass keine Ursache nur Ursache und keine Wirkung nur Wirkung ist, es genaugenommen also keine "letzte" oder "reine" Ursache geben kann, die keiner weiteren Begründung bedarf.
Mit den letzten Wahrheiten ist es mMn wie mit Utopien ... man kann sich ihnen annähern, aber bwusst erreichen wird man sie nicht.
Ich bin Konstruktivist, und das hat fatale Folgen für den Begriff der "Wahrheit", denn sie kann immer nur relativ sein - ist nie mehr als "Wahrheit im Bezug auf ein spezifisches Konstrukt".
Obwohl ich mit Platon an dieser Stelle uneinig bin (sein ganzes Konstrukt baut darauf auf, dass Philosophie zur Ideenschau befähigt - also zur Erkenntnis der letzten Wahrheit - eine Einschätzung, die ich nicht teile), halte ich einige seiner Ideen für Bemerkenswert und vor allem für auch heute noch fruchtbar einsetzbar. Vor allem einige der Tugenden sollten z.B. in BWL und Jura prominent gesetzt werden (ich denke dabei vor Allem an Besonnenheit, Bescheidenheit und das rechte Maß). Allein damit wäre mMn schon viel gewonnen, auch im Bezug auf die Verhältnismäßigkeit von militärischen Maßnahmen, den Bankensumpf oder allgemein in der Politik - und da gebe ich Platon uneingeschränkt recht, diese Tugenden SIND wichtig für das persönliche UND das staatliche Glück.
Mit Pluralismus vs. Totalitarismus hat das nur wenig zu tun. Ganz im Gegenteil, der Wert dieser Tugenden ist in einer pluralistischen Gesellschaft noch viel wichtiger, als in einer "guten" Totalmonarchie, wie sie Platon präferiert. Mehr noch, je weniger Repressiv ein Staat agieren soll, desto wichtiger werden die Tugenden der in ihm lebenden Bürger.
Platon fehlte das Vertrauen in die Massen, daher musste es bei ihm die totale Herrschaft weniger (durch ihre Beschäftigung mit Philosophie zwingend tugendbewehrter) Philosophen (Politeia) bzw. ewiger unveränderlicher Gesetze (Nomoi) sein.
Das ganze wimmelt von Fehleinschätzungen, die man allerdings heute leicht als solche erkennen kann, aber der Rest ist nicht schlecht.
Aber auch das hat mit dem Bild der Bundeswehr nur recht wenig zu tun, wenn man davon absieht, dass Platon einen Militär- und Polizeiapparat für unerlässlich erklärt - ein Umstand den Gesetze und Erziehung in seinem Idealstaat selbstverständlich hätten reflektieren müssen.
Das letzte, womit sich eine solche Armee (bei Platon) herumschlagen müsste, wäre ein Volk, das ihre Notwendigkeit nicht anerkennt, und ihm keine Dankbarkeit oder Bewunderung zubilligt. Da wären die Bürger in Platons Idealstaat genauso drauf gebürstet, wie heute die Amis (es zumindest medial präsentieren).
Zum Glück sind wir nicht Platons Idealbürger, sondern bilden uns eine von den Gesetzen weitestgehend unabhängige Meinung über die BW - da kommt dann auch mal was anderes bei raus, als Begeisterung.
Pluralismus eben - da kann auch die BW nicht NUR "gut" sein.
Gibts auf CB eigentlich noch mehr Philosophiebegeisterte? Seit StudiVZ tot und mein Studium zu ende ist, fehlt mir das ein wenig.