Bundesregierung und EU besorgt wegen „Prism“

Andreas Frischholz
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Die Bundesregierung und die EU-Kommission fordern von der US-Regierung, das Ausmaß der Internet-Überwachung durch „Prism“ aufzuklären. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird das NSA-Programm vermutlich direkt mit US-Präsident Barack Obama besprechen, der in der kommenden Woche Berlin besucht.

Das kündigte zumindest Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) im Bayrischen Rundfunk an: „So habe ich es auch schon verlauten hören, dass sie das auf jeden Fall tun wird.“ Nun stehe „totale Aufklärung“ an erster Stelle, die Dimension der Überwachungsaktivitäten empfindet sie besorgniserregend. „Ich denke auch, dass man das nicht einfach nur mit dem Vorgehen gegen Terrorismus erklären kann, weil eben nicht jedes Mittel diesen weitreichenden Einsatz rechtfertigen kann“, so Leutheusser-Schnarrenberger.

In welchem Ausmaß die NSA weltweit Daten sammelt, verdeutlicht eine Karte aus „Boundless Informant“ – ein als „Top Secret“ klassifiziertes Datamining-Tool. Die entsprechenden Informationen stammen aus den Dokumenten, die Edward Snowden dem Guardian ausgehändigt hat. Die NSA verwendet das leistungsstarke Programm für die Auswertung und Analyse der global auftürmenden Datenberge, die der Geheimdienst aus Computer- und Telefonnetzwerken absaugt.

„Boundless Informant“ erfasst allerdings keine Inhalte von Telefonaten oder E-Mails, sondern ist auf Metadaten beschränkt, die es nach Herkunft und Typ kategorisiert – so werden bestimmten Ländern etwa Verbindungsdaten von Telefonanrufen oder IP-Adressen zugeordnet. Einen Überblick der im März 2013 gespeicherten Daten bietet die folgende „Global Heat Map“. Am schwächsten ist die Überwachung in Grün markierten Ländern, dann steigt die Intensität von Gelb über Orange bis Rot. Diese Länder wurden von der NSA zumindest im März am stärksten überwacht.

„Heat-Map“ aus Datamining-Tool „Boundless Informant“
„Heat-Map“ aus Datamining-Tool „Boundless Informant“ (Bild: guardian.co.uk)

In dem 30 Tage umfassenden Zeitraum hat die NSA insgesamt 97 Milliarden Metadaten gespeichert, mit gut 14 Milliarden stammen die meisten davon aus dem Iran. In Europa liegt Deutschland als einziges gelb markiertes Land auf Rang 1 – genauso eingestuft wie die USA, obwohl es der NSA als Auslandsgeheimdienst untersagt ist, innerhalb der USA vorzugehen. Dass in den USA knapp drei Milliarden Metadaten gespeichert wurden, zählt daher zu den brisanten Informationen aus den Dokumenten. Noch im März hatte US-Geheimdienstdirektor James Clapper bei einer Befragung im Kongress bestritten, dass die NSA Daten von US-Amerikanern sammelt.

So erhöht sich der Druck auf die NSA und die US-Administration, auch wenn eine Sprecherin des Geheimdienstes nach einer Anfrage vom Guardian die Vorwürfe zurückweist. Es wäre nicht machbar, anhand der Kommunikationsdaten die beteiligten Personen oder Orte eindeutig zu identifizieren. Ohnehin würden die Berichte über die NSA-Programme einzelne Aspekte aus dem Kontext reißen, eine adäquate Diskussion wäre deswegen unmöglich, zitiert der Guardian.

EU verlangt von USA Aufklärung und Zugeständnisse

Verärgert zeigt sich auch EU-Justizkommissarin Viviane Reding, bereits am Freitag will sie die NSA-Programme bei einem Treffen mit US-Generalbundesanwalt Eric Holder thematisieren. Die EU-Kommission sei äußerst besorgt über mögliche Konsequenzen für die Privatsphäre von EU-Bürgern, erklärte Redings Sprecherin und kritisierte einige EU-Staaten. Diese würden Maßnahmen für den Schutz der Privatsphäre kaum berücksichtigen, gleichzeitig aber vorpreschen, wenn staatliche Institutionen einen umfassenderen Zugriff auf persönliche Daten erhalten sollen.

Damit ist offensichtlich Großbritannien gemeint. Zuletzt blockierte dessen EU-Delegation die Verhandlungen über die EU-Datenschutzreform. Bei „Prism“ soll der britische Geheimdienst GCHQ allerdings mit der NSA kooperieren, wie Dokumente zeigen, die dem Guardian vorliegen.

EU-Parlamentarier fordern angesichts der ausufernden Überwachungsaktivitäten der NSA in Europa, dass die USA in Zukunft eindeutige Garantien abgeben muss, die europäischen Privatsphäre-Bestimmungen zu respektieren. Ansonsten dürften Abkommen zwischen der EU und den USA auf noch mehr Widerstand stoßen, als es ohnehin schon der Fall ist.

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