Kanzleien hebeln Anti-Abmahngesetz aus

Andreas Frischholz
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Um Massenabmahnungen wegen Urheberrechtsverstößen einzudämmen, hatte die alte Bundesregierung im Sommer entschieden, die Kosten von Abmahnungen zu deckeln. Seit dem 9. Oktober gilt das Gesetz, doch keine zwei Wochen nach Inkrafttreten ist absehbar, dass Abmahnkanzleien die Vorgaben aushebeln wollen.

Diese sehen vor, den Streitwert bei einer ersten Abmahnung wegen einer einfacher Urheberrechtsverletzungen auf 1.000 Euro zu begrenzen, so dass die Abmahnkosten bei nur rund 150 Euro liegen. Nun berichtet der IT-Fachanwalt Thomas Stadler in seinem Blog Internet-Law, dass auf Abmahnungen spezialisierte Kanzleien die Kostendeckelung umgehen würden, indem reduzierte Anwaltskosten mit erhöhten Schadensersatzforderungen verrechnet werden – letztere fallen nicht unter die Streitwertgrenze.

Bei Filesharing-Abmahnungen hätte etwa die Kanzlei Waldorf Frommer früher in vielen Fällen 506 Euro Anwaltskosten sowie 450 Euro Schadensersatz geltend gemacht. Die Gesamtforderungen an den Abgemahnten beliefen sich also auf 956 Euro. Abmahnungen, die Stadler vorliegen und sich nach den neuen Vorschriften richten, enthalten Schadensersatzforderungen von 600 Euro, während die Anwaltskosten 215 Euro betragen – zusammen 815 Euro. Die Abmahnkosten haben sich also um 141 Euro reduziert, liegen aufgrund der Schadensersatzforderungen aber immer noch über den im Gesetz anvisierten rund 155 Euro.

Dass selbst die Anwaltskosten mit 215 Euro diese Summe übersteigen, hängt ebenfalls mit den Schadensersatzforderungen zusammen. Die 600 Euro werden von der Kanzlei auf den gedeckelten Streitwert von 1.000 Euro aufgeschlagen, um die Anwaltskosten zu berechnen.

Umstritten war das Anti-Abmahngesetz ohnehin. Nach Ansicht von Stadler zeichne sich mit den ersten Abmahnungen ab, dass es in der Praxis offenbar nicht geeignet ist, um „die Massenabmahnungen im Bereich des Filesharing einzudämmen“. Eine etwas optimistischere Sicht hat man bei der Interessen-Gemeinschaft gegen den Abmahnwahn, die ebenfalls über entsprechende Abmahnungen berichtete. Diese würden nicht im Sinne des Gesetzgebers erfolgen, dementsprechend besteht die Chance, dass Gerichte dieser Praxis ein Ende setzen.

25 Jahre ComputerBase!
Im Podcast erinnern sich Frank, Steffen und Jan daran, wie im Jahr 1999 alles begann.
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  • Andreas Frischholz E-Mail
    … ist Politikwissenschaftler und berichtet seit 2004 über Netzpolitik, Tech-Ökonomie und den digitalen Wandel der Gesellschaft.
Quelle: Internet-Law

Ergänzungen aus der Community

  • Creeed 27.10.2013 20:58
    Wenn es nur die träfe die illegal Filme und Musik herunterladen, wären die verhängten Abmahngebüren wohl kein Problem, sonder sie wären wohl sogar sehr willkommen, bei den Behörden.
    "Schupunkt, post: 14723809
    Es werden aber keine Downloader belangt, die bleiben in der Regel straffrei. Es werden Leute abgemahnt die anbieten, zumindest sollte das so sein, Der Fall mit der Großmutter ohne Router zeigt ja dass in dem System der Wurm ist. Für reinen Konsum wird man nicht abgemahnt, da gibt es meines Wissen noch nicht mal eine Rechtsgrundlage dafür. Die Presse berichtet immer gerne diffus darüber weil es sich besser anhört, aber bis heute ist mir kein Fall zu Ohren gekommen in denen ein reiner Konsument belangt wurde.

    Aber mal eine Frage, was haben Behörden damit zu tun? Die sind in den Abmahnungsprozess gar nicht involviert. Abmahnungen werden von Anwälten erlassen im Auftrag des Geschädigten, das Geld wird an die Anwälte gezahlt. Diese decken damit ihre Kosten und der Rest geht an den Auftraggeber. Das ist eine rein zivilrechtliche Geschichte, da hat keine Behörde was mit zu tun.


    Aber mittlerweile trifft es ja auch ganz andere.
    Es reicht manchmal schon bei ebay etwas zu verkaufen, wenn du dabei geschützte Bilder, Logos oder Begriffe benutzt, oder man teilt unbedacht etwas auf Facebook von dem man gar nicht wusste das es geschützt ist.
    Ich denke das mit etwas Pech und Unaufmerksamkeit jeder in diese fälle tappen kann, auch ohne illegale Portale im Netz zu besuchen.
    Und genau deshalb muss man diesen Kanzleien die Möglichkeit nehmen Gesetzt nur zur eigenen Bereicherung auszunutzen. "Schupunkt, post: 14723809
    Du willst also Gerichte überlasten weil jemand "aus Versehen" und aus Unwissen urheberrechtlich geschütztes Material benutzt hat? Genau das wird dann nämlich passieren. Es wird dann für jedes Bild vor Gericht gezogen weil die Abmahnung eigentlich ein Mittel der außergerichtlichen Einigung im Wettbewerbsrecht ist. Es wird Klagen auf Unterlassung geben und gegen die sind dann die Kosten der Abmahnung ziemlich günstig. Selbst die unwissentliche Nutzung oder auch Weitergabe stellt im Urheberrecht eine Verletzung dar. Wenn jemand irgendwo ein Bild kopiert weil es so schön einfach ist und dann jammert weil er abgemahnt wird weil er es irgendwo online stellt hat in meinen Augen kein Mitgefühl verdient. Das ist keine Falle, das ist ein Gesetz und der gesunde Menschenverstand sollte einem schon sagen dass ich nicht einfach irgendwas nehmen kann um es in der Öffentlichkeit zu benutzen ohne den Besitzer oder in diesen Fällen den Rechteinhaber zu befragen.

    Eigentlich sollte jedem klar sein dass Abmahnungen ein Segen für Gerichte und Firmen sind. Man kann davon ausgehen dass alleine 90%+ aller Fälle im Wettbewerbsrecht über Abmahnungen geregelt werden. Die Fälle würden normalerweise vor Gericht landen.