Neuer Kopierschutz für E-Books

Michael Schäfer
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Nachdem der aktuelle Kopierschutz für digitale Bücher seit geraumer Zeit nicht mehr als sicher angesehen werden darf, geht das Fraunhofer Institut neue Wege: Statt eines neuen Kopierschutzes, welcher in geraumer Zeit wieder obsolet sein könnte, setzen die Forscher nun auf eine Individualisierung durch Manipulation des Inhaltes.

So sollen E-Books und elektronische Dokumente, die mit SiDim (Sichere Dokumente durch individuelle Markierung) geschützt sind, durch sichtbare und unsichtbare Markierungen vor einer illegalen Weitergabe bewahrt werden, indem einzelne Kopien voneinander unterscheidbar sind. Bei diesem Verfahren sollen unter anderem die Inhalte zwischen einzelnen Kopien in kleinen Teilen geändert werden. So könnte für den einen Leser an einer Stelle im Text „nicht hörbar“ stehen, ein anderer Leser würde an gleicher Position wiederum das Wort „still“ zu lesen bekommen.

Aber auch Reihenfolgen bei Aufzählungen können geändert werden. So besteht die Möglichkeit, „Franz, Theo und ich“ in „Theo, Franz und ich“ zu ändern. Eine weitere Möglichkeit besteht aus dem Aneinanderfügen oder dem Teilen von Wörtern: Aus „Paket-Lieferung“ könnte „Paketlieferung“ oder umgekehrt werden. Weitere Beispiele können aus dem Evaluationsbogen des Projektes entnommen werden, mit welchem anscheinend die Toleranzgrenze der Autoren und Verlage ermittelt werden soll.

Somit wird bei SiDim nicht die Datei verändert, sondern deren Inhalt. Im Gegensatz zu den beiden aktuell gängigen Methoden, dem „soften“ DRM, bei dem der Schutz lediglich aus einem Wasserzeichen besteht, oder dem „harten“ wie Adobe Adept oder das Kindle-DRM, ist der Schutz bei dem neuen Verfahren von außen nicht erkennbar. Daher dürfte es nicht verwundern, dass die Partner vom Frauenhofer Institut diese neue Technik fördern möchten. Zu diesen zählt auch die „Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH“ (MVB), der letzten Endes den Börsenverein des Deutschen Buchhandels vertritt.

Dieses Verfahren ruft derweil viele Kritiker auf den Plan, da vielerorts die Unveränderbarkeit von Texten als ein großes Gut angesehen wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es um wissenschaftliche Publikationen geht. So versuchen zum Beispiel Bibliotheken über diverse Methoden den Nachweis zu liefern, dass ihre digital aufbereiteten Texte inhaltlich unverändert vorliegen, was mittlerweile als eine Art Garantie anzusehen ist. Bei automatisch eingeführten Veränderungen besteht zudem die Gefahr, durch unbedachte Änderungen Aussagen zu verfälschen, was besonders bei Zitaten zum Tragen kommen würde. Aber auch anders herum kann es zu Problemen kommen: So könnten wissenschaftliche Arbeiten Gefahr laufen, sich in Zitaten nur auf eine bestimmte Ausgabe eines Buches zu stützen. Der Wahrheitsgehalt eines solchen Zitates wäre somit unter Umständen schwerer nachweisbar.

Auch wenn es laut Aussagen der Forschergruppe nicht zu „semantischen Verzerrungen“ kommen soll, dürften es sich trotz aller Vorsicht durch die verwendeten Automatismen nie komplett ausschließen lassen. Die freie Autorin Mela Eckenfels befürchtet in ihrem lesenswerten Artikel „Kopf sucht Tischplatte: Wasserzeichen-DRM“ sogar, dass bei Einführung der neuen Technik nicht mehr Autoren in ihren Werken das „letzte Wort“ haben könnten, sondern die Technik.

Die Entwickler dieser Technik setzen des Weiteren auf den psychologischen Faktor. Da die Kopien voneinander unterscheidbar sind, können diese somit auch zum Verursacher zurückverfolgt werden. Da es keinen Kopierschutz im herkömmlichen Sinne gibt und der Käufer nicht weiß, wie sich dieser bei seinem Exemplar bemerkbar macht, kann dieser auch nicht umgangen werden. Der Käufer soll, so die Verantwortlichen, so „zu einem verantwortungsvollen Umgang“ mit seinem Buch angehalten und „und vor illegaler Weitergabe abgeschreckt“ werden, weil die zu ihm zurückverfolgt werden kann. Dies dürfte aber auch Fragen zum Thema Datenschutz aufwerfen: Wenn eine illegale Verbreitung zurückverfolgt werden kann, so müssen die dazu benötigten Informationen auch irgendwo verzeichnet werden, womit jeder Leser eindeutig identifizierbar wäre. Da der neue Kopierschutz weltweit eingesetzt werden würde, dürfte eine Überprüfung im Bezug auf die jeweiligen lokalen Datenschutzbestimmungen interessant sein.

Wie viele andere DRM-Methoden besitzt jedoch auch SiDim seine Grenzen. Diese sind vor allem im Bereich der Faksimiles zu finden sowie originalgetreuen Kopien beziehungsweise Reproduktionen von oftmals historisch wertvollen Dokumenten. Bei solchen Serien, wie zum Beispiel der „Historia Scientiarum“, liegt das Augenmerk auf einer genauen Wiedergabe des Originals, sodass Wissenschaftler in bestimmten Fällen nicht mehr mit diesem, sondern mit der „Kopie“ arbeiten können. Bei digitalen Versionen könnten somit erst gar keine Wörter ausgetauscht werden. Problematisch dürfte es ebenso bei Gedichtbänden werden.

Es bleibt also abzuwarten, wie vor allem Autoren auf diesen neuen Schutz reagieren werden. Laut des Fraunhofer Institut SIT sollen aber bereits Tests und Gespräche mit Autoren stattgefunden haben.