Regierung: Streaming verletzt nicht Urheberrechte

Andreas Frischholz
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Das reine Anschauen eines Video-Streams bewertet die Bundesregierung nicht als Urheberrechtsverletzung, Maßnahmen gegen die unsichere Rechtslage sind aber nicht geplant. So lautet die Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage von der Linken, die infolge der Streaming-Abmahnungen gegen RedTube-Nutzer gestellt wurde.

Konkret äußert sich das Justizministerium nicht zu den Massenabmahnung der Kanzlei U+C, die im Auftrag der „The Archive AG“ erfolgst ist. Spezielle Kenntnisse würden nicht vorliegen, ohnehin sind für Urteile in einzelnen Fällen die jeweiligen Gerichte zuständig. Bei der generellen Einschätzung folgt das Justizministerium aber nicht der Argumentation der abmahnenden Kanzleien, die bereits das Streamen eines urheberrechtlich geschützten Films als ausreichend für eine Abmahnung bewerten. Die Bundesregierung scheint – zumindest laut der Antwort auf die Anfrage der Linken – eine Haltung zu vertreten, die der Sichtweise von Juristen entspricht, die die Massenabmahnung gegen RedTube-Nutzer als unzulässig einstufen.

In dem Antwortschreiben, dass iRights.info vollständig veröffentlicht hat (PDF-Datei), räumt die Regierung allerdings ein, dass noch kein höchstrichterliches Urteil vorliegt. Ob es sich beim Nutzen von Streaming-Angeboten um eine Vervielfältigung handelt, die Rechte von Urhebern verletzen kann und damit für Abmahnungen in Frage kommt, müsse letztlich der Europäischen Gerichtshof (EuGH) entscheiden.

So wird etwa darauf verwiesen, dass zwar prinzipiell nur der Rechteinhaber entscheiden darf, wie und in welcher Form ein geschütztes Werk für die Öffentlichkeit bereitgestellt wird (§15 UrhG). Allerdings gibt es Ausnahmen: So ist etwa eine Vervielfältigung ohne Zustimmung des Rechteinhabers zulässig, wenn diese nur kurzfristig erfolgt und sich technisch nicht vermeiden lässt (§44a UrhG). Und das ist beim Streaming normalerweise der Fall, wenn die Daten eines Videos kurzfristig zwischengespeichert werden.

Hinzu kommt das Recht auf eine Privatkopie: Nutzer dürfen Werke zum privaten Gebrauch vervielfältigen, sofern keine kommerziellen Interessen verfolgt werden. Das gilt aber nur, wenn das für die Kopie genutzte Werk legal erworben wurde. Zudem darf keine „offensichtlich rechtswidrig (…) öffentlich zugänglich gemachte Vorlage“ verwendet werden. Dass die Veröffentlichung eines Werks „offensichtlich rechtswidrig“ ist, muss für Nutzer aber erkennbar sein. Die Beweislast entfällt dabei auf die Rechteinhaber, um Nutzer vor nicht erfüllbaren Prüfpflichten zu bewahren.

Im Fall von RedTube lässt sich daraus schlussfolgern: Da es sich bei dem Porno-Portal per se um eine legale Streaming-Plattform handelt, ist für den einzelnen Nutzer nicht offensichtlich, dass einzelne Filme (womöglich) ohne Zustimmung der Rechteinhaber angeboten werden. Obwohl diese Argumentation von vielen Juristen geteilt wird, rechtliche Unsicherheit besteht nach wie vor. Die Linke fordert die Bundesregierung daher auf, die Gesetzeslage zu präzisieren. „Die Koalition sollte dafür sorgen, dass der Paragraph 44a auch ausdrücklich Streaming erlaubt“, sagte Linke-Politikerin Halina Wawzyniak gegenüber Spiegel Online.

Entsprechende Pläne scheint das Justizministerium jedoch nicht zu verfolgen. In dem Antwortschreiben heißt es stattdessen, dass man zunächst die Auswirkung von dem umstrittenen „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ prüfen will, mit dem die schwarz-gelbe Koalition Massenabmahnungen eindämmen wollte – das wird aber erst 2015 der Fall sein. Trotz der breiten Empörung, konkreten Handlungsbedarf sieht man bei der Bundesregierung derzeit offenbar nicht.

Immerhin: Die Argumentation des Justizministeriums stärkt die Position von Kritikern der Streaming-Abmahnungen. Wirklich neue Entwicklungen sind allerdings erst zu erwarten, wenn das Landgericht Köln final entscheidet, ob die Auskunftsbeschlüsse für die IP-Adressen der betroffenen RedTube-Nutzer aufgehoben werden. Diesen Schritt stellte das Landgericht bereits mit einer Ankündigung im Dezember in Aussicht.