„Killerspiele“: Neue Studie – geteilte Meinung

Jirko Alex
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Anlässlich der aktuellen Diskussion über einer Verbot von Gewaltspielen begutachtete das Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) im Auftrag der Fritz Thyssen Stiftung die Arbeit der USK anhand von 72 selbstausgewählten Spielen: Das Ergebnis liegt nun in einer Zusammenfassung vor und attestiert der USK teils erhebliche Mängel.

Vorsitzender des KFN ist Professor Christian Pfeiffer, der mit den Ergebnissen seiner Studie bereits vor dem Expertengremium des „Unterausschusses Neue Medien“ vorsprach und ein Verbot gewalthaltiger Computerspiele forderte. Dies wurde seinerzeit zwar von den beisitzenden Mitgliedern verschiedenster Parteien mit Skepsis abgetan, in Folge des Ergebnisses der Expertenrunde forderten aber abermals Innenminister von CDU und CSU ein Verbot der medienwirksam „Killerspiele“ genannten Produkte.

Die Zusammenfassung der Studie des KFN, die Reaktion der USK-Gutachter sowie die kritische Auseinandersetzung des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware mit Pfeiffers Ergebnissen lassen jedoch weiterhin Zweifel an der Stichhaltigkeit der Verbotsforderungen aufkommen. Die Ergebnisse der Untersuchung durch das KFN sind seit kurzem in einem Bericht einsehbar und berufen sich bereits in ihrer Einleitung auf die Erkenntnisse nicht näher genannter amerikanischer und deutscher Wissenschaftler, die dem aktiven Computerspielen einen desensibilisierenden Prozess zusprechen. Zudem wurde in einer Befragung des KFN festgestellt, dass von den 6.000 Viertklässlern und 17.000 Neuntklässlern, die im Jahre 2005 befragt wurden, ein Großteil bereits Spiele gespielt habe, die nicht für die jeweilige Alterklasse freigegeben wurden und einige der 14- bis 15-jährigen bereits regelmäßig Computerspiele ohne Jugendfreigabe konsumierten. Der Jugendschutz sei folglich im bisherigen Ausmaße nicht wirksam; die Arbeit der BPjM wurde hingegen gelobt, da, laut Studie, kaum ein Jugendlicher in den Besitz indizierter Software gelange.

In der eigentlichen Untersuchung heißt es nun, dass seit Anfang des Jahres 62 von der USK eingestufte und zehn weitere mittlerweile indizierte Computerspiele nach eigenen, standardisierten Testverfahren geprüft und die entsprechenden USK-Gutachten untersucht wurden. Die Zusammenfassung der Studie, die in ihrer kompletten Form erst in einigen Wochen erhältlich sein wird, beschreibt hierbei leider nicht, unter welchen Gesichtspunkten das neue standardisierte Testverfahren erstellt wurde; es wird jedoch resümiert, dass das KFN der USK nur in 22 von 62 Fällen bei der Alterseinstufung zustimmen würde, 17 Fälle für grenzwertig hält und bei 23 Spielen gar von einer falschen Alterseinstufung ausgeht.

Die „häufigsten Mängel“, die dabei bei der Arbeit der USK aufgedeckt wurden, fasst das KFN unter Christian Pfeiffer ebenfalls zusammen. Zu diesen gehören etwa die Nähe der USK zur Spieleindustrie, da man beispielsweise Firmen noch vor der Veröffentlichung von Spiele-Software berate, damit diese für ihr Produkt die anvisierte Alterseinstufung erhalte. Zudem teste die USK auch noch unfertige Spiele, ohne das Produkt nach der Veröffentlichung erneut zu überprüfen, obwohl sich hier teilweise weitere Änderungen einfügten. Auch ergäben sich Zweifel daran, ob die Gutachter der USK die Spiele komplett durchgespielt hätten, da die durch das KFN berechnete Zeit, die ein USK-Test andauert, hierfür meist nicht ausreiche, oder ob sie sich teilweise auf die Inhaltsangabe der Hersteller stützten.

Zudem wird den Testern der USK vorgeworfen, selbst über die Jahre abgestumpft zu sein oder unter den Käufern der Computerspiele lediglich erfahrene Spieler zu vermuten. Gewaltinhalte in Computerspielen werden zudem ungenügend eingestuft, da beispielsweise Bedenken gegenüber der Intensität der Gewalt mit „formelhaften Begründungen“ (zum Beispiel: „die Gewalt gehe nicht über das Genretypische hinaus“) verneint werden.

Als Konsequenz rät das KFN beispielsweise zu einem Rotationsprinzip für Gutachter bei der USK sowie zu Fortbildungen oder zeitlichen Obergrenzen, um ein Abstumpfen der Tester zu verhindern. Auch ein präziser Kriterienkatalog zur Begutachtung und Einstufung von Computerspielen wird gefordert. Zudem wird die Pflichtabgabe eines Beitrags von Herstellern von Gewaltspielen angeregt um mit dem entsprechenden Fond Therapien gegen Computerspielsucht zu finanzieren, die Medienwirkungsforschung zu betreiben oder eine Aufklärungskampagne für den Jugendschutz zu finanzieren. Im für viele entscheidenen Punkt, der Empfehlung eines Verbotes von „Killerspielen“, sind sich die Autoren der Studie jedoch nicht einig. Während es Professor Christian Pfeiffer für angebracht hält, teilen seine Mitautoren diese Meinung nicht. Sie gehen stattdessen davon aus, dass auch im Rahmen einer Strafverfolgung nach dem geltenden § 131 StGB ausreichend gegen die festgestellten Misstände vorgegangen werden kann.

Unabhängig vom Ergebnis der Studie wurde Kritik an den Testkriterien des KFN laut. Allen voran meldete sich bereits vor gut einer Woche ein USK-Gutachter zu Wort, der die attestierte Abstumpfung an sich und seinen Kollegen als Frechheit deklariert. Vielmehr haben sich die Tester der USK durch Engagement und Erfahrung ausgezeichnet; bezeichnend sei hingegen, dass Professor Christian Pfeiffer den Personenkreis, den er beurteilte, nie einbezog:

„Insofern ist die Abstumpfungsbehauptung von Pfeiffer einfach eine Frechheit. Er weiß überhaupt nichts über die Kompetenzen der Gutachter und hat auch nie eine Befragung unter diesem Personenkreis vorgenommen.“

USK-Gutachter Gerald Jörns

Gerald Jörns wird in der Kritik an der Studie vom KFN jedoch noch deutlicher. So bezeichnet er die Ergebnisse als Luftnummer, da Professor Christian Pfeiffer diese bereits in seinem Thesenpapier, vor Beginn der Studie, genannt hatte und das KFN nun genau zu dem Fazit komme. „Dient Forschung heute nur noch dazu, diese Arbeitsthesen mit aller Gewalt zu beweisen?“, fragt Gerald Jörns daher weiter.

Auch der Bundesverband Interaktive Unterhaltunssoftware (BIU) sieht bereits in den Grundlagen der Studie Fehler, die Professor Christian Pfeiffer zu einem zweifelhaften Fazit trieben. So erklärte der BIU in einer Stellungnahme, dass das KFN fälschlicherweise davon ausgehe, dass das aktive Mitwirken an einem Computerspiel ein erhöhtes Wirkungsrisiko darstellen würde. Tatsächlich steht den „amerikanischen und deutschen Studien“, auf die sich das KFN beruft, jedoch eine Studie des British Board of Film Classification (BBFC), der staatlichen Institution zur Alterseinstufung in Großbritannien, entgegen. In dieser wird nämlich genau das Gegenteil festgestellt und die These vertreten, dass Computerspiele, trotz ihrer Interaktivität, weniger dazu geeignet seien, emotional zu fesseln. Während der Direktor der BBFC, David Cooke, jedoch ankündigte, diese Ergebnisse in die eigene Beurteilung von Medien einfließen zu lassen, sei laut BIU bei der Studie des KFN nicht einmal ersichtlich, ob die britische Studie bei der eigenen Untersuchung bekannt gewesen sei. Aus diesem Grunde empfiehlt der BIU dem Kriminologischen Forschungsinsititut Niedersachen auch, die eigenen Ergebnisse dem Hans-Bredow-Institut zur Verfügung zu stellen, das derzeit im Auftrag von Bund und Ländern einen Bericht bezüglich des Jugendschutzes bei Computer- und Videospielen verfasst.

Kritische Worte verliert das BIU zuletzt auch an Politiker, die sich populistisch an die für sie passenden Studien klammern. So werden die Unionsinnenminister daran erinnert, dass ihre Forderungen nach einem Verbot von Gewaltspielen bereits durch „die inhaltliche Befassung der mit dem Jugendschutz betrauten Politiker und Institutionen“ überholt worden sei. Es herrsche stattdessen der aktuelle Konsens, dass die bestehenden Jugendschutzmechanismen besser durchgesetzt und erklärt werden und sich Verbotsverfechter besser an der Vermittlung bestehender Gesetze beteiligen sollten, als das „Vertrauen der Öffentlichkeit in die bestehenden staatlichen Jugendschutzmechanismen durch unsachliche Kritik zu untergraben.“